Amberg. Der Siemens-Standort im oberpfälzischen Amberg gehört zu den modernsten Fertigungsstätten, die der Konzern zu bieten hat. Nun wird er auch noch ökologisch ein Vorbild. Bis 2030 sollen das Gerätewerk wie auch das Elektronikwerk klimaneutral werden – also auf das Verbrennen fossiler Energieträger verzichten und den kompletten Umstieg auf erneuerbare Energien schaffen.

Dass der Standort mit beiden Werken bereits seit 75 Jahren existiert und nicht neu gebaut wird, stellt dabei eine besondere Herausforderung dar. Denn die Energieumstellung darf den laufenden Betrieb und die Produktivität nicht einschränken. Was wann gemacht wird, muss sehr gut überlegt sein. Siemens nutzt dazu Simulationsalgorithmen, die die komplexen Zusammenhänge eines Standortes nachbilden. Diese Datengrundlage hilft, verschiede Aspekte richtig gegeneinander abzuwägen und am Ende gute Entscheidungen zu treffen.

Auch in der Umbauphase muss am Standort jederzeit genügend Energie zur Verfügung stehen

Vieles muss beachtet werden. „Zu jeder Zeit, auch während der Umbauphase, in der die Infrastruktur angepasst wird, muss ausreichend Energie zur Verfügung stehen“, sagt Franz Mende, der Werkleiter des Siemens-Gerätewerks in Amberg. Gleichzeitig müsse man die Wettbewerbsfähigkeit sichern oder noch steigern. „Wir verbessern seit vielen Jahren kontinuierlich unsere Energieeffizienz. CO2-Neutralität ist aber noch mal eine deutlich größere Herausforderung“, sagt er. „Es kommt darauf an, die richtigen Schritte in der richtigen Reihenfolge zu gehen. Das ist komplexer, als es zunächst klingen mag.“

Bislang hat man in Amberg vor allem eigene Prozesse optimiert und sich für den Bezug grünen Stroms entschieden. Nun plant man, große Teile der Dächer mit Photovoltaik auszustatten. Dies mache die Stromversorgung auf Dauer günstiger und unabhängiger. Zudem wird zukünftig eine Wärmepumpe die Gasheizung ersetzen und durch geschicktes Kombinieren mit dem Kältesystem möglichst effizient werden.

Ganz auf Gas verzichten kann man am Standort Amberg allerdings nicht so einfach. Denn für die Behandlung von Metallteilen sind Glühöfen nötig, die noch etliche Jahre in Betrieb sein werden. „Wir planen, von Erdgas auf Biomethan umzusteigen, und prüfen parallel dazu, inwieweit wir das Erdgas auch durch Wasserstoff ersetzen können“, sagt Werkleiter Mende.

Siemens-Software berücksichtigt viele Faktoren, um den besten Dekarbonisierungpfad zu finden

Die Umstellung in Amberg wurde mit einer von Siemens selbst entwickelten Software geplant. „Wir können so mehrere Jahre im Voraus abschätzen, was unter bestimmten Bedingungen passieren wird, wenn wir etwas in diesem Energiesystem verändern“, erklärt Martin Kautz, Ingenieur für Energiesystemdesign bei Siemens Technology. „Auf dieser Basis berechnen wir den optimalen Dekarbonisierungspfad aus technischer und wirtschaftlicher Sicht.“

Das Verfahren eigne sich für ganze Regionen, wie etwa eine Stadt, oder eben für einzelne Anlagen, wie am Standort Amberg, so Kautz. „Faktoren wie geografische Merkmale, Energiepreise, Besonderheiten einer Anlage und vieles mehr wirken sich darauf aus, was der beste Weg im konkreten Einzelfall ist“, sagt der Ingenieur. „Falsche Entscheidungen können teuer werden oder den Projekterfolg gefährden.“

Michael Stark
aktiv-Redakteur

Michael Stark schreibt aus der Münchner aktiv-Redaktion vor allem über Betriebe und Themen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Darüber hinaus beschäftigt sich der Volkswirt immer wieder mit wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen. Das journalistische Handwerk lernte der gebürtige Hesse als Volontär bei der Mediengruppe Münchner Merkur/tz. An Wochenenden trifft man den Wahl-Landshuter regelmäßig im Eisstadion.

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