„Blätterfall, Blätterfall, gelbe Blätter überall“: Mancher Hausbesitzer stöhnt genervt, hört er den Text des Kinderlieds. Denn weht das Laub gleich haufenweise aus Nachbars Bäumen im Garten herüber, sorgt die bunte Pracht jenseits des Zauns für wenig Freude – vor allem nicht bei demjenigen, der sie aufklauben muss. Besonders ärgerlich: Wenn Blätter und Nadeln die Dachrinne verstopfen. Was kann man da tun?

In den meisten Fällen herzlich wenig. Außer zum Besen greifen, um Rasen und Rinne zu säubern. Doch es gibt Grenzen: Als Nachbar hat man Anspruch auf Entschädigung, wenn die Nutzung des eigenen Grundstücks und man selbst durch die fremden Blätter sowie die dadurch anfallenden Reinigungsarbeiten derart beeinträchtigt wird, dass es das „zumutbare Maß“ übersteigt. „Erst dann kann man gegen den Nachbarn vorgehen“, sagt die Berliner Rechtsanwältin Beate Heilmann, Mitglied im Ausschuss Mietrecht und Immobilien im Deutschen Anwaltverein (DAV).

Wenn Zapfen die Dachrinne verstopfen

Dann kann man vom Baumbesitzer eine sogenannte Laubrente verlangen. Das ist nach Paragraf 906 des Bürgerlichen Gesetzesbuches ein regelmäßig zu zahlender Betrag als Entschädigung für die Mühen und Kosten, die durch die Beseitigung der Blätter – sei es durch eine Fremdfirma oder den eigenen Besen – entstehen.

Doch was ist „zumutbar“, was nicht? Der Bundesgerichtshof etwa hat in der Vergangenheit einen solchen monatlich zu zahlenden Schadenersatz unter anderem für eine mehrfach durch Zapfen und Kiefernnadeln verstopfte Dachrinne zugesprochen (BGH, 14.11.2003, V ZR 102/03).

Ausgleich für Nadeln auf dem Rasen

Ein anderer Fall von Kiefernnadeln in Schleswig-Holstein ging ähnlich aus. Der Eigentümer eines Hauses litt unter den Nadeln, die vom Nachbargrundstück herüberwehten. Üblich in der Wohngegend sind gepflegte Ziergärten. Nicht nur Rasenflächen und die ums Haus verlegte Steinplatten mussten von den Nadeln gesäubert werden, sondern auch die mit Blumen bewachsenen Rabatten. Das Landgericht Lübeck sprach dem Kläger eine monatliche Laubrente (umgerechnet rund 20 Euro) für das Zusammenkehren der Nadeln und Entsorgen der Säcke zu (Landgericht Lübeck, 2.9.1986, 14 S 122/85).

Mit Eichenblättern muss man rechnen

Zwei Eichen auf dem Nachbargrundstück reichen für den Anspruch auf Entschädigung dagegen nicht. Die Arbeitsgemeinschaft Mietrecht und Immobilien des Deutschen Anwaltvereins (DAV) weist hier auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe hin (OLG Karlsruhe, 10.9.2009, 6 U 184/07). Geklagt hatte die Bewohnerin eines Reihenhauses mit Garten, hinter dem ein bewaldeter Streifen der Gemeinde liegt. Darauf stehen zwei hohe, alte Eichen, deren Kronen in das Grundstück der Klägerin hineinragen. 3.944 Euro wollte die Frau jährlich als Mehraufwand von der Gemeinde. Das Landgericht gab ihr zunächst Recht, doch die nächste Instanz wies die Klage ab. Ein Sachverständiger stellte fest, dass die Eichen lediglich ein Achtel des gesamten Aufwands der Gartenpflege ausmachten. Das ist zumutbar, so das Gericht. Die Richter verwiesen zudem darauf, dass die Bäume schon recht groß waren, als die Klägerin das Haus erwarb. Sie hätte also wissen müssen, was auf sie zukommt.

