Berlin. Wer anderen Menschen wertvolle Dinge schenkt, kann damit ganz unterschiedliche Zwecke verfolgen. Mal soll der Beschenkte nur etwas Schönes erhalten. Mal will man Steuern sparen. Oder mal will der Schenkende, dass andere, ungeliebte Personen später möglichst wenig erben. „Grundsätzlich darf man jederzeit alles verschenken, was man möchte, ohne jede Wertbegrenzung“, erklärt Martin Thelen von der Bundesnotarkammer. Doch Vorsicht: Manche Personen können auch noch Jahre nach der Schenkung Ansprüche anmelden!

Erben haben einen gesetzlichen Anspruch

Bestimmte Familienmitglieder sind bekanntlich gesetzliche Erben – doch nicht jeder will etwa, dass die undankbaren Kinder, der untreue Ehepartner oder andere verschmähte Angehörige nach dem Tod etwas vom Vermögen bekommen. Deshalb verschenken viele ihr Vermögen noch zu Lebzeiten an denjenigen, der die Dinge tatsächlich erhalten soll.

Doch Achtung, das klappt nicht sofort! „Schenkungen werden beim Wert des Erbes zehn Jahre lang mitberücksichtigt“, erklärt der Experte. Dabei wird der angerechnete Wert jedes Jahr um 10 Prozent reduziert. Beispiel: Wenn eine Frau ihrem untreuen Ehemann eins auswischen will und ihrer allerliebsten Sandkasten-Freundin deshalb am 1. Januar 2020 eine Immobilie im Wert von 100.000 Euro geschenkt hat, gehören davon am 1. Januar 2021 noch 90.000 Euro zum Erbe, im Jahr 2022 noch 80.000 Euro und so weiter. Erst ab dem Jahr 2030 ist die Immobilie vollständig vor dem Zugriff der Erben sicher.

Die Sache mit dem Pflichtteil

Diese Regelung gilt aber nicht für sämtliche gesetzlichen Erben, sondern nur für Pflichtteilsberechtigte. Pflichtteilsberechtigt sind der Ehepartner und die Kinder oder (bei Kinderlosen) die Eltern. Alle anderen Familienmitglieder haben keinen Pflichtteilsanspruch, weder Geschwister noch Großeltern, weder Enkel noch Nichten beziehungsweise Neffen. Sie können also von der Schenkung nichts zurückfordern.„Pflichtteilsberechtigte Erben haben einen Anspruch darauf, dass der Beschenkte ihnen wahrheitsgemäß Auskunft über die Schenkung gibt“, erläutert Thelen. Denn woher sollen die Erben sonst wissen, wie viel das Geschenk wert war?

Steht den Erben noch ein Teil des Geschenks zu, können sie aber keine Gegenstände – beispielsweise bestimmte Schmuckstücke – zurückfordern, sondern nur den entsprechenden Geldwert. Juristen nennen das den sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruch. Lesen Sie hier auf aktiv-online.de mehr zum Thema Pflichtteil beim Erben.

Ausnahmen bei Schenkungen zwischen Eheleuten

Aber Achtung: Die oben beschriebene Zehn-Jahres-Regel gilt nicht für Geschenke unter Eheleuten. „Schenkungen an den Ehepartner werden auch noch nach vielen Jahren voll und ganz zum Wert des Erbes hinzugerechnet“, sagt Thelen. Es bringt also nichts, wenn beispielsweise ein geschiedener Familienvater sein gesamtes Vermögen an seine zweite Ehefrau überträgt, damit seine Kinder aus erster Ehe später nichts erben.

Immerhin: Verändert sich bei solchen Geschenken unter Ehepartnern im Laufe der Jahre der Wert, gilt immer der niedrigere Betrag. Steigt beispielsweise der Wert der geschenkten Immobilie im Laufe der Jahre von 200.000 auf 400.000 Euro, wird sie bei der Berechnung des Erbes trotzdem nur mit 200.000 Euro angesetzt. Fällt umgekehrt der Wert eines Aktienpakets, das vor Jahren mal 50.000 Euro wert war, auf heute nur noch 10.000 Euro, werden entsprechend nur 10.000 Euro angesetzt.

Schenkung als vorweggenommene Erbfolge

Manchmal soll das Geschenk auch das vorweggenommene Erbe für eines der Kinder sein, etwa wenn man der bauwilligen Tochter einen dicken Zuschuss zum Immobilienkauf gibt und der Sohn dafür später das Elternhaus erben soll. „Man kann vereinbaren, dass der Beschenkte als Gegenleistung für das Geschenk auf einen Teil oder sogar alle Pflichtteilsansprüche verzichtet“, erklärt Thelen. Dazu muss man aber unbedingt zum Notar, der das alles absolut wasserdicht formuliert.

