Bessenbach. Prüfen, ob der Trailer richtig sitzt? Dazu muss der Fahrer nicht mehr aus dem Truck steigen und selber nachgucken. Die automatische Sattelkupplung von Nutzfahrzeug-Zulieferer SAF-Holland in Bessenbach erledigt den Check elektronisch und übermittelt das Ergebnis an die digitale Anzeige im Führerhaus. So erkennt der Fahrer auf einen Blick, ob Anhänger und Zugmaschine fest verbunden sind, der Zugsattelzapfen korrekt eingerastet ist. Kein Kontakt mehr mit Schmieröl und Fett. Das digitale System hilft, Fehler bei der Abfahrtskontrolle zu vermeiden. So rollt der Truck schneller los.

Das elektrische Signalsystem zum Ankuppeln ist nur eines von vielen smarten Produkten, die der fränkische Achsen- und Sattelkupplungsspezialist SAF-Holland im Zuge der Digitalisierung entwickelt. Thomas Piroth (39) leitet das Team, das sich solche neuen Lösungen für das Unternehmen am bayerischen Untermain ausdenkt. „Es geht nicht nur darum, die bestehenden Produkte digital aufzurüsten“, sagt der Wirtschaftsingenieur, „wir wollen die Geschäftsmodelle ganz neu denken.“

„Wir verbinden Mechanik mit Sensorik und Elektronik und machen so unsere Produkte schlau.“

Im Zukunftsbüro kommen auch mal bunte Legosteine auf den Tisch

Sein Team macht das nicht allein. Der Ingenieur aus dem Spessart setzt auf Mechanik- und Logistik-Kompetenz im Betrieb, holt das Wissen von IT, Vertrieb und Ingenieuren dazu. Seine kleine Truppe hat sieben Mitarbeiter, wurde vor knapp zwei Jahren gegründet. Die junge Digital-Einheit arbeitet wie ein Start-up, schnell und unkonventionell. So kommen in dem „Zukunfts-Büro“ am Aschaffenburger Hafen, ein paar Kilometer vom Hauptsitz im Örtchen Bessenbach entfernt, auch mal Legoklötzchen auf den Tisch, ausgeliehen vom Sohnemann zu Hause.

Fahrer, Laster, Werkstätten, Flottenmanager – aus den bunten Bausteinen wird die komplette Logistikkette nachgestellt und überlegt, was man mit digitalen Mitteln noch besser machen kann. „Was immer wir tun können, um Stillstandzeiten zu minimieren“, so Piroth, „wird im hart umkämpften Markt für Transportdienstleistungen willkommen sein.“

Vor allem in Service und Wartung hilft die Digitalisierung. Hier zählt Schnelligkeit, wichtig für Speditionen, deren Fahrzeuge im Jahr Tausende Kilometer zurücklegen. Bisher wurde etwa der Verschleiß von Bremsscheiben und Belägen unabhängig voneinander betrachtet. Auf Basis der im Lkw und auf der Strecke gesammelten Daten wird nun der optimale Zeitpunkt berechnet, wann ein Tausch am sinnvollsten ist. Aus zwei Stopps in der Werkstatt wird so einer.

„Für flotte Lösungen im Transport bringen wir den klassischen Maschinenbau mit Elektronik, Sensorik und Software zusammen“, so Digitalisierungsexperte Piroth. Das ist Voraussetzung, damit Laster in Zukunft autonom fahren können. Damit die Brummis auch ohne Mensch am Steuer sicher unterwegs sind, muss man zum Beispiel jederzeit wissen, in welchem Zustand die Komponenten im Fahrzeug sind: Kupplung, Achsen – oder vielleicht eine überhitzte Bremse? Diese Gefahr müssen elektronische Systeme erkennen. Sensoren im Trailer melden daher laufend wichtige Daten wie GPS-Position, Temperatur der Radlager oder den Reifendruck.

Auch der Service wird digital. Rund ein Viertel vom Umsatz macht die Firma mit dem Ersatzteilgeschäft. Ein Code hilft etwa, aus unzähligen Varianten das passende Teil auszuwählen. Fragen zu Achsen und Bausätzen beantwortet ein digitaler Sprachassistent – und virtuelle Animationen machen am Bildschirm vor, wie man selbst komplexe Reparaturen rasch erledigt.

3 Fragen …

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Mein erster Ferienjob war hier im Werk. Als Wirtschaftsingenieur bin ich gerne an der Schnittstelle von Wirtschaft und Technik.

Was reizt Sie am meisten?

Es begeistert mich, dass wir mit smarten Produkten und Dienstleistungen ein ganz neues Kapitel im Transportgeschäft mitgestalten.

Worauf kommt es an?

Auf Offenheit und Raum für neue Ideen. Nichts darf in Stein gemeißelt sein. Dann heißt es, die Ärmel hochkrempeln und machen.

Güterkraftverkehr: Transportlogistik auf der Straße

  1. 45.000 Speditionen gibt es allein in Deutschland
  2. 2,44 Milliarden Tonnen befördern sie im Jahr
  3. 470.000 Fahrer sind in der Branche beschäftigt

Quelle: Bundesverband Güterkraftverkehr (BGL)

Friederike Storz
aktiv-Redakteurin

Friederike Storz berichtet für aktiv aus München über Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Die ausgebildete Redakteurin hat nach dem Volontariat Wirtschaftsgeografie studiert und kam vom „Berliner Tagesspiegel“ und „Handelsblatt“ zu aktiv. Sie begeistert sich für Natur und Technik, Nachhaltigkeit sowie gesellschaftspolitische Themen. Privat liebt sie Veggie-Küche und Outdoor-Abenteuer in Bergstiefeln, Kletterschuhen oder auf Tourenski.

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