Fahrräder mit elektrischer Tret-Unterstützung liegen im Trend. Laut Zweirad-Industrie-Verband stieg die Zahl der verkauften Pedelecs vom Jahr 2020 bis 2021 von 1,95 Millionen auf zwei Millionen. Könnte auch ein Umbausatz eine Alternative sein? Damit wird ein normales Fahrrad in ein Pedelec verwandelt. Ob das eine gute Idee ist, erklären Uwe Wöll, Geschäftsführer des Fachhandelsverbands VFS, und Dirk Zedler, öffentlich bestellter Sachverständiger für Fahrräder und E-Bikes.

Die meisten Nachrüstsets bestehen aus einem Motor, einem Akku und einem Steuerungssystem. Daraus ist es möglich, mit etwas handwerklichem Geschick ein normales Gebrauchtfahrrad in ein Pedelec mit elektrischer Unterstützung zu verwandeln. Pedelecs sind nicht zulassungspflichtig, gelten im Verkehr als Fahrrad und können auch auf Radwegen genutzt werden.

E-Bike-Umbausatz: Nabenmotor treibt meistens entweder Vorder- oder Hinterrad an

Die Antriebe solcher Pedelcs dürfen eine Nenndauer-Leistung von 250 Watt nicht überschreiten und müssen bei maximal 25 Stundenkilometern abschalten. „Im Set enthalten ist meistens ein Nabenmotor, mit dem entweder das Hinter- oder das Vorderrad angetrieben wird“, so Zedler. Es gebe aber auch Mittelmotoren für das Tretlager. Der Vorteil dabei: „Liegt der Motor zentral im Rahmen, ist die Gewichtsverteilung ausgewogen und handelsübliche Vorder- und Hinterräder können etwa bei einer Panne einfach aus- und wieder eingebaut werden“, so Experte Zedler.

Ein Heckmotor hingegen, der zentral im Hinterrad sitze, erfordere zum einen eine Kettenschaltung und erschwere zum anderen den Radaus- und -einbau enorm. „Wie es sich beim Fahren anfühlt, das sollte jeder für sich ausprobieren. Aber bei einem Bausatz ist ein Test natürlich nicht möglich“, so der Experte.

Akku für den Umbausatz: Die Größe hängt vom eigenen Fahrverhalten ab

Hinsichtlich des Akkus gebe es erhebliche Unterschiede in der Haltbarkeit. „Günstige Akkus verschleißen erfahrungsgemäß deutlich schneller als solche von Markenanbietern“, sagt Zedler: „Da kann es schon sein, dass die Reichweite nach zwei oder drei Jahren nur noch bei der Hälfte liegt.“ Die Größe des Akkus müsse jeder anhand seiner Fahrgewohnheiten selbst einschätzen. Für den täglichen Weg zur Arbeit über fünf Kilometer müsse es nicht der allergrößte Akku sein: „Daher hat sich die Masse der Pedelecs derzeit bei 500 Wattstunden eingependelt.“

Was kostet die Umrüstsets für Pedelecs?

Die Preisspanne reicht von wenigen Hundert Euro bis mehr als 1.700 Euro für ein Nachrüstset. Wer die mitunter aufwendige Montage selbst übernimmt, hat keine weiteren Kosten. Wer den Einbau einem Fachmann überlässt, zahlt laut Uwe Wöll vom Fachhandelsverband Verbund Service und Fahrrad (VSF) mindestens 400 Euro zusätzlich. Dazu kämen unter Umständen notwendige Veränderungen an Bauteilen und Anpassungen am Fahrrad. Viele Angebote seien verlockend, sagt Experte Zedler: Aber wer ein hochwertiges Antriebssystem zum Nachrüsten wolle, müsse fast schon den Preis eines kompletten Pedelecs zahlen.

Wo liegen die Risiken, wenn man sein Fahrrad auf ein E-Bike umrüsten will?

