„Mitgehangen, mitgefangen“: Dieser Spruch gilt für all jene Immobilienbesitzer, deren Wohnung Teil einer Eigentümergemeinschaft ist. In Deutschland sind das etwa neun Millionen Wohneinheiten. „Also rund ein Fünftel aller Wohnungen in der Bundesrepublik“, so Gerold Happ vom Eigentümerverband „Haus & Grund“ in Berlin.
Das Problem: „Wohnungen im Gemeinschaftseigentum haben oft einen Instandhaltungsrückstand“, sagt der Fachmann für Immobilienrecht. Das heißt, Teile des Gebäudes, die der Gemeinschaft gehören, sind oft in schlechtem Zustand – weil keiner dafür zahlen will. „Ein Treppenhaus ist, grob gesagt, vielen Eigentümern nichts wert“, so Happ. Reichen die Rücklagen für Reparaturen nicht oder ist ein Eigentümer dabei, der nicht genügend Geld auf der Seite hat, wird es mit der Finanzierung schwierig.
Zwingend notwendige Sanierungen müssen sofort erfolgen
Ein Streit um feuchte Außenwände einer Kellerwohnung in einem Mehrfamilienhaus ging jetzt bis vor den Bundesgerichtshof. „Eigentümergemeinschaften dürfen zwingend erforderliche Sanierungsarbeiten nicht verzögern“, heißt es im Urteil der Karlsruher Richter. Besteht die Gefahr, dass das gesamte Gebäude Schaden nimmt, dürfen selbst arme und betagte Bewohner für dringende Arbeiten am Gemeinschaftseigentum zur Kasse gebeten werden (BGH, 17.10.2014, V ZR 9/14).
Der Fall: Die Kellerwohnung, die die Klägerin für 85.000 Euro gekauft hatte, war wegen Fehlern beim Umbau durch den Vorbesitzer später unbewohnbar geworden. Durch die Außenwände der Wohnung, die zum Gemeinschaftseigentum der drei Parteien im Haus gehörten, drang Feuchtigkeit in die Wohnung. Die Besitzer der beiden anderen Wohnungen weigerten sich jedoch, die Sonderumlage von insgesamt fast 55.000 Euro für die Beseitigung der Mängel zu berappen.
„Wenn eine Sanierung nicht verschoben werden kann, muss man als Eigentümer zahlen“, erläutert Happ das Gerichtsurteil. „Egal, ob man das Geld hat oder nicht. Der extremste Schritt wäre, zu verkaufen.“
Die Kosten werden geteilt
Entscheidend für den Richterspruch war, dass der Besitzer sein Eigentum nutzen, also darin wohnen kann. „Das kann man ihm bei schimmligen Wänden nicht zumuten“, so der Experte von Haus & Grund: Das heißt, die Gemeinschaft muss handeln und die Außenwände abdichten lassen. Die Kosten werden geteilt, jeder muss seinen Anteil leisten.
Das Gerichtsurteil reicht noch weiter: Wer ein dringend nötiges Sanierungsvorhaben verzögert oder sich bei der Abstimmung auch nur enthält, kann für den entstehenden Schaden haftbar gemacht werden. „Allerdings muss den Blockierern nachgewiesen werden, dass der Schaden aufgrund ihrer Verhinderung der Sanierung entstanden ist“, so Happ.
Bei aufschiebbaren Arbeiten: Rücksicht auf Finanzen der Besitzer
Anders sieht es aus, wenn die Sanierungsarbeiten nicht ganz so dringend sind: Bei aufschiebbaren Arbeiten am Gebäude müssen die Eigentümer Rücksicht auf die finanziellen Möglichkeiten der einzelnen Wohnungsbesitzer nehmen, befanden die obersten Richter. Die Gemeinschaft ist in diesem Fall angehalten, das Gebot der Wirtschaftlichkeit zu beachten, einen Kompromiss zu finden und notfalls nicht zwingend erforderliche Arbeiten zurückzustellen.
Selbst die Heizungsrohre sind Gemeinschaftseigentum
Was ist eigentlich Gemeinschaftseigentum? Happ: „Alles, was für den Erhalt und den Betrieb des Gebäudes nötig ist.“ Da sind zunächst die Decken und die tragenden Innenwände, denn ohne sie würde das Haus zusammenbrechen. Weiter geht’s mit den Außenwänden. Und dem Dach. Das schließt das Gebäude nach oben ab. Auch die Fenster und sogar die Eingangstüren der Wohnungen oder die zentralen Heizungsrohre gehören der Gemeinschaft. Das Gleiche gilt für Aufzug, Treppenhaus, Kellergänge sowie die wasserabweisende Schicht auf Balkon und Dachterrasse.
Kann ein Einzelner den Beschluss blockieren?
Und wann kann man als Eigentümer eigentlich einen Beschluss der Hausgemeinschaft blockieren? Happ erklärt: „Hier muss man unterscheiden zwischen Instandhaltung, Modernisierung und baulicher Veränderung.“
Für eine Instandhaltung, mit der alles in gutem Zustand gehalten wird, braucht es normalerweise eine einfache Mehrheit, also mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen. Zum Beispiel wenn das Treppenhaus gestrichen werden soll. Es sei denn, wie im Fall der Kellerwohnung, die Sanierung duldet keinen Aufschub. Happ: „Da muss man zustimmen und zahlen, keine Chance.“
Für eine Modernisierung, zum Beispiel die Dämmung der Fassade, ist eine Dreiviertel-Mehrheit aller stimmberechtigten Eigentümer nötig. Die Befürworter müssen zudem mindestens die Hälfte aller Eigentumsanteile auf sich vereinen. Gerechnet wird in der Regel nach Quadratmetern. „Auch da kann ein Einzelner, der dagegen ist, wenig ausrichten“, so Happ.
Gegen teure bauliche Veränderungen kann man sich wehren
Für eine bauliche Veränderung – eher „nice to have“ aber nicht notwendig – genügt eigentlich eine einfache Mehrheit, damit sie in Angriff genommen wird. Bedingung: Hier müssen alle Eigentümer zustimmen, die davon betroffen sind. Diesen Beschluss kann ein Einzelner blockieren. Happ: „Das ganze Treppenhaus mit Marmor auslegen oder vergoldete Klingelschilder anbringen – gegen solche kostspielige Vorhaben der Eigentümergemeinschaft kann man sich wehren.“
Friederike Storz berichtet für aktiv aus München über Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Die ausgebildete Redakteurin hat nach dem Volontariat Wirtschaftsgeografie studiert und kam vom „Berliner Tagesspiegel“ und „Handelsblatt“ zu aktiv. Sie begeistert sich für Natur und Technik, Nachhaltigkeit sowie gesellschaftspolitische Themen. Privat liebt sie Veggie-Küche und Outdoor-Abenteuer in Bergstiefeln, Kletterschuhen oder auf Tourenski.
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