Wenn es um Reitbekleidung geht, dann schlägt das Herz der Branche in Werther (Westfalen), einem Städtchen am Rande des Teutoburger Waldes: Dort ist der Sitz des Reitmoden- und Pferdeausstatters Pikeur Reitmoden mit den Marken Pikeur und Eskadron. „Überall, wo ein Pferd aus einer Box schaut, findet man unsere Produkte“, sagt Vertriebsleiter Hans Georg Johannsmann stolz.

Mit seiner funktionellen und modischen Reitsportbekleidung sitzt das zur bugatti holding Brinkmann gehörende Unternehmen in 65 Ländern fest im Sattel. Die gut 100 Mitarbeiter bedienen zwar nur einen relativ kleinen globalen Markt – den aber sehr gekonnt: „Wir sehen uns weltweit als Nummer eins“, betont Junior-Chef Markus Brinkmann.

Auch während der Lockdowns war Reitsport möglich

Daran hat auch die Corona-Pandemie nichts geändert. „Im harten Lockdown im Frühjahr 2020 hatten wir bis zu 50 Prozent Umsatzeinbußen“, sagt Johannsmann. Aber schon im Juni habe das Geschäft dann wieder angezogen. Pikeurs Vorteil: Reiten ist ein Outdoor-Sport. „Auch während des Lockdowns durften Reiter ihre Pferde bewegen.“ Weil andere Aktivitäten wie Restaurantbesuche oder Urlaubsreisen kaum möglich waren, blieb vielen Reitern mehr Zeit für ihr Hobby. Und das wirke oft bis heute nach.

„Jeder, der lang im Sattel sitzt, weiß, dass die richtige Passform einer Reithose das absolute A und O ist.“ So sagt es Brinkmann, der selbst viel reitet. „Da dürfen sich keine Falten bilden, jedes Scheuern und Kneifen ist tabu.“ Manche Reithose, genäht in der eigenen Näherei in Herford oder bei Partnern in Rumänien und Bosnien, hat deshalb einen Elasthan-Anteil von bis zu 27 Prozent (Stretch-Jeans kommen gerade mal auf 10 bis 15 Prozent).

Die Kernprodukte der Westfalen – Sakkos und Hosen – reiten im Profi- wie im Breitensport mit. „Im Profisport geht es mit roten oder schwarzen Sakkos und weißen Reithosen sehr traditionell zu“, erklärt Brinkmann. So wird etwa Springreit-Weltmeisterin Simone Blum bei der WM 2022 im dänischen Herning wieder im Pikeur-Outfit starten.

Bei den Lieferanten wie bei der Fertigung setzt Pikeur auf Europa

Deutlich bunter sieht es im Breitensport aus. Die meist weibliche Kundschaft zwischen 20 und 30 Jahren sitzt mit farbigen, eng anliegenden, aus dem Laufsport stammenden Tights zu Ross – verziert mit Strass-Ornamenten.

Auch dabei macht Pikeur keine Kompromisse bei der Qualität. Das gilt fürs Material wie für die Fertigung. „Mit unseren Lieferanten verbinden uns langjährige Partnerschaften“, sagt Johannsmann. „Wir sehen es als klaren Vorteil, dass wir bei Lieferanten und Fertigung auf Europa setzen – und setzen werden“, so Brinkmann. Im Kerngeschäft leide man deshalb nicht unter den aktuellen Problemen bei den Lieferketten.

Allerdings: Die Fertigung der strapazierfähigen Stücke bleibt recht zeitintensiv. Für eine Reithose brauchen die 35 Näherinnen in Herford im Schnitt 200 Nähminuten. Wöchentlich landen etwa 200 Hosen und 50 Sakkos im neuen Logistik-Zentrum in Werther – Umschlagplatz für jährlich bis zu zwei Millionen Teile. Von dort aus wird der Fachhandel beliefert. Übrigens, so Johannsmann: „Wer bei uns privat online bestellt, wird vom nächstgelegenen Fachgeschäft beliefert – binnen 48 Stunden.“

Anja van Marwick-Ebner
aktiv-Redakteurin

Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.

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