Solingen. Alle Jahre wieder werden Produktfälscher aus aller Welt an den Pranger gestellt: Der Verein „Aktion Plagiarius“ zeichnet besonders dreisten Design-Klau mit einem Schmähpreis aus – einem schwarzen Zwerg mit goldener Nase. Wenn da Originale und Fälschungen nebeneinandergehalten werden, fällt auf, dass es fast nichts gibt, was nicht kopiert wird!
Das Spektrum der kürzlich präsentierten Nachahmungen reicht dieses Mal von der Motorsäge und dem Gebäckformer über ein Schlafsofa bis zum Türstopper oder Christbaumständer.
Alle Jahre wieder ist das öffentliche Echo auf die Preisverleihung groß – und das ist auch gut und richtig so. Denn Produktpiraten schädigen nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Verbraucher.
Gefälschte Produkte können sogar lebensgefährlich sein – ein Beispiel
Aktuelles Beispiel: Die kleine deutsche Firma Manotec, 2004 gegründet, produziert unter anderem ein elektrisches Bremsenentlüftungsgerät namens „ERS 5“. Ein Nachbau aus China, den ein tschechischer Anbieter über Amazon und Co. vertreibt, ist „von extrem minderwertiger Qualität“, wie es nun bei der Plagiarius-Verleihung hieß, „die Verkabelung ist lebensgefährlich“. Das Plagiat verringert den Umsatz des Originalherstellers – und bringt seine Benutzer womöglich ins Grab.
7,6 Milliarden Euro pro Jahr – so groß ist der Schaden allein für den deutschen Maschinenbau
Generell ist der deutsche Maschinen- und Anlagenbau besonders betroffen. Knapp drei Viertel der Unternehmen – und damit mehr als je zuvor! – haben laut einer Studie des Branchenverbands VDMA aus dem Vorjahr mit Produktpiraten zu kämpfen.
Der auf Basis von Firmenangaben ermittelte Schaden: Im Schnitt kosten Plagiate die Betroffenen 4,9 Prozent des Jahresumsatzes. So ergeben sich allein für diese Branche schätzungsweise 7,6 Milliarden Euro Schaden im Jahr – „das entspricht rund 35.000 Arbeitsplätzen“.
Den Verlust für alle Wirtschaftszweige hat das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln vor zwei Jahren auf Basis einer Unternehmensumfrage hochgerechnet. Ergebnis: mehr als 50 Milliarden Euro Schaden durch Plagiate – pro Jahr!
Unter den Produktpiraten finden sich auch Zulieferer und Kunden
Laut der VDMA-Studie werden die mit Abstand meisten Maschinenbau-Plagiate aus China vertrieben. Allerdings: Deutschland liegt bei den Übeltätern auf Platz zwei, es folgen Russland, die USA und die Türkei. Und nicht etwa nur „Underground Factories“ oder offensichtlich Kriminelle ahmen Produkte nach: Besonders häufig fallen Wettbewerber als dreiste Plagiatoren auf, unter den Kopierern finden sich aber auch Kunden oder Zulieferer.
„Immer häufiger kommen die Nachahmer aus dem direkten Umfeld“, stellt auch die Aktion Plagiarius fest. Von der Wirksamkeit seines Einsatzes ist der Verein durchaus überzeugt: „Zahlreiche Nachahmer haben aus Angst vor der Prämierung eine Einigung mit dem Originalhersteller gesucht und beispielsweise Restbestände der Plagiate vom Markt genommen, Unterlassungserklärungen unterschrieben oder ihre Lieferanten offengelegt.“
Das Museum Plagiarius zeigt Originale und Fälschungen
Sobald Corona es erlaubt, kann man auch die 2021 gekürten Schmähpreisträger im Plagiarius-Museum bewundern. Es ist in Solingen zu finden, auf museum-plagiarius.de gibt’s Informationen über Anfahrt und Öffnungszeiten.
Mehr als 350 Exponate zeigt die interessante Ausstellung schon. Und diese Sammlung wird wohl leider weiter wachsen – alle Jahre wieder.
Thomas Hofinger schreibt über Wirtschafts-, Sozial- und Tarifpolitik – und betreut die Ratgeber rund ums Geld. Nach einer Banklehre sowie dem Studium der VWL und der Geschichte machte er sein Volontariat bei einer großen Tageszeitung. Es folgten einige Berufsjahre als Redakteur und eine lange Elternzeit. 2006 heuerte Hofinger bei Deutschlands größter Wirtschaftszeitung aktiv an. In seiner Freizeit spielt er Schach und liest, gerne auch Comics.
Alle Beiträge des Autors