Gericht weist Klage auf Laubrente ab

Deutsche Gerichte haben ein Herz für Bäume. Wer von den Annehmlichkeiten des Wohnens im Grünen – Schutz vor neugierigen Blicken, Lärm und Wind sowie von sauberer Luft – profitiert, muss auch die Kehrseite des Baumbewuchses erdulden. Mit ortsüblichem Laubfall von benachbarten Bäumen müssen sich Grundstücksbesitzer demnach abfinden. Auch wenn zum Beispiel eine hohe Linde Rasen und Gemüsegarten des Nachbars im Herbst mit einer mehr als zehn Zentimeter dicken Blätterschicht bedeckt. Das Münchner Amtsgericht wies die Klage einer Frau auf Laubrente von 500 Euro ab. Die Benutzung des Grundstücks sei durch den Laubfall nicht gestört, heißt es in dem Urteil. Die Entfernung der Blätter ist zumutbar, legt man das Empfinden eines verständigen Durchschnittsbenutzers zugrunde.

Das Gericht betonte: „Im Zuge eines gewachsenen Umweltbewusstseins in weiten Teilen der Bevölkerung ist das Anpflanzen und Halten von Bäumen in Wohngebieten erstrebenswert und eine Grundstücksverschmutzung durch Pflanzenteile daher zumutbar“ (Amtsgericht München, 26.2.2013, 114 C 31118/12).

Auch Senioren müssen für saubere Wege sorgen

Hohes Alter ist übrigens kein Grund, die Blätter nicht mehr einzusammeln. Eine 95-jährige Hausbewohnerin klagte vergebens vor dem Verwaltungsgericht Berlin. Die Gemeinde hatte die Anwohner dazu verpflichtet, die Straße bis zur Mitte von gefallenem Laub zu reinigen. Die betagte Dame sah sich dazu nicht mehr in der Lage. Das sahen die Richter wohl ein. Körperliche Gebrechlichkeit entbindet jedoch nicht von der Pflicht. Sie müsse die Reinigung ja nicht selbst erledigen, sondern könne „Dritte damit beauftragen“ (Verwaltungsgericht Berlin, 20.11.2014, 1 L 299/14).

Übrigens, wer in Urlaub fährt, muss sicherstellen, dass ein zuverlässiger Vertreter sich um das anfallende Laub kümmert. Darauf weist die Rechtschutzversicherung ARAG hin.

Neues Gesetz: Kein Abwälzen auf Verwalter

Wohneigentümergemeinschaften sind seit der Reform des Wohnungseigentumsgesetz dafür verantwortlich, dass das Laub vor der gemeinsamen Immobilie weggekehrt wird, ansonsten haftet die Gemeinschaft selbst. Bisher konnte sie diese „Verkehrssicherungspflicht“ auf einen Verwalter übertragen. Dieser ist aber nach der neuen Gesetzeslage nur noch ein Vertreter, dessen Verschulden sich die Eigentümergemeinschaft zurechnen lassen muss, auch darauf weist die Versicherung hin.

Dellen im Blech durch Nüsse

Nicht nur Blätter, auch die –manchmal essbaren – Früchte von Bäumen sorgen mitunter für Streit. Ein Autofahrer, der seinen Wagen unter einem Walnussbaum parkt, der einen guten Meter auf sein Grundstück herüberreicht, muss damit rechnen, dass der Baum im Herbst reife Nüsse abwirft und der Pkw Dellen bekommt (Amtsgericht Frankfurt am Main, 10.11.2017, 32 C 365/17-72). Dies sei als „naturgegeben“ hinzunehmen.

Laub auf öffentlichen Straßen

Und was ist mit den Bäumen am Straßenrand? Laut einem Urteil in Lüneburg müssen Anwohner das Laub auf öffentlichem Grund beseitigen. Zum Beispiel von Eichen, die auf einem angrenzenden öffentlichen Straßenabschnitt stehen. Das herabgefallene Laub ist mit einfachen Hilfsmitteln wie Schaufel und Karren zu beseitigen und per Mülltonne, Kompost oder in Grünabfallsäcken zu entsorgen (Verwaltungsgericht Lüneburg, 22.4.2002, 5 A 127/01). In dem Fall ging es um einen einseitigen Bürgersteig. Der Anwohner sah sich zusätzlich benachteiligt, weil er im Gegensatz zum Nachbarn auf der anderen Straßenseite das Laub vom Boden klauben musste. Der einseitig verlaufende Bürgersteig bietet aber auch besondere Vorteile, die eine entsprechende Reinigungspflicht rechtfertigen, so das Gericht. 