So etwas wird übrigens besonders häufig bei Unternehmen gemacht. Dann bekommt beispielsweise die Tochter die Firma für 1 Million und der Sohn die Immobilien für 500.000 Euro. Obwohl er damit viel weniger bekommt als seine Schwester, verzichtet der Sohn trotzdem auf seine Pflichtteilsansprüche, weil er nicht will, dass die Firma verkauft werden muss, um ihm sein volles Erbe auszuzahlen.

Auch das Sozialamt kann in bestimmten Fällen Ansprüche erheben

Wer Sozialleistungen beantragt, muss bekanntlich vorher fast sein gesamtes Vermögen verbrauchen. Es bringt aber nichts, zuerst noch schnell alles zu verschenken und hinterher Sozialleistungen beantragen: „Das Amt überprüft sämtliche Schenkungen der letzten zehn Jahre“, erklärt Thelen von der Bundesnotarkammer. Dabei gilt die oben beschriebene 10-Prozent-Regelung aber nicht. „Die Behörde kann bis zum letzten Tag die Rückzahlung des gesamten Betrags verlangen“, so der Experte. Erst nach zehn Jahren ist man auf der sicheren Seite, und die Schenkung wird bei Sozialleistungen nicht mehr berücksichtigt.

Für Geburtstagsgeschenke & Co. gelten individuelle Freigrenzen

Alle diese Anrechnungsregelungen gelten jedoch nicht für die üblichen Geburtstags-, Weihnachts-, Hochzeits- und ähnliche Geschenke. „Sogenannte Anstandsgeschenke sind immer anrechnungsfrei, wenn sie angemessen waren“, erklärt Thelen. Was angemessen ist, hängt vom individuellen Lebensstandard ab – beim Millionär geht unter Umständen auch eine 5.000 Euro teure Kreuzfahrt noch als angemessen durch. Beim Hartz-IV-Empfänger dagegen können schon 100 Euro zu viel sein.

Geschenke zurückholen kann man in der Regel nicht

Manchmal entwickelt sich die Beziehung zum Beschenkten im Laufe der Jahre in eine unschöne Richtung, und der Schenker möchte sich das Geschenk zurückholen. Dies ist beispielsweise häufig der Fall, wenn der Empfänger drogenabhängig oder kriminell wird oder sich einer fiesen, geldgierigen Sekte anschließt. Auch wenn der Beschenkte vorzeitig stirbt, will man meist, dass die Vermögenswerte wieder an den Schenker zurückfallen. Achtung: Das geht nur, wenn man das vorher ausdrücklich vereinbart hat. „Wer sich für solche Fälle absichern will, muss beim Notar entsprechende Rückforderungsansprüche vereinbaren“, sagt Thelen. Nur so kann man sicher sein, dass man im Fall des Falles sein Geschenk zurückholen kann.

Finanzamt verlangt bei größeren Beträgen Schenkungsteuer

Wer ein großes Vermögen hat, verschenkt gerne schon zu Lebzeiten etwas, um den Erben später Erbschaftsteuer zu ersparen. Doch bei allzu großen Werten will das Finanzamt ein Stück vom Kuchen abbekommen, die sogenannte Schenkungsteuer. Diese wird übrigens größtenteils genauso berechnet wie die Erbschaftsteuer, die Erben nach dem Tod des Angehörigen bezahlen müssten. Dabei gibt es aber Freibeträge, die für bestimmte Familienmitglieder höher sind als für andere.

AngehörigerFreibetrag bei Schenkungen
Ehepartner500.000 € plus selbst bewohnte Immobilie
Kinder sowie Enkel, deren Eltern bereits verstorben sind400.000 €
Enkel, deren Eltern noch leben200.000 €
Urenkel100.000 €
Andere Verwandte (auch Eltern und Geschwister) sowie Familienfremde20.000 €

Quelle: Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG)

Diese Freibeträge kann man allerdings nicht jedes Jahr ausschöpfen, sondern nur alle zehn Jahre. „Bei einem sehr großen Vermögen sollte man entsprechend frühzeitig mit dem Verschenken anfangen, um die Freibeträge mehrmals nutzen zu können“, rät Thelen. Das gilt nicht nur für Multimillionäre, sondern auch für Eigenheimbesitzer. Denn aufgrund der hohen Immobilienpreise liegen inzwischen viele Einfamilienhäuser über den Freibeträgen. „Man kann Immobilien auch zuerst nur teilweise übertragen, um die Schenkungsteuer zu vermeiden“, erläutert Thelen. Wichtig: Jede Schenkung muss entweder vom Schenker oder vom Beschenkten beim Finanzamt angezeigt werden – auch dann, wenn keine Steuern fällig werden. Wer das vergisst, riskiert unter Umständen auch noch viele Jahre später ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung.

Silke Becker
Autorin

Silke Becker studierte Soziologie, BWL, Pädagogik und Philosophie. Seit ihrem Abschluss arbeitet sie als Redakteurin und freie Journalistin. Außerdem hat sie mehrere Bücher veröffentlicht. Am liebsten beschäftigt sie sich mit den Themen Geld, Recht, Immobilien, Rente und Pflege.

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