Frankfurt/Eppstein. Autos, die ihre Insassen selbstständig an ihr Ziel bringen, vernetzte Systeme über das Fahrzeug hinaus und alternative Antriebe zum Beispiel auf Wasserstoffbasis sind längst nicht mehr nur ferne Zukunftsmusik.
Welche Rahmenbedingungen nun geschaffen werden müssen, damit die Betriebe der Automobil- und Zulieferer-Industrie die neuen Märkte in den Chancenfeldern Automatisierung, Vernetzung und Elektrifizierung bestmöglich nutzen können, zeigt die neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag des Arbeitgeberverbands Hessenmetall.
Hanno Kempermann, Geschäftsführer der Kölner Unternehmensberatung IW Consult, präsentierte die Ergebnisse vor Kurzem den rund 150 Gästen beim Spätsommerforum von Hessenmetall in Eppstein. Wie er betonte, könnten diese Chancen-Märkte bis 2040 weltweit um ein Marktvolumen von zusätzlich mehr als 560 Milliarden Euro wachsen.
Hessische Firmen besonders Industrie-4.0-affin
Gut 180 Milliarden Euro davon könnten in Deutschland ankommen, wenn das Land seine Marktanteile verteidigen kann. Hessische Unternehmen hätten dabei gute Chancen, sich entsprechende Anteile zu sichern. Aktuell sei die Automobilwirtschaft für einen erheblichen Teil des hohen Wohlstands in Hessen verantwortlich. Sie erzielte 2020 mit 241.000 Menschen rund 20 Milliarden Euro der hessischen Bruttowertschöpfung (7,6 Prozent). Gut 8.600 der Beschäftigten seien schon in den Chancenfeldern Elektrifizierung, Automatisierung und Vernetzung aktiv. „Das ist im deutschlandweiten Vergleich leicht überdurchschnittlich und signalisiert gute Startbedingungen“, so Kempermann.
Zudem seien die Firmen Industrie-4.0-affiner als im deutschen Durchschnitt. Viele Betriebe würden sich neue Marktfelder erschließen, etwa durch Kooperationen mit Hochschulen. Daneben deckte die Studie aber auch Handlungsfelder auf: Fachkräfteengpässe lindern, Bürokratie abbauen, Infrastruktur verbessern. Zudem müssten dringend Industrieflächen entwickelt, das hessische Ökosystem für digitale Geschäftsmodelle gestärkt, die Planungssicherheit beim Umbau hin zur Treibhausgasneutralität erhöht werden – und man müsse sich auf den Mittelstand konzentrieren.
„Spitzenplätze, die unseren Wohlstand sichern, sind keine Naturgesetze, sondern stetig neu zu erobern“, erklärte der Hessenmetall-Hauptgeschäftsführer Dirk Pollert. Um die Chancen optimal nutzen zu können, brauche man nun ein angemessenes politisches und gesellschaftliches Umfeld.
Über die praktische Umsetzung der Automobilstudie diskutierten auf dem Podium Vertreter der Auto- und Zulieferer-Industrie Hessens.
Unternehmen wissen ihre Chancen zu nutzen
Bei Opel und Stellantis sind Elektrifizierung, Software und Vernetzung sowie autonomes Fahren Schwerpunktthemen. Ab 2028 soll Opel komplett batterie- und brennstoffzellen-elektrisch sein. „Unsere Elektrifizierungs- und Softwarestrategien werden unseren Wandel hin zu einem führenden nachhaltigen Mobilitäts-Technologieunternehmen unterstützen“, so Andreas Marx, Deutschland-Chef von Opel. Mit dem Vivaro-e Hydrogen hat Opel als erster Hersteller in Deutschland bereits einen Brennstoffzellen-Transporter auf den Markt gebracht.
„Daimler Truck verfolgt bei der Elektrifizierung eine Doppelstrategie: mit batterie- und wasserstoffbasierten Antrieben “, erklärte Frank H. Lehmann, Werkleiter Mercedes-Benz-Werk Kassel. Das Kompetenzzentrum für konventionelle Achsen und elektrische Antriebssysteme für Trucks wird weiter aufgebaut.
Lehmann: „Achsen werden immer gebraucht, unabhängig vom Antrieb und auch in autonom fahrenden Trucks, die wir noch in diesem Jahrzehnt auf den Markt bringen wollen.“ Auch Hyundai Motor ist mit alternativen Antrieben unterwegs – und Nummer drei weltweit bei den Zulassungen von e-Modellen.
Gearbeitet wird dort am autonomen Fahren und, mit Blick auf die Zukunft, an der Mobilität im urbanen Luftraum. „Wir planen, den jährlichen weltweiten Absatz von batterieelektrischen Fahrzeugen auf 1,87 Millionen Einheiten zu steigern“, so Jürgen Keller, Geschäftsführer Hyundai Motor Deutschland auf dem Spätsommerforum. In Deutschland ist Hyundai der größte Arbeitgeber unter den Automobilimporteuren mit Schwerpunkt in Hessen.
Die Roemheld-Gruppe, Laubach, ist spezialisiert auf Spanntechnik für Fertigungs- und Montageprozesse. Entwicklungsoptionen sieht die Geschäftsführerin Julia Reichert in der Automatisierung von Prozessen sowie Prüfvorgängen, in der Umrüstung von Produktionsstätten auf Elektrifizierung und der Datenaufnahme. Für sie steht fest: „Planungssicherheit wird es künftig nicht mehr so wie früher geben, deshalb müssen wir in unserer Planung immer Platz für Veränderungen haben.“
Mehr dazu online: hessenmetall.de
Unternehmer-Talk: die wichtigsten Zitate
Maja Becker-Mohr ist für aktiv in den Unternehmen der hessischen Metall-, Elektro- und IT-Industrie sowie der papier- und kunststoffverarbeitenden Industrie unterwegs. Die Diplom-Meteorologin entdeckte ihr Herz für Wirtschaftsthemen als Redakteurin bei den VDI-Nachrichten in Düsseldorf, was sich bei ihr als Kommunikationschefin beim Arbeitgeberverband Hessenchemie noch vertiefte. In der Freizeit streift sie am liebsten durch Wald, Feld und Flur.
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