Frankfurt. Zehntausende mit Gas befeuerte größere Anlagen gibt es in den Unternehmen hierzulande derzeit noch. Sie verrichten ihren Dienst vor allem in der Industrie. Doch die Kosten für Gas sind auch für die Betriebe explodiert – trotz staatlicher Entlastungen –, zudem ist der Bezug unsicher.

Die Unternehmen stehen enorm unter Druck, auf andere Energieträger umzusteigen, berichtet Hauke Dierks, Referatsleiter Umwelt und Rohstoffpolitik beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag: „Das Thema Fuel-Switch hat in letzter Zeit stark an Bedeutung zugenommen – trotz aller technischen und finanziellen Hürden.“

Gesetzgeber erleichtert Betrieben jetzt den Brennstoffwechsel

Immerhin: Bei den nötigen behördlichen Genehmigungen hat der Gesetzgeber zuletzt weitreichende Erleichterungen beschlossen. Das spart Betrieben, die vom Gas runter wollen, viel Zeit und Papierkram – zumindest solange die „Gasmangellage“ anhält.

Wie wichtig eine schnelle Brennstoffumstellung für viele Unternehmen ist, zeigt sich etwa bei Infineon: Der Chiphersteller rechnet mit zusätzlichen Energiekosten von 100 Millionen Euro allein für das zurückliegende Geschäftsjahr, das im September endete.

Wesentlicher Kostentreiber ist Erdgas. Es wird unter anderem in der Halbleiterfertigung benötigt, für die Klimatisierung und Abluftreinigung. Infineon versucht, Gas bis zum Jahresende zu zwei Dritteln durch andere Energieträger zu ersetzen.

Weitere Firmenbeispiele sind der Dufthersteller Symrise, der Chemiekonzern Henkel, der Medizintechnikproduzent Siemens Healthineers und der Autozulieferer Continental. Sie alle wollen zumindest vorübergehend stärker Öl statt Gas nutzen – oder wenigstens die Möglichkeit haben, schnell umzusteigen, falls das Gas knapp wird. Das gilt auch für Renolit: Der Hersteller von Kunststofffolien hat dafür neue Brenner gekauft, Öltanks reaktiviert, Heizöl eingelagert.

Gerade in der Chemie ist Gas oft nicht ersetzbar

Doch nicht überall lässt sich Erdgas im großen Stil sparen. Gerade auch in der Chemie-Industrie, dem mit einem Anteil von 15 Prozent größten Gasverbraucher in Deutschland, ist es an vielen Stellen nicht ersetzbar. So versucht der Kunststoffhersteller Covestro zwar, bei der Dampfherstellung verstärkt Öl zu nutzen. Dadurch sind aber nur Gas-Einsparungen im niedrigen einstelligen Prozentbereich möglich. Im Falle eines Gas-Stopps müssten Anlagen sogar herunterfahren werden – mit heftigen Folgen für viele andere Industrien, weil Chemieerzeugnisse am Anfang vieler Produktionsketten stehen.

Etwas leichter ist die Sache bei Neuinvestitionen. So nahm der Chemiekonzern Evonik Anfang Oktober ein topmodernes Gas- und Dampfturbinenkraftwerk im Chemiepark Marl in Betrieb. Hier kann nun Energie aus vielen Quellen erzeugt werden – aus Kohle, LPG, Erdgas, Produktions-Restgasen und künftig auch aus Wasserstoff. Klar wird aber auch hier: Für den „Switch“ braucht es einen langen Atem.

Stephan Hochrebe
aktiv-Redakteur

Nach seiner Redakteursausbildung absolvierte Stephan Hochrebe das BWL-Studium an der Universität zu Köln. Zu aktiv kam er nach Stationen bei der Funke-Mediengruppe im Ruhrgebiet und Rundfunkstationen im Rheinland. Seine Themenschwerpunkte sind Industrie und Standort – und gern auch alles andere, was unser Land am Laufen hält. Davon, wie es aussieht, überzeugt er sich gern vor Ort – nicht zuletzt bei seiner Leidenschaft: dem Wandern.

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