Gründe für eine Kündigung gibt es viele. Oft versüßt der Arbeitgeber den Gekündigten die Trennung mit einer beträchtlichen Summe. Den Weg zur Abfindung erklärt Rechtsanwalt Dirk Seeliger, Leiter der Rechtsabteilung des Arbeitgeberverbandes Niedersachsenmetall.
Gibt es einen Anspruch auf Abfindung, was sagt das Arbeitsrecht dazu?
Generell gilt: Einen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung gibt es nicht. Dennoch werden laut Dirk Seeliger in etwa 90 Prozent aller Fälle Abfindungen gezahlt, wenn Beschäftigte das Unternehmen verlassen müssen.
Kommt es in größeren Firmen wegen Umstrukturierungen zu Massenentlassungen, vereinbart der Betriebsrat üblicherweise einen Sozialplan. Dieser ist mit Abfindungsansprüchen verbunden. Ohne Sozialplan fechten die Betroffenen ihre Kündigungen oft an, um eine Abfindung zu erhalten. „Kündigungen kann ich immer angreifen“, sagt Dirk Seeliger.
Schwieriger wird dies in Kleinunternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern. Denn hier greift das Kündigungsschutzgesetz nicht: „Abfindungen werden in der Regel nur von Unternehmen ab elf Mitarbeiten gezahlt“, so der Experte.
Warum zahlen Arbeitgeber überhaupt Abfindungen?
Unternehmen zahlen vor allem deshalb, um kein langwieriges Klageverfahren zu riskieren. Nicht nur das Verfahren kostet sie Geld. Verliert das Unternehmen den Prozess, muss es die Gekündigten weiterbeschäftigen und zudem rückwirkend den Lohn zurückzahlen. Die Betroffenen sind finanziell so zu behandeln, als seien ihnen nicht gekündigt worden, sagt Jurist Seeliger.
Eine Abfindung zu zahlen ist dann häufig das kleinere Übel. Vor Gericht sind die Hürden für Arbeitgeber zudem enorm hoch. Sie müssen Kündigungen rechtfertigen – egal, ob diese betriebs-, personen- oder verhaltensbedingt sind. „Die Kündigung soll immer das letzte Mittel sein“, erläutert Dirk Seeliger.
Wie schnell muss man nach einer Kündigung reagieren?
Um eine Abfindung zu erzielen, sollte man nach Erhalt der Kündigung schnellstmöglich mit dem Arbeitgeber in Verhandlung treten. Gibt es keine Einigung, und die Gekündigten entscheiden sich für juristische Schritte, müssen sie innerhalb von drei Wochen (21 Tage) nach Erhalt der Kündigung handeln. Ansonsten ist diese automatisch wirksam und die Chance auf Abfindung verbaut.
Gekündigte brauchen somit dringend in den ersten drei Wochen nach Kündigung eine Rechtsberatung – entweder vom Betriebsrat, der Gewerkschaft oder einem Anwalt. Formale Fehler im Kündigungsschreiben müssen sogar innerhalb von drei Tagen beanstandet werden.
Wirksam sei eine Kündigung zum Beispiel nur mit der Unterschrift des Arbeitgebers – in aller Regel des Geschäftsführers, sagt Dirk Seeliger: „Eine Unterschrift nur vom Fachvorgesetzten ist nicht ausreichend.“ In diesem Fall bekommen die Gekündigten meist ein neues – korrektes – Kündigungsschreiben.
Dann wird die Kündigung erst später wirksam, was auch eine längere Bezahlung nach sich ziehen kann. Eine Begründung für die Entlassung muss übrigens nicht im Kündigungsschreiben aufgeführt werden. Ausnahme: Es handelt sich um Auszubildende.
Wie hoch kann die Abfindung ausfallen, das heißt, wie viel Geld gibt es?
