Lindau. Und schwupps sieht das Sofa wieder wie neu aus – obwohl es aus dem 17. Jahrhundert ist. Prächtig glänzt der Stoff des frisch bespannten Möbelstücks, schließlich nahm darauf einst ein königlicher Hintern Platz. Webmaschinen von Lindauer Dornier aus Rickenbach am Bodensee ermöglichen die exakte Nachbildung des kulturellen Erbes. Nicht nur in Versailles, dem berühmten Palast bei Paris, der wie viele Schlösser in Bayern heute ein vielbesuchtes Museum ist.

Blitzschnell wird der Faden in der Mitte übergeben, wie beim Staffellauf

Für Restaurationen in adeligen Gemächern Europas kommen Fingerspitzengefühl und moderne Webtechnik zusammen. Zur Nachbildung der historischen Stoffe greift eine der ältesten Seidenmanufakturen in Lyon (Südfrankreich) auf die neueste Erfindung der Bayern zurück: die Greiferwebmaschine P2. In der modernen Anlage von Lindauer Dornier stecken Jahrzehnte an Know-how zu Entwicklung und Konstruktion. Mit Präzision wird nun nach alten Mustern gewebt, mit bis zu 16 Farben.

Eines der Geheimnisse liegt in der Übergabe des Fadens in der Mitte des Stoffs. Das funktioniert ähnlich wie die Stabübergabe bei einem Staffellauf. Es beginnt der Greifer links, er fasst das vorgelegte Garn, bewegt sich in die Mitte des Webfaches und übergibt den Faden dann nach rechts. Die Klemmen öffnen sich dazu jeweils kurz. Das alles geschieht blitzschnell, bis zu zehnmal pro Sekunde findet der Vorgang statt. Sensoren messen kontinuierlich die Kettspannung und halten sie konstant. So entstehen saubere Kanten.

Mit der Technik lassen sich übrigens nicht nur Möbelbezüge und hochwertige Stoffe für Bekleidung herstellen. Die Anlagen aus Rickenbach sind – in robusterer Ausführung – auch für gröbere Garne und technische Textilien geeignet. Etwa Reifenkord zur Verstärkung von Autoreifen, dichte Stoffe für Airbags oder Gewebe aus Aramid für feuerfeste und schusssichere Kleidung.

So entsteht selbst moderne Kunst: Die Künstlerin Otobong Nkangas hat in den Niederlanden experimentiert und auf der P2 einen Wandteppich angefertigt, der über vier Stockwerke reicht. Die Arbeit wird ab Ende Oktober im Kunsthaus Bregenz ausgestellt.

Friederike Storz
aktiv-Redakteurin

Friederike Storz berichtet für aktiv aus München über Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Die ausgebildete Redakteurin hat nach dem Volontariat Wirtschaftsgeografie studiert und kam vom „Berliner Tagesspiegel“ und „Handelsblatt“ zu aktiv. Sie begeistert sich für Natur und Technik, Nachhaltigkeit sowie gesellschaftspolitische Themen. Privat liebt sie Veggie-Küche und Outdoor-Abenteuer in Bergstiefeln, Kletterschuhen oder auf Tourenski.

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