Burghaslach. München, Ingolstadt, Wolfsburg oder Stuttgart sind als Standorte namhafter Autohersteller allgemein bekannt. Burghaslach bei Würzburg eher weniger. Dabei rollt hier ein Fahrzeug vom Band, das tatsächlich jedes Kind kennt: das Bobby-Car. 60 Zentimeter lang, 40 Zentimeter hoch und 3,6 Kilo schwer – so präsentierte sich das rote Kunststoff-Autochen vor 50 Jahren erstmals auf der Spielwarenmesse in Nürnberg der Öffentlichkeit.

Erfinder war der Ingenieur Ernst Bettag, der das Gefährt in seinem Spielwarenunternehmen BIG produzierte, aber zunächst auf wenig Gegenliebe stieß. „Es war kein Erfolg“, sagt Isabel Weishar, Sprecherin der Simba Dickie Group. Diese kaufte Bettags Firma 2004 auf, bald nach dem Tod des Gründers. Vor allem den Eltern habe die Oldtimer-Optik eher nicht gefallen, Bettag selbst nannte seine Kreation „hässliches Entlein“. Doch die Kinder fuhren bald umso mehr darauf ab: Konnten sie auf dem hohlen Kunststoffkörper doch nicht nur bequem sitzen, sondern auch gut flitzen.

Mehr als 20 Millionen Exemplare produziert: Das Bobby-Car ist fast so erfolgreich wie der VW Käfer

Das Spielzeug mit den freundlichen Scheinwerferaugen wurde zu einem Bestseller. Und ist es geblieben. Etwa 2.000 Stück pro Tag werden im Burghaslacher Werk montiert, in dem rund 190 Menschen arbeiten. Nach Firmenangabe entstanden seit 1972 über 20 Millionen Rutschfahrzeuge – damit ist das Bobby-Car fast so erfolgreich wie der VW Käfer!

Deutschland ist laut Weishar das wichtigste Absatzgebiet. Aber auch in Schweden, England und vielen anderen Ländern steht die knallrote Karre hoch im Kurs. Am Ursprungsmodell wurden nur noch Details verändert. Allerdings gibt es mittlerweile eine große Palette an Varianten und Sondereditionen: darunter sind zum Beispiel Polizeiautos oder Porsche-Modellen nachempfundene Rutschautos. In einem privaten Museum in Braunfels (Lahn-Dill-Kreis) hat Holger Späth rund 300 Varianten versammelt.

Erwachsene kommen mit getunten Bobby-Car-Modellen auf Tempo 100

Längst setzen sich nicht nur Kinder ans Steuer. Bernd Thoma zum Beispiel ist Vorsitzender des Bobby-Car-Club-Michelbach im Westerwald und im Vorstand des Bobby-Car-Sport-Verbands. Seit 2009 nimmt der 58-Jährige an Rennen teil – und schaffte es nach eigenen Worten sogar mal auf Platz vier der Weltrangliste. Das Ziel ist es immer, eine abschüssige Strecke schnellstmöglich hinunterzusausen. Ohne intensives Tuning geht da in den oberen Altersklassen kein Fahrzeug an den Start. „Mit so einem Gefährt knapp über dem Boden mit über 100 Stundenkilometern eine anspruchsvolle und kurvenreiche Strecke herunterzurasen, das ist schon eine Herausforderung“, sagt Thoma.

Ein klassisches Bobby-Car besteht übrigens aus 30 Teilen. Der nach wie vor meistens rote Körper wird aus 1,5 Kilo Kunststoff-Granulat in einem besonderen Blasformverfahren hergestellt. Das macht das Gefährt besonders robust, wie Firmensprecherin Weishar betont: „Viele Bobby-Cars sind 15 Jahre und älter, werden von Generation zu Generation weitervererbt.“ Und falls doch mal ein Teil kaputtgeht, gibt es ja den Ersatzteilservice des Herstellers: service.simba-dickie.com/ersatzteile

Wobei es auch viel moderner geht: Eine aktuelle Variante des Rutschautos bietet Doppelscheinwerfer. Und eine elektronische Hupe – nach Firmenangabe „serienmäßig“.

Tobias Christ
Autor

Nach seinem Germanistik-Studium in Siegen und Köln arbeitete Tobias Christ als Redakteur und Pauschalist bei Tageszeitungen wie der „Siegener Zeitung“ oder dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Derzeit schreibt er als freier Journalist Beiträge für Print- oder Onlinemedien. Für aktiv recherchiert er vor allem Ratgeberartikel, etwa rund um die Themen Mobilität und Arbeitsrecht. Privat wandert der Kölner gern oder treibt sich auf Oldtimermessen herum.

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