Der Regelfall ist ein halbes Brutto-Monatsgehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit. Üblicherweise teilt man das Jahresgehalt durch zwölf, um das Monatsgehalt zu ermitteln. Auf diese Weise gehen auch Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld oder Bonuszahlungen in die Berechnung ein.
Ausschlaggebend ist immer der Verdienst des letzten Jahres. Wer zum Schluss nur Teilzeit gearbeitet hat, bekommt entsprechend weniger Abfindung.
Gibt es bei der Abfindung Unterschiede zwischen normalen Arbeitnehmern und Führungskräften?
Führungskräfte können oft mehr Geld aushandeln als „normale“ Arbeitnehmer. „Sie sind oft durch ihr Insiderwissen im Vorteil“, sagt Dirk Seeliger. Ein leitender Angestellter einer Personalabteilung zum Beispiel kann besser beurteilen, ob das Unternehmen bei den sozialen Gesichtspunkten einer Kündigung korrekt gehandelt hat: „Der Arbeitgeber hat dann noch geringere Chancen, eine Klage zu gewinnen, und lässt sich unter Umständen auf höhere Zahlungen ein.“
Anstelle eines halben Monatsgehalts pro Beschäftigungsjahr geht gegebenenfalls mehr: drei Viertel oder ein volles Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. Um ernsthaft zu verhandeln, ist ein Anwalt zwar kein Muss, jedoch sinnvoll. „Oft erzielt er bereits vor einer Klage eine Einigung und kann gut einschätzen, ob ein gutes Angebot unterbreitet wird oder nicht“, berichtet Dirk Seeliger.
Eine Kanzlei zu beauftragen, kann kostspielig werden
Anwaltskosten von 1.000 Euro bei außergerichtlichen Verhandlungen sind laut Dirk Seeliger durchaus realistisch. Wer sich durch die erste Instanz klage, müsse etwa mit dem doppelten Preis rechnen – es sei denn, man hat eine Rechtsschutzversicherung.
Wer einen Prozess gewinnt, muss trotzdem seine eigenen Anwaltskosten zahlen, gibt der Experte zu bedenken. Im Arbeitsrecht gilt nämlich die sonst übliche Regelung nicht, wonach der Gewinner eines Rechtsstreits sämtliche Kosten vom Verlierer ersetzt bekommt.
Muss eine Abfindung immer aus einer Geldzahlung bestehen?
Nein. Statt einer Abfindung lässt sich eine verlängerte Kündigungsfrist vereinbaren: „Viele Arbeitnehmer wollen mehr Zeit zum Jobsuchen“, erläutert Seeliger. Eine Option ist etwa, länger zu bleiben, aber mithilfe einer „Turboklausel“ nach erfolgreicher Stellensuche sofort gehen zu können.
Auch eine Kombination aus Abfindung und längerer Arbeitszeit ist möglich. Gut zu wissen: Auf eine Abfindung sind Steuern abzuführen, aber keine Sozialversicherungsbeiträge. Bei einer Lohnzahlung hingegen wird beides fällig.
Wird die Abfindung mit dem Arbeitslosengeld verrechnet?
Das passiert nur, wenn die Kündigungsfrist nicht eingehalten wird. Scheiden die Betroffenen frühzeitig aus und bekommen eine Abfindung, ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zum Ende der Frist. Mindestens die gesetzlich vorgeschriebene Kündigungsfrist müsse also eingehalten werden, so Dirk Seeliger. Ist im Arbeitsvertrag eine längere Frist als die gesetzliche vereinbart, gilt diese Regelung.

Nach seinem Germanistik-Studium in Siegen und Köln arbeitete Tobias Christ als Redakteur und Pauschalist bei Tageszeitungen wie der „Siegener Zeitung“ oder dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Derzeit schreibt er als freier Journalist Beiträge für Print- oder Onlinemedien. Für aktiv recherchiert er vor allem Ratgeberartikel, etwa rund um die Themen Mobilität und Arbeitsrecht. Privat wandert der Kölner gern oder treibt sich auf Oldtimermessen herum.
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