München. Coronapandemie, Energiekrise, Krieg in der Ukraine: Gründe für eine zunehmende gesellschaftliche Polarisierung gab es zuletzt wahrlich genug. Der Zusammenhalt in Deutschland ist allerdings weiterhin groß, wie nun eine aktuelle Studie des Roman Herzog Instituts (RHI) in München belegt hat.

Zusammenhalt größer als in anderen EU-Staaten

„Knapp die Hälfte der Deutschen ist der Ansicht, dass unsere Gesellschaft gespalten ist“, sagt Randolf Rodenstock, Vorstandsvorsitzender des RHI. „Dabei zeigt unsere Studie, dass es um den gesellschaftlichen Zusammenhalt und Wohlstand hierzulande weit besser bestellt ist als in vielen anderen EU-Staaten.“

Die Autoren der RHI-Studie „Gespaltene Gesellschaft? Hintergründe, Mythen und Fakten“ haben gängige Mythen zu gesellschaftlicher Spaltung untersucht. Ein Ergebnis: Erst überzogene Idealvorstellungen sorgen dafür, dass die deutsche Gesellschaft als deutlich gespaltener wahrgenommen wird, als sie es eigentlich ist. Hier geht's zur Studie: romanherzoginstitut.de

Laut Studie sind in Deutschland der Zusammenhalt größer und die Tendenzen zur Spaltung geringer als in vielen anderen Ländern Europas. Dazu wurden Spaltungstendenzen anhand sozialer, kultureller, politischer und wirtschaftlicher Dimensionen im EU-weiten Vergleich untersucht.

Das Ergebnis ist ermutigend: Während zum Beispiel rund jeder vierte EU-Bürger seinen Mitmenschen misstraut, tut dies in Deutschland nur jeder Fünfte. Und im EU-Vergleich sprechen nur die Bürger in Luxemburg und den skandinavischen Ländern ihrer Regierung mehr Vertrauen aus.

Auch ökonomisch zeigt sich die Bundesrepublik laut Studie stabil: Die Einkommensverteilung ist seit 2005 nahezu unverändert, die Einkommensungleichheit liegt unterhalb des europäischen Durchschnitts. In den zuletzt wirtschaftlich schwierigen Zeiten hätte vielfach der Staat geholfen. „Die Jahre der Pandemie haben uns gelehrt, dass existenzielle Krisen eine Gesellschaft auch zusammenschweißen können“, sagt Rodenstock. „Dank der Sozialen Marktwirtschaft als Wirtschaftsordnung ist Deutschland von einer verfestigten Polarisierung weit entfernt.“

Heterogene Gesellschaft bietet viele Chancen

Gleichwohl gehöre zu einer modernen, freiheitlichen und pluralistischen Gesellschaft das gleichberechtigte Miteinander verschiedener Lebensentwürfe, Anschauungen und Vermögensverhältnisse, so Rodenstock. „Eine heterogene Gesellschaft ist nicht zwangsläufig eine gespaltene. Sie ist vielmehr Ausdruck einer lebendigen Vielfalt und birgt die Chance auf offenen Diskurs, demokratische Meinungsbildung und innovative Dynamik.“

Michael Stark
aktiv-Redakteur

Michael Stark schreibt aus der Münchner aktiv-Redaktion vor allem über Betriebe und Themen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Darüber hinaus beschäftigt sich der Volkswirt immer wieder mit wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen. Das journalistische Handwerk lernte der gebürtige Hesse als Volontär bei der Mediengruppe Münchner Merkur/tz. An Wochenenden trifft man den Wahl-Landshuter regelmäßig im Eisstadion.

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