München/Neumarkt. Blumenkohl und Zuckerwatte. Wo sich solche Wolken am Himmel türmen, kracht es gleich gewaltig. Da zieht ein Gewitter auf. Fast 400.000 Blitzeinschläge zählt der Blitz-Informationsdienst BLIDS von Siemens pro Jahr in Deutschland. Der Service ortet europaweit Gewitter. Mit rund 160 Stationen vermisst er das elektromagnetische Feld von Blitzen, warnt Wetterdienste, Energieversorger, Veranstalter, Versicherer und auch die Industrie, um Mensch und teure Technik zu schützen. 2020 zählte er ein Fünftel mehr Einschläge als im Jahr zuvor, der Klimawandel lässt die Gewittergefahr steigen.
Wolfsburg liegt im deutschen Blitze-Ranking an der Spitze
Mit 5,8 Einschlägen pro Quadratkilometer führt Wolfsburg in Niedersachsen die aktuelle Blitz-Statistik an. Auch am Alpenrand, wo sich oft die Wolken stauen, rumpelt es im Sommer kräftig. Kempten im Allgäu (5,1 Einschläge pro Quadratkilometer) und Miesbach (4,7) folgen knapp dahinter.
Blitze entstehen in Gewitterzellen, diese können mehrere Kilometer Durchmesser erreichen. Milliarden Wassertropfen und Eiskristalle wirbeln darin herum. Durch Auf- und Abwinde in der Wolke entstehen positiv und negativ geladene Bereiche. Wird der Unterschied zu groß, entlädt sich die Spannung – als Blitz.
Zerstörerische Kräfte werden frei. „Ein Blitz ist nur wenige Zentimeter dick, aber jeder Meter leuchtet wie eine Million 100-Watt-Glühbirnen“, so die Fachleute von Dehn. Das Unternehmen in Neumarkt (Bayern) stellt Blitz- und Überspannungsschutz für Gebäude, Anlagen und Geräte her. Auch für den Aufenthalt im Freien haben die Experten Tipps. Denn draußen zu sein, bedeutet bei Gewitter oft Gefahr. Zunächst hilft der Blick gen Himmel, auf besagte Wolken. Schwüle, aufkommender Wind, fallender Luftdruck oder Wetterleuchten kündigen ebenfalls ein Unwetter an.
Auto und Wohnwagen schützen wie ein Käfig
Und wie weit ist das Unwetter noch weg? Dazu muss man Folgendes wissen: Mit einer Geschwindigkeit von ca. 300.000 Kilometern pro Sekunde ist der Lichtschein des Blitzes etwa 900.000-mal schneller als der relativ langsame Schall, der „nur” 330 Meter pro Sekunde schafft. „Das erklärt die Verzögerung zwischen Blitz und dazugehörendem Donnergrollen", so die Experten von Dehn. Die Faustregel heißt: Sekunden zwischen Blitz und Donner zählen, durch drei teilen. Das ergibt den Abstand in Kilometern. Wenn es also zum Beispiel 30 Sekunden nach dem Blitz noch nicht gedonnert hat, kann man aufatmen. Das Gewitter tobt in sicherer Entfernung. Grollt der Donner bereits15 Sekunden nach dem Blitz, ist das Gewitter nur noch circa 5 Kilometer entfernt. Ab fünf Sekunden wird es kritisch, dann heißt es ab in die Hocke, Kopf einziehen, Füße dicht nebeneinander stellen und mit den Armen umschlingen.
Ein wenig Technik hilft unter Umständen ebenfalls. Mit dem „BLIDS Spion” von Siemens lässt sich deutschlandweit die aktuelle Gewitterlage beobachten. Jeder Blitz wird darin als Punkt auf einer Landkarte dargestellt. Sie wird alle 15 Minuten aktualisiert und verzeichnet alle Einschläge der letzten zwei Stunden. Für sekundengenaue Daten braucht man allerdings die kostenpflichtige Profi-Version.
An exponierten Stellen steigt das Risiko
„In der freien Natur lauern vor allem zwei Gefahren“, erklärt das Unternehmen Dehn. Erstens: Wenn man der höchste Punkt in der Umgebung ist, steigt das Risiko, direkt von einem Blitz getroffen zu werden. Und zweitens: Wenn der Blitz in unmittelbarer Umgebung einschlägt und sich der Strom im Boden nach allen Seiten rasch ausbreitet, bildet sich so ein gefährlicher Spannungstrichter.
Um sich bestmöglich davor zu schützen, ist besonders der Abstand zu anderen Personen, zu Fahrrad, Felswand. Leitern oder Zäunen wichtig. Bäume, Waldrand, Masten sollte man bei Gewitter tunlichst meiden, exponierte Stellen sind besonders einschlaggefährdet. Beim Baden sofort raus aus dem Wasser (es leitet Spannung!), beim Campen ab auf die Isomatte und Finger weg von der Zeltstange. Wohnwagen und -mobile mit Metallrahmen bilden wie Autos einen schützenden Faraday’schen Käfig. Übrigens: Trifft ein Blitz während eines Gewitters ein Flugzeug am Boden oder sogar in der Luft, passiert in der Regel nichts, weil die Flugzeughülle die Passagiere ebenfalls nach dem Faraday-Prinzip schützt. Im Allgemeinen sind die Turbulenzen durch Gewitter viel gefährlicher als der Blitz selbst. Deshalb umfliegen erfahrene Piloten Gewitterfronten gern in sicherer Entfernung.
Duschen, baden, telefonieren, chatten oder fernsehen kann man übrigens getrost auch bei Gewitter, so man Blitz- und Überspannungsschutz zu Hause hat. Letzterer ist im Neubau vorgeschrieben.
Friederike Storz berichtet für aktiv aus München über Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Die ausgebildete Redakteurin hat nach dem Volontariat Wirtschaftsgeografie studiert und kam vom „Berliner Tagesspiegel“ und „Handelsblatt“ zu aktiv. Sie begeistert sich für Natur und Technik, Nachhaltigkeit sowie gesellschaftspolitische Themen. Privat liebt sie Veggie-Küche und Outdoor-Abenteuer in Bergstiefeln, Kletterschuhen oder auf Tourenski.
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