Da werden Sprüche geklopft, die auch mal unter die Gürtellinie gehen. Gerade in manchen Branchen ist der Ton unter Kollegen rauer. Ist das gleich ein Problem? Wo beginnt Mobbing, sexuelle Belästigung oder gar rassistische Beleidigung? Wann muss der Chef einschreiten? Wir haben Nathalie Oberthür, Fachanwältin für Arbeits- und Sozialrecht von der Kanzlei RPO Rechtsanwälte aus Köln gefragt, was noch okay und was schon rechtlich problematisch ist.

Sind Beleidigungen wie „Alter“ oder „Dicker“ noch in Ordnung oder kann das zu Problemen führen?

Echte Beleidigungen und Schmähkritik sind immer ein Vertragspflichtenverstoß. Bei rauen Umgangsformen wie „Alter“ kommt es auf den im Betrieb üblichen Umgang an. Wenn dieser allgemein etwas gröber ist, dürfte es keine Probleme geben; wenn die Ansprache aber zu einer Störung des betrieblichen Friedens führt, könnte das sogar zu einer Abmahnung führen.

Rechtfertigt die bisherige Praxis von derben Sprüchen eine Weiterführung, entsteht also eine sogenannte betriebliche Übung? Was sagt das Arbeitsrecht dazu?

Eine betriebliche Übung entsteht dadurch nicht. Allerdings ist es Sache des Arbeitgebers, für eine klare Weisungslage zu sorgen. Wenn er solchen Umgangston länger geduldet hat, muss er für die Zukunft klar darauf hinweisen, dass eine Duldung nun nicht mehr erfolgen wird. Erst danach könnte eine Abmahnung in Betracht kommen, wenn sich jemand nicht daran hält.

Macht man vor Gericht Unterschiede nach Branchen, wenn es um den Umgang oder derbe Sprüche geht?

Ein wenig schon, weil es darauf ankommt, wie der übliche Umgangston im Betrieb ist, und der ist in den verschiedenen Branchen durchaus sehr unterschiedlich. Auch auf dem Bau sind allerdings echte Beleidigungen und Schmähkritik nicht erlaubt!

Was ist mit körperlicher „Derbheit“ – etwa wenn ein Mitarbeiter einen Kollegen zur Begrüßung hart auf die Schulter oder den Brustkorb klopft?

Beim persönlichen Verhalten ist wieder die Frage, ob die betriebliche Ordnung oder der Frieden gestört werden. Körperliche Derbheit kann schnell zum Problem werden, wenn diese zu Verletzungen führt oder als Belästigung oder gar Bedrohung empfunden werden kann.

Manchmal werden Kollegen auch Opfer von Streichen. Wie sehen da die Grenzen aus?

Das kann unproblematisch sein, aber auch zu einer Störung des Betriebsfriedens führen. Da muss der Chef also im Einzelfall einschreiten, wenn sich ein Kollege belästigt fühlt. Und: Es darf nicht immer nur auf Kosten eines Kollegen gehen – dann wird schnell die Grenze zum Mobbing überschritten.

Was ist mit fragwürdigen, aber vielleicht nicht so eindeutigen sexistischen oder rassistischen Sprüchen am Arbeitsplatz?

Schon so etwas wie „Liebchen“, „Schätzchen“ oder Ähnliches oder auch ein Kommentar wie „Die Türken schon wieder“ sind nahezu immer eine Belästigung und verstoßen gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Pauschal kann man das aber nur schwer sagen, es kommt immer auf die Umstände und den Einzelfall an.

Wo können Betroffene von Mobbing oder ähnlichen Belästigungen und Beleidigungen Hilfe finden?

Beim Betriebsrat oder dem Vorgesetzten. In größeren Unternehmen gibt es dafür häufig auch eine eigene Beschwerdestelle.

Ab wann muss der Chef einschreiten und was ist, wenn er trotz der Beschwerden nichts tut?

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Belästigungen zu verhindern und zu unterbinden. Er muss alles tun, was erforderlich ist, um den Mitarbeiter zu schützen. Verletzt er diese Fürsorgepflicht, kann der Arbeitnehmer Ansprüche auf Schadenersatz oder Schmerzensgeld haben.

Mit was müssen Arbeitnehmer rechnen, wenn sie weiter rüpeln, obwohl der Chef klar gemacht hat, dass so ein Verhalten nicht geduldet wird?

Nach einschlägigen Abmahnungen kann eine Kündigung in Betracht kommen.

Arbeitsrecht: Sexuelle Belästigung kann den Job kosten

Betriebe müssen ihre Beschäftigten vor sexuellen Belästigungen durch Kollegen schützen. Was bedeutet, dass schon eine einmalige schwere Verfehlung die fristlose Kündigung zur Folge haben kann.

Das zeigt der Fall eines seinerzeit 59-jährigen Maschinenführers, der gegenüber einer deutlich jüngeren Produktionsmitarbeiterin körperlich übergriffig wurde. Drei Monate später meldete sich die Frau bei der Personalleiterin des Holz verarbeitenden Unternehmens und zeigte danach den Kollegen bei der Polizei an. Der Strafbefehl über 60 Tagessätze war bald rechtskräftig. Der arbeitsrechtliche Prozess ging bis zur zweiten Instanz. Es blieb beim fristlosen Rauswurf, dem der Betriebsrat zugestimmt hatte. Auch seine lange Betriebszugehörigkeit half dem Maschinenführer nicht: Der Firma war es laut Urteil „nicht zuzumuten“, den Mann während der sechsmonatigen Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen – und damit neue Übergriffe zu riskieren (Landesarbeitsgericht Köln, 19. 6. 20, 4 Sa 644/19).

Marie Schäfers
Autorin

Marie Schäfers hat ihren Studienabschluss in Geschichte und Journalistik an der Universität Gießen gemacht. Sie volontierte bei der „Westfälischen Rundschau“ in Dortmund und ist Leitende Redakteurin der Zeitung Sonntag-EXPRESS in Köln. Für aktiv beschäftigt sie sich als freie Autorin mit den Themen Verbraucher, Geld und Job.

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