Allergisch gegen Linden

Weiter haben Anlieger keinen Anspruch, Straßenbepflanzung entfernen oder stutzen zu lassen, die zu dicht an das Grundstück herangewachsen sind, entschied das Verwaltungsgericht Hannover. In dem Fall ging es um sechs hohe Linden am Straßenrand. Die Kläger leiden unter einer Allergie und führten zudem unzumutbare Reinigungsmaßnahmen durch herabfallendes Laub, Blütenstaub und Honigtau der Linden an. Schäden und unzumutbare Beeinträchtigungen am Grundstück seien durch die Bäume nicht gegeben und auch nicht zu erwarten, so die Richter. Den Laubfall müssen die Kläger dulden. Auf die gesundheitliche Veranlagung komme es nicht an. Weil in der Nähe nahezu jeden Baumes ein Allergiker wohnt, müsste man sonst eine Vielzahl von Bäumen in bebauten Gebieten entfernen. Der Abstand der Bäume (drei davon standen knapp zehn Meter weg) tut nichts zur Sache. Die Abstandsvorschriften des Nachbargesetzes gelten nicht für Anpflanzungen auf öffentlichen Straßen (Verwaltungsgericht Hannover, 10.7.2012, 7 A 5059/11).

Genügend Abstand zwischen Baum und Gartenzaun

Anders sieht es da im Privaten aus: Hält der Nachbar den Grenzabstand beim Pflanzen der Bäume nicht ein und stehen sie außerhalb der örtlich vorgeschriebenen Grenzabstände, gelten sie als „Störer“ (die Abstände sind von Bundesland zu Bundesland und von Gemeinde zu Gemeinde verschieden). Der Nachbar kann vor Gericht ein Entfernen, Zurückschneiden oder wenn das nicht möglich ist, eine Entschädigung verlangen. Er muss allerdings Schutzfristen beachten, sonst droht ein Bußgeld: Nach dem Nachbarrechtsgesetz genießt ein Baum je nach Bundesland einige Jahre nach der Anpflanzung Bestandsschutz. 

Im Fall dreier 18 Meter hoher Birken im baden-württembergischen Heimsheim hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Grundstückseigentümer von seinem Nachbarn nicht das Fällen der Bäume verlangen kann, obwohl von diesen Pollen, Samen, Früchte und Birkenreiser in seinen Garten fallen. Diese natürlichen Immissionen seien hinzunehmen, die Anpflanzung stehe in Einklang mit den Abstandsregelungen im Landesrecht (in diesem Fall mindestens zwei Meter). Auch die geforderte Laubrente von 230 Euro von Juni bis November lehnten die Bundesrichter ab (BGH, 20.9.2019, V ZR 218/18).

Übrigens: Mancher Nachbarstreit lässt sich im Gespräch statt vor Gericht regeln. Das ist in den meisten Bundesländern sogar Pflicht. Bei Streitwerten bis 750 Euro und bei typischen Auseinandersetzungen von Nachbarn, wie dem Überwuchs von Bäumen, ist eine Klage vor dem Amtsgericht erst zulässig, nachdem eine Gütestelle versucht hat, den Streit außergerichtlich beizulegen.

Kein Schmerzensgeld für Fußgänger

Nicht nur Hausbesitzer, auch Fußgänger müssen Beeinträchtigungen durch Herbstlaub hinnehmen. Eine Frau warf dem Land Berlin unzureichende Straßenreinigung vor. Sie verlangte Schmerzensgeld, weil sie auf nassem Laub ausgerutscht war. „Fußgänger müssen stets damit rechnen, dass Gehwege unter Laubbäumen beim Abfallen von Blättern und hinzukommendem Regenwasser rutschig sind“, urteilte das Kammergericht Berlin. Dies stelle keine besondere Gefahrenstelle dar (Kammergericht Berlin, 11.10.2005, 9 U 134/04).

