Mindelheim. Ende Januar 2020 ist das Corona-Virus für die meisten Bundesbürger noch irgendein kleines Problem im fernen Asien. Dr. Peter Pawlitzki (60) sitzt da aber schon im schwäbischen Mindelheim in einer Krisensitzung mit Personalleitung und Betriebsrat. Thema: Wie gefährdet sind unsere 70 Mitarbeiter, die gerade in China unterwegs sind? Was machen wir jetzt mit ihnen?

Viel Verantwortung in schwierigen Zeiten

Pawlitzki ist seit 17 Jahren Betriebsarzt bei den Grob-Werken, einem international stark vernetzten Hersteller von Produktions- und Automatisierungssystemen. Der Arbeitsmediziner kümmert sich um die Gesundheit von rund 5.000 Beschäftigten am Firmensitz in Mindelheim. Hinzu kommen etwa 1.500 Mitarbeiter an Standorten in den USA, China und Brasilien. Viel Verantwortung also – nicht nur, aber besonders in der aktuellen Krise.

Im Arbeitsalltag des Betriebsarztes herrscht seit Monaten Ausnahmezustand: „Ich kümmere mich fast nur noch um Corona.“ Eine Sitzung jagt die nächste, Hygienekonzepte müssen geplant, umgesetzt, kontrolliert werden, Mitarbeiter werden regelmäßig informiert. Um Zeit freizuschaufeln, wurden Sprechstunden und Routineuntersuchungen soweit möglich geschoben.

Die erste Corona-Infektion bei Grob gab es schon Mitte März: Ein Mitarbeiter hatte sich wohl im Skiurlaub in Österreich angesteckt. „Das war auch für mich ganz schön aufregend“, gesteht Pawlitzki. Drei Monate und 14 weitere Fälle später geht man nun schon gelassener und routinierter mit der Virusgefahr um. „Angesteckt hat sich bei uns am Standort bislang niemand, alle Fälle kamen von außen“, betont der Arzt. Den bisher letzten positiven Test bei einem Mitarbeiter gab es Ende April.

Der Mediziner berät – entscheiden muss die Unternehmensleitung

Dass die Situation aktuell unter Kontrolle ist, liegt auch daran, dass der Gesundheitsschutz wie in so vielen Betrieben derzeit höchste Priorität hat. Viele Mitarbeiter arbeiten im Homeoffice, Schulungs- und Besprechungsräume sind zu Büros umgewidmet, nur jeder zweite Arbeitsplatz ist besetzt. „Die Kontakte in Umkleiden, Kaffeeküchen und Pausen haben wir auf ein Minimum reduziert“, erklärt Pawlitzki.

Grob war zudem gut auf eine Pandemie vorbereitet! Seit der Schweinegrippe 2009/10 hatte man Pläne und Konzepte in der Schublade. Die Lager waren voll mit medizinischem Material. „Wir dachten noch 2019, das sei wohl doch alles rausgeschmissenes Geld gewesen“, erzählt der Mediziner.

Pawlitzki ist stark in Prozesse und Entscheidungen des Unternehmens eingebunden: „Wir Betriebsärzte sind seit jeher als Berater gefragt.“ In Zeiten von Corona sei das natürlich besonders stark der Fall. Allerdings würden in der Wirtschaft die gleichen Regeln gelten wie in der großen Politik: „Mediziner oder Virologen erklären Zusammenhänge und geben Ratschläge – entscheiden müssen andere!“

Nachgefragt

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Ich wollte immer mit Menschen und nahe am Menschen arbeiten. Außer Arzt hätte ich nur Lehrer werden wollen.

Was reizt Sie am meisten?

Ich bin nicht nur Arzt, sondern auch halber Psychologe. Zudem melden mir Kollegen oft zurück, wenn mein Rat geholfen hat: Ein gutes Gefühl!

Worauf kommt es an?

Man muss sich in andere Menschen hineinversetzen und zuhören. Um bei ihnen etwas zu bewegen, sollte man gut motivieren können.

Michael Stark
aktiv-Redakteur

Michael Stark schreibt aus der Münchner aktiv-Redaktion vor allem über Betriebe und Themen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Darüber hinaus beschäftigt sich der Volkswirt immer wieder mit wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen. Das journalistische Handwerk lernte der gebürtige Hesse als Volontär bei der Mediengruppe Münchner Merkur/tz. An Wochenenden trifft man den Wahl-Landshuter regelmäßig im Eisstadion.

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