Heidelberg. Wenn die Raucher mal wieder für eine Zigarette vor die Tür gehen, sind Nichtraucher oft sauer: Sie arbeiten weiter, während die Kollegen qualmen und quatschen. Michael Eckert, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Vorsitzender des Anwaltsvereins Heidelberg, beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema.

Wie ist die Gesetzeslage zum Thema Raucherpausen?

Das Thema ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Aus den Vorschriften zur Arbeitssicherheit ergibt sich jedoch, dass Arbeitnehmer Anspruch auf einen rauchfreien Arbeitsplatz haben und niemand passiv rauchen muss. Wenn alle Mitarbeiter damit einverstanden sind, dürfte theoretisch am Arbeitsplatz geraucht werden. Spätestens, wenn ein neuer Mitarbeiter in das Unternehmen eintritt, kann das aber zum Problem werden.

In der Praxis ist das Rauchen jedoch sowieso in fast allen Unternehmen verboten. Erfahrungsgemäß findet das die Zustimmung der meisten Beschäftigten, denn auch die Raucher möchten normalerweise nicht in einem verqualmten Raum arbeiten. 

Gilt das Rauchverbot auch in Gemeinschaftsräumen?

Ja, der Arbeitnehmer hat nicht nur Anspruch auf einen rauchfreien Arbeitsplatz, sondern dies gilt auch für Gemeinschaftsräume wie die Kaffeeküche, den Pausenraum und Ähnliches. Auch hier wäre es theoretisch möglich, das Rauchen zu erlauben, wenn alle Mitarbeiter damit einverstanden sind. In der Praxis sind aber auch diese Räume fast überall rauchfrei, was erfahrungsgemäß auch die meisten Raucher schätzen.

Was ist mit den modernen Verdampfern?

Hier würde ich im Grundsatz dieselben Regeln wie beim Rauchen von Zigaretten ansetzen.

Habe ich Anspruch auf Zigarettenpausen?

Nein. Der Arbeitgeber kann verlangen, dass der Mitarbeiter nur während der üblichen Pausenzeiten raucht. Wenn der Arbeitgeber es verbietet, darf der Beschäftigte während der Arbeitszeit keine zusätzlichen Zigarettenpausen machen.

Wenn der Arbeitgeber Zigarettenpausen erlaubt hat, ist das dann Arbeitszeit?

Nein, denn der Beschäftigte arbeitet während dieser Zeit ja auch tatsächlich nicht. Folglich hat er auch keinen Anspruch auf sein Gehalt. Wenn diese Zeiten trotzdem bezahlt werden, ist das reine Kulanz des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber kann anordnen, dass jeder Mitarbeiter seine Raucherpausen zeitlich erfasst, also in dieser Zeit „ausstempelt“. Diese Zeiten können dann – je nach individueller Situation – entweder vom Gehalt abgezogen werden oder müssen nachgearbeitet werden.

Angenommen in einem Betrieb mussten Zigarettenpausen bisher nicht erfasst werden, jetzt soll das aber eingeführt werden. Geht das?

Auch wenn der Arbeitgeber Raucherpausen bislang aus Kulanz nicht von der Arbeitszeit abgezogen hat, gibt es hier kein Gewohnheitsrecht. Der Arbeitgeber darf die Regelungen zum Thema Rauchen also jederzeit ändern, und die Mitarbeiter müssen sich dann daran halten.

Was, wenn man trotz entsprechender Anordnungen Raucherpausen nicht ausstempelt?

Wenn die Raucherpausen erfasst werden müssen, sollte sich der Mitarbeiter unbedingt daran halten. Natürlich kann es jedem mal passieren, dass er vergisst, für die Zigarettenpause auszustempeln. Geschieht dies allerdings häufiger oder regelmäßig, kann dies ein Grund für Abmahnungen oder sogar eine Kündigung sein. So etwas kann nämlich als Arbeitszeitbetrug gewertet werden, und der ist strafbar.

Hier sollte sich jeder Raucher klarmachen, worum es dabei geht: Wenn jemand während der Arbeitszeit nur vier Zigaretten pro Tag raucht, also zwei vormittags und zwei nachmittags, und jede Raucherpause etwa zehn Minuten dauert, sind das schon 40 Minuten pro Tag. Das summiert sich auf etwa 14 Arbeitsstunden pro Monat, in denen der Raucher nicht arbeitet.

Haben Raucher Anspruch auf einen speziellen Raucherraum?

Nein. Die Raucher haben keinen Anspruch auf einen eigenen Raucherraum im Gebäude. Der Arbeitgeber ist lediglich verpflichtet, Raucherbereiche zu schaffen, die in vertretbarer Zeit erreicht werden können. Diese müssen allerdings nur durch ein Dach gegen Regen oder Schnee geschützt sein und nicht einmal Seitenwände haben. Ein einfacher Unterstand draußen vor der Tür genügt also.

Darf der Arbeitgeber feste Raucherzeiten bestimmen, beispielsweise Zigarettenpausen nur von 10:00 Uhr bis 10:15 Uhr?

Grundsätzlich ist das möglich. Ob dies aber sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt, denn jeder Raucher verspürt ja erfahrungsgemäß zu einem anderen Zeitpunkt Lust auf eine Zigarette.

Bin ich während einer Zigarettenpause versichert?

Zu diesem Thema gibt es keine Rechtsprechung. Grundsätzlich ist der Mitarbeiter während der Arbeitszeit gesetzlich unfallversichert, wenn er sich auf dem Betriebsgelände aufhält, auch während der Pausen. Verlässt er für die Zigarettenpause das Betriebsgelände, raucht er beispielsweise auf der Straße, ist er dagegen nicht versichert.

Was, wenn ich mich durch qualmende Kollegen belästigt fühle, die sich nicht an die Rauchverbote halten?

Der Arbeitgeber ist dafür verantwortlich, dass Rauchverbote auch praktisch durchgesetzt werden und Mitarbeiter nicht durch Zigarettenqualm belästigt werden. Der Beschäftigte sollte sich also bei seinen Vorgesetzten beschweren. Fruchtet das trotz mehrmaliger Beschwerden nichts, sollte er sich an die Geschäftsleitung wenden, denn diese ist verpflichtet, seine Gesundheit zu schützen. Auch der Betriebsrat kann eingeschaltet werden. Rauchverbote am Arbeitsplatz sind aber erfahrungsgemäß inzwischen für die allermeisten Arbeitnehmer eine Selbstverständlichkeit, an die sich praktisch jeder hält.

Arbeitszeit: Wer betrügt, fliegt

Täglich bis zu sieben Raucherpausen machen, ohne dabei wie vorgeschrieben auszustempeln? Daraus ergibt sich das Erschleichen von mehreren Stunden „bezahlter Freizeit“ pro Woche. Und so etwas ist Grund genug für eine Kündigung. In einem (noch nicht rechtskräftigen) Urteil, in dem es um den Rauswurf einer nikotinsüchtigen Jobcenter-Mitarbeiterin geht, betont das Landesarbeitsgericht Thüringen: „Arbeitszeitbetrug stellt eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung dar. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch an“ (3.5.22, 1 Sa 18/21).

Silke Becker
Autorin

Silke Becker studierte Soziologie, BWL, Pädagogik und Philosophie. Seit ihrem Abschluss arbeitet sie als Redakteurin und freie Journalistin. Außerdem hat sie mehrere Bücher veröffentlicht. Am liebsten beschäftigt sie sich mit den Themen Geld, Recht, Immobilien, Rente und Pflege.

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