Davon zählt Dirk Zedler eine Reihe auf. „Die seriöse Fahrradbranche rät von diesem Vorhaben sehr stark ab“, sagt der Diplom-Ingenieur. Durch Motor und Akku steige nicht nur das Gewicht des Fahrrads, sondern auch die Durchschnittsgeschwindigkeit. Die Folge seien höhere Beanspruchungen des Materials: „Es hat sich auch herausgestellt, dass sich durch die Nachrüstung das Nutzungsverhalten ändert.“ Fahrer eines Pedelecs träten erfahrungsgemäß nicht mehr so stark in die Pedale und säßen dadurch aufrechter im Sattel. Der Sattel und die Stütze würden stärker belastet, was zu einem höheren Risiko für Materialversagen und schwere Unfälle führe. Zudem würden normale Fahrradreifen bei einem Pedelec-Antrieb stärker beansprucht: „Nicht umsonst gibt es spezielle Elektroradreifen mit höheren Traglasten und größerer Pannensicherheit“, gibt der Experte zu bedenken.

Belastungen passen nicht zum ursprünglichen Nutzungsverhalten

Vor allem ein nachträglich montierter Motor für das Vorderrad berge zusätzliche Gefahren. Die sogenannte Drehmomentstütze werde dabei an der Gabel befestigt, die dadurch Belastungen ausgesetzt sei, für die sie nicht konstruiert sei. Und auch billige Akkus seien oft die schlechtere Wahl. Hier könne es sogar zu Bränden kommen. Nicht zuletzt spielten die Bremsen eine Rolle. Eine normale Felgenbremse etwa könne im Pedelec-Betrieb schneller verschleißen. Zedlers Fazit zu aufgerüsteten Fahrrädern: „Das ist ein Spiel mit dem Feuer.“

Fazit: Eine Umrüstung ist teuer, aufwendig und im Schadensfall rechtlich heikel

Wer dennoch eine Umrüstung vornehmen möchte, sollte sich auf jeden Fall Rat von einem Experten holen. Denn Laien können meist nicht einschätzen, ob ihr Fahrrad den Belastungen durch einen Elektrobetrieb standhält. Eine Expertise ist für den Fachmann aber rechtlich heikel. „Der Händler ist gut beraten, wenn er das nicht tut“, sagt Zedler. Schließlich könne er schon allein durch die Beratung haftbar gemacht werden: „Wenn irgendwas schiefläuft, kommt der Kunde zum Händler.“

Auch VSF-Geschäftsführer Wöll sieht ein grundlegendes Dilemma. Unbedingt seien Nachrüstung und Anpassung des Fahrrads eine Sache für Profis. Andererseits werde der Fahrradhändler dadurch rechtlich zum Hersteller und müsse bei Unfällen haften. Streng genommen dürfe der Händler Fahrradteile wie zum Beispiel Rahmen, Gabel oder Bremsbeläge nur mit Freigabe des Herstellers an die Erfordernisse eines Pedelecs anpassen, um aus der Haftung entlassen zu werden – dieser Aufwand sei sowohl für Händler als auch für Hersteller einfach zu groß.

Wer sein Fahrrad mit einem E-Bike Umbausatz aufpeppt, verliert Garantieansprüche

Es gebe zwar Anbieter von Nachrüstsystemen, die mit Versicherungen bei Haftungsansprüchen locken, sagt Wöll. Hier gehe es aber um den Versicherungsfall nach fachgerechter Montage. Hinsichtlich des Fahrzeugs und der Bauteile bleibe der Fachhändler in der Pflicht und trage ein Risiko. Die Situation ist also schwierig, auch wenn der Fahrradbesitzer selbst Hand anlegt.

Übrigens: Neben dem Sicherheitsrisiko weist der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) auf ein weiteres Problem hin: Wer sein Fahrrad selbst zum Pedelec umbaue, verliere jegliche Garantieansprüche.

Tobias Christ
Autor

Nach seinem Germanistik-Studium in Siegen und Köln arbeitete Tobias Christ als Redakteur und Pauschalist bei Tageszeitungen wie der „Siegener Zeitung“ oder dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Derzeit schreibt er als freier Journalist Beiträge für Print- oder Onlinemedien. Für aktiv recherchiert er vor allem Ratgeberartikel, etwa rund um die Themen Mobilität und Arbeitsrecht. Privat wandert der Kölner gern oder treibt sich auf Oldtimermessen herum.

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