Ein ähnliches Urteil erging in einer Kommune in Franken. Eine Passantin war auf feuchtem Laub ausgeglitten, brach sich die Schulter und wollte 2.500 Euro Schmerzensgeld. Die Stadtverwaltung hatte den Gehweg einige Tage vorher kehren lassen. Das reicht aus, befand das Gericht. Fußgänger müssen im Herbst mit Rutschgefahr rechnen (Landgericht Coburg, 22.2.2008, 14 O 742/07). Grundstückseigentümern ist es weder tatsächlich möglich noch rechtlich geboten, die Wege ständig laubfrei zu halten.

Man muss nicht ständig kehren

Ein Trost in Sachen Laub: Auch als Hausbesitzer muss man nicht ständig kehren. Es reicht, wenn man alle paar Tage den Besen schwingt. Denn Herbstlaub ist kein „unerwartet auftretendes Phänomen“ und die Gehsteige müssen nicht schon am frühen Morgen von Blättern gereinigt sein. Das entschied das Landgericht Frankfurt am Main (26.5.1994, 2/23 O 368/93).

Laubbläser darf nicht zu viel Wind machen

Wer den Rechen schwingt oder der bunten Pracht mit maschineller Hilfe zu Leibe rückt, sollte vorsichtig sein: Im bayerischen Fürth befuhr eine Frau mit ihrem Auto eine schmale Straße. An einer Bushaltestelle waren Mitarbeiter der Stadt dabei, den Gehweg mit einem Laubbläser und einer dahinter fahrenden Kehrmaschine von Blättern zu befreien. Durch eine plötzlich aufgewirbelte „Laubwolke“ erschreckte sich die Fahrerin so sehr, dass sie einen Autounfall verursachte. Die Mitarbeiter der Stadt hätten Vorkehrungen treffen müssen, um Gefahren für Dritte möglichst zu vermeiden, so das Gericht. So sei der Abstand zwischen Laubbläser und Kehrmaschine zu groß gewesen, auch seien keine Warntafeln aufgestellt worden. Dennoch wies der Richter die Schadensersatzklage ab. Der Kläger habe nicht ausreichend nachweisen können, dass allein das vom Gerät aufgewirbelte Laub zu dem Unfall geführt habe (Landgericht Nürnberg-Fürth, 10.5.2016, 4 O 6465/15).

Und wohin mit dem Laub?

Ist das Laub mühsam zusammengesammelt, ob mit dem Besen oder Bläser, darf man es nicht einfach in den Rinnstein oder in den Gully kehren, so die Fachleute der ARAG-Versicherung. Auch das Entsorgen im Hausmüll oder Auskippen auf Nachbars Grundstück ist natürlich tabu. In vielen Gemeinden darf das Laub während bestimmter Perioden aber kostenfrei bei einer Deponie entsorgt werden.

Viele Gartenbesitzer fahren im Herbst die Körbe voller Laub im Auto zur Deponie. Wer dies aus Umweltschutzgründen vermeiden will oder wer kein Auto hat, kann die bunten Blätter im eigenen Garten behalten und sie dort sinnvoll verwenden. Im Winter sind sie ein guter Schutz gegen Frost und helfen empfindlichen Pflanzen. Entweder direkt in Blätterform oder indem man Kompost daraus macht – zum Beispiel in selbstgebauten Körben aus Maschendrahtzaun (gibt’s im Baumarkt). Die Blätter am besten mit Rasenschnitt mischen, er kann die Zersetzung beschleunigen. Noch ein Tipp: Ab damit ins Igelhaus, er freut sich über eine wärmende Unterlage aus Blättern.

 

Friederike Storz
aktiv-Redakteurin

Friederike Storz berichtet für aktiv aus München über Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Die ausgebildete Redakteurin hat nach dem Volontariat Wirtschaftsgeografie studiert und kam vom „Berliner Tagesspiegel“ und „Handelsblatt“ zu aktiv. Sie begeistert sich für Natur und Technik, Nachhaltigkeit sowie gesellschaftspolitische Themen. Privat liebt sie Veggie-Küche und Outdoor-Abenteuer in Bergstiefeln, Kletterschuhen oder auf Tourenski.

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