Krefeld. In der kleinen Kugel steckt eine Menge Forscherarbeit. Der glänzende Winzling aus Palladium, den Klaus Opwis zwischen Zeigefinger und Daumen dreht, ist 400 Euro wert. Normalerweise geht dieser Rohstoff – gelöst im Abwasser Metall verarbeitender Betriebe – unwiderruflich verloren!
Gäbe es da nicht Klaus Opwis. Er leitet die Arbeitsgruppe „Umwelttechnologie und Katalyse“ am Deutschen Textilforschungszentrum Nord-West (DTNW) in Krefeld. „Wir haben ein Fängertextil entwickelt, an dem solche wertvollen Rohstoffe haften bleiben“, erklärt der Chemiker die Herkunft der silbernen Kugel.
Der Filz aus Polyester ist mit einer speziellen Substanz beschichtet. Umweltschutz im Doppelpack: Das textile Material sammelt nicht nur potenziell schädliche Stoffe, die obendrein als Rohstoffe auch noch wertvoll sind, sondern es ist zusätzlich selbst bis zu 20-mal wiederverwendbar.
Mit solchen Entwicklungen ist der Krefelder weltweit unterwegs. Forschen heißt für ihn: Raus aus dem Labor, mit seiner Arbeit sichtbar werden. „Man muss eine Story erzählen“, sagt Opwis, der Anfang des Jahres für das Adsorber-Textil den Effizienzpreis NRW gewonnen hat.
Weltweit für neue Anwendungen werben
Die Fähnchen auf der Weltkarte hinter seinem Schreibtisch zeigen Stationen seiner Arbeit: Amerika, Asien, Europa, Russland. Überall dort besucht er Messen und Kongresse und hält Vorträge. Dabei wandelt der 48-Jährige auch schon mal auf Abwegen – um für seine Ideen neue Anwendungen zu finden.
Über den prämierten Textilfilter etwa spricht er mit Leuten aus der Wasserwirtschaft. „Denn die könnten ja Interesse daran haben, Schadstoffe aus ihrem Wasser zu filtern.“ Für ein anderes Projekt, in dem wiederverwendbare Katalysatoren chemische Reaktionen kontrolliert ablaufen lassen, sucht er Kontakte in der Pharma- oder Lebensmittel-Industrie. Das sei das Faszinierende an textiler Forschung: Neuentwicklungen könnten oft in ganz anderen Bereichen erfolgreich eingesetzt werden.
„Wer in dem Job nicht etwas spinnt, hat hier nichts zu suchen“
Doch dafür muss man querdenken können: „Wer in dem Job nicht etwas spinnt, hat hier nichts zu suchen“, ist er überzeugt. Opwis selbst hat sein Fängertextil schon im braunen Flusswasser des Rheins ausprobiert. Einfach um zu sehen, was sich darin anreichert. Gleichzeitig arbeitet der trickreiche Stoff mittlerweile in einer Pilotanlage in Essen im Ruhrgebiet und filtert dort 100 Liter Prozessabwasser pro Stunde. Opwis: „Wir wollen damit herausfinden, wann wir die Filter ersetzen müssen.“
Immer eine Idee in der Pipeline haben
Genau hier liegt die Schnittstelle zwischen Opwis’ textiler Forschung und ihrer Anwendung. „Letztendlich sollen aus unseren Ideen ja anwendbare Produkte und Verfahren werden.“
Deshalb brütet er nicht nur über Forschungsberichten und Vorträgen, sondern ist ebenso oft vor Ort bei Textilausrüstern und Maschinenbauern – um dort neue Techniken für die Serienproduktion der entwickelten Textilien zu erörtern. „Die Betriebe sind heute eher bereit, von eingetretenen Pfaden abzuweichen. Da hat ein Umdenken stattgefunden. “
Grund: Die Unternehmen müssen ständig Neuheiten in der Pipeline haben. Nur so können sie die Position als Weltmarktführer bei technischen Textilien, die etwa in der Architektur oder im Automobilbau eingesetzt werden, langfristig behaupten.Dabei können sie auf Forscher wie Klaus Opwis zählen. Er ist sich sicher: „Die Ideen gehen mir noch lange nicht aus.“
Persönlich
Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?
Ich habe an der Gerhard-Mercator-Universität in Duisburg Chemie studiert. Für meine Doktorarbeit bin ich ans DTNW gekommen.
Was reizt Sie am meisten?
Die Freiheit, meine Ideen zu verwirklichen. Das funktioniert nicht immer. Aber aus den meisten Projekten wird eine ernst zu nehmende Anwendung.
Worauf kommt es an?
Offen sein für Neues und immer bereit sein, über den Tellerrand in andere Branchen zu schauen.
Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.
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