Rheine. Wenn Joan Kettelhack dem Textilveredler Kettelhack aufs Firmendach steigt, knirschen unter seinen Füßen massenweise Kieselsteine. Sie bilden die Grundlage für eine wichtige Investition, die das Textilunternehmen aus Rheine in den letzten Monaten gestemmt hat: Für rund 2 Millionen Euro hat sich die Firma eine riesige Photovoltaik-Anlage aufs Dach gesetzt und intensiv in die Strominfrastruktur investiert.

Verteilt auf 24.000 Quadratmeter Dachfläche sind dort nun 6.200 Solarmodule installiert. „Sie können pro Jahr bis zu 2,1 Millionen Kilowattstunden Strom produzieren“, schildert der Juniorchef beim aktiv-Besuch.

Der Betrieb hat so seine eigene Energiewende angestoßen. „Wenn wir die Energiewende in Deutschland erfolgreich stemmen wollen, dann ist das nicht nur Sache des Staats“, sagt Kettelhack überzeugt, „auch Verbraucher und Unternehmen müssen dazu beitragen, so gut sie können.“

Video: Energiewende im Betrieb: Photovoltaik-Anlage liefert günstigen Strom

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Die Photovoltaik-Anlage macht die Stromkosten für das Unternehmen kalkulierbarer

Aber natürlich hat so eine Investition vor allem handfeste wirtschaftliche Gründe. Das Unternehmen will weg von den exorbitant hohen Energiekosten und den volatilen Preissprüngen begegnen. „Als Textilveredler benötigen wir zwar vor allem thermische Energie, die durch Gas erzeugt wird, doch auch der Strompreis schlägt bei uns voll durch“, sagt Kettelhack. Indem das Unternehmen den Strom nun zu einem guten Teil selbst produziert, werden die Kosten kalkulierbarer. „Schwankungen wie in den vergangenen zwei Jahren müssen wir jetzt nicht mehr so stark fürchten.“

Der Juniorchef rechnet damit, dass der selbst produzierte Strom die Firma unter 10 Cent pro Kilowattstunde kosten dürfte. Auch, weil weder Netzentgelte noch Steuern oder andere Abgaben anfallen. Dafür mussten die Rheinenser freilich einiges im Betrieb auf den Kopf stellen: „Wir haben die gesamte unternehmenseigene Netzinfrastruktur erneuert.“

Nach wie vor gilt: Die Produktion muss zu jeder Zeit zuverlässig mit der jeweils benötigten Energie versorgt werden. „Ist die Solarstrom-Ausbeute nicht hoch genug, müssen wir auf das öffentliche Netz zurückgreifen. Umgekehrt geben wir Solarstrom ins öffentliche Netz ab, wenn wir überschüssigen Solarstrom produzieren.“ Dafür sorgt eine neue Trafostation auf dem Firmengelände. Darin ist eine moderne Mittelspannungsanlage installiert, sie ist der Knotenpunkt zwischen dem öffentlichen und dem firmeninternen Stromnetz.

„Wir haben ein Messkonzept aufgebaut, das beobachtet, wann wir wie viel Solarstrom produzieren und wann wir auf öffentliche Zuspeisung angewiesen sind“, erklärt Kettelhack. Die intelligente Steuerung des Energie-Managements gleicht im Minutentakt den auf dem Dach produzierten Solarstrom und den Verbrauch in der Fertigung ab und schaltet gegebenenfalls externen Strom dazu. So oder so geht die Energie zum größten Teil ins Herzstück der Produktion: ins Bleichen, Färben und Veredeln von Mischgewebe aus Baumwolle und Polyester. Kettelhack gilt als Spezialist für das gleichmäßige Färben solcher Gewebe. Aus diesen werden dann langlebige und strapazierfähige Berufskleidung etwa für den Pflegebereich sowie Bettwäsche für Hotels und Pflegeeinrichtungen hergestellt.

Angedacht sind Wassertanks zum Speichern von Solarenergie

„Wir hatten schon so sonnenreiche Tage, dass wir die Produktion strommäßig autark fahren konnten“, freut sich Kettelhack. Und überschüssiger Solarstrom soll nicht mehr lange ins öffentliche Netz abgegeben werden:

„Wir sind dabei, unser Wärmekonzept zu überarbeiten, und überlegen jetzt, wie wir den PV-Strom der Anlage in thermische Energie umwandeln können.“

Möglich wäre das mit Wassertanks als Zwischenspeicher. An Wochenenden, wenn die Produktion ruht, würde das Energie-Management die Solarenergie fürs Aufheizen der Wassertanks nutzen. „Zu Produktionsbeginn am Montag könnte man das vorgeheizte Wasser für die Ausrüstung und Veredelung der Gewebe nutzen.“ Das wäre der nächste Schritt, um noch nachhaltiger und ressourcenschonender zu produzieren.

Anja van Marwick-Ebner
aktiv-Redakteurin

Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.

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