Wer heutzutage fliegt, muss peinlich genau auf das Gewicht seines Gepäcks achten, sonst wird’s am Check-in richtig teuer. Bei Flügen ins Weltall ist es noch krasser, dort kommt es auf jedes einzelne Gramm an. Kein Wunder also, dass die Europäische Raumfahrtbehörde ESA sehr hohe Anforderungen hatte, als für das Lebenserhaltungssystem der Raumstation ISS besonders leichte Minipumpen benötigt wurden. Fündig wurden die Ingenieure in Schwerin, wo das Unternehmen HNP Mikrosysteme (HNPM) sitzt.

„Wir konnten liefern“, erzählt Geschäftsführer Thomas Weisener, der die Firma vor 25 Jahren mit seinem Kollegen Gerald Vögele gegründet hatte. „Das Modul mit unseren Pumpen wurde 2019 in Betrieb genommen, nachdem es durch den deutschen Astronauten Alexander Gerst installiert worden war.“

Mikrozahnringpumpen von HNP Mikrosysteme können enorm genau dosieren

Die kleinere der beiden Pumpen, ein Modell vom Typ „mzr-2965“, hat eine Länge von knapp sieben Zentimetern und ein Gewicht von lediglich 120 Gramm. Das Kürzel „mzr“ signalisiert, dass es sich um eine Mikrozahnringpumpe handelt. Zahnringpumpen haben einen außenverzahnten Innenrotor und einen innenverzahnten Außenrotor, beide bilden während der Rotation ein System von mehreren abgedichteten Förderkammern.

Bei der Drehung der Rotoren um ihre versetzten Achsen verändern sich die Förderkammern kontinuierlich, wodurch ein gleichmäßiger Förderstrom entsteht. „Pumpen dieser Art haben mehrere Vorteile“, erklärt Weisener: „Maximale Genauigkeit bei der Förderung kleiner Mengen, minimaler Energiebedarf und lange Standzeiten. Unsere mzr-2965 beispielsweise kann man so exakt einstellen, dass sie nur 0,03 Milliliter pro Minute fördert. Einen Liter Wasser kann diese Pumpe also gleichmäßig verteilt über gut 23 Tage dosieren.“

Bei HNP Mikrosysteme werden Wissenschaftler zu Unternehmern

Der promovierte Maschinenbauer Weisener ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie aus Wissenschaftlern Unternehmer werden können. Die Erfolgsgeschichte von HNPM begann Mitte der 90er-Jahre am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) in Stuttgart, wo Weisener mit seinem Kollegen Gerald Vögele in der Forschung tätig war.

„Eigentlich wollten wir damals eine kleine Pumpe für einen Herzkatheter entwickeln“, erzählt der Geschäftsführer. „Die Idee war auch nicht schlecht, aber am Ende hat sich etwas anderes daraus entwickelt – wir spezialisierten uns auf Dosiertechnik.“

Die Idee führte zur Gründung einer GmbH mit fünf Mitarbeitern, die anfangs Teil der Firmengruppe Hydraulik Nord in Parchim war; daher die Abkürzung HNP. 2007 folgte der nächste Schritt, der Pumpenbauer verließ die Gruppe und wurde eine eigenständige Firma, die heute ihren Sitz in der Landeshauptstadt Schwerin hat.

Mit dem Umsatz ist auch das Personal von HNP Mikrosysteme kräftig gewachsen

Geändert hat sich aber nicht nur der Standort, sondern auch die Größe der Belegschaft. Heute beschäftigt HNPM fast 100 Mitarbeiter. Einige davon sitzen im Ausland, denn der Pumpenbauer hat seit drei Jahren eine kleine Tochterfirma in Chicago (USA) und unterhält außerdem ein Büro in Straßburg.

Ähnlich gestiegen ist der Umsatz. Weisener: „Wir hatten bislang Wachstumsraten von 10 bis 15 Prozent pro Jahr, weil wir flexibel geblieben sind. Unser kleines Unternehmen ist kein behäbiger Elefant, sondern ein Tausendfüßler, weil wir auf vielen Beinen stehen. Wer langfristig erfolgreich sein will, sollte breit aufgestellt sein.“

Ein Beispiel dafür ist die Corona-Pandemie, die für viele Betriebe zu einer existenziellen Krise wurde. HNPM dagegen nutzte die Chancen, die sich aus der Situation ergaben, denn die Pumpen der Schweriner sind ideal dafür geeignet, Pharmazeutika wie Impfstoffe zu dosieren oder Aufgaben in der diagnostischen Medizintechnik zu übernehmen.

Weisener: „Vollautomatisierte Analysegeräte können über ein Dutzend Mikropumpen enthalten und bis zu 4.000 Proben in 24 Stunden testen. Das geht aber nur, wenn Technik mit höchster Präzision verbaut wird. Wir können das gewährleisten. Deshalb wurden unsere Pumpen auch schon bei anderen Krankheitswellen wie Vogelgrippe und Schweinepest eingesetzt.“

Die beiden Firmengründer haben die Unternehmensnachfolge schon angeschoben

Um einen ganz anderen Bereich geht es bei dem HNPM-Produkt ColorDoS. Marketingleiterin Dörte Hoffmann: „ColorDoS ist ein kompaktes System für die Dosierung flüssiger Farbe im Kunststoffspritzguss. Es wird oberhalb der Förderschnecke an der Maschine installiert und dosiert die Farbe direkt ins Granulat. Das sorgt für eine optimale Auslastung, spart Zeit und Material und schont so auch die Umwelt.“ Die Innovation stammt aus der eigenen Entwicklung, die bei HNPM eine große Rolle spielt. „Das, was wir können, macht so weltweit kein anderer Anbieter“, betont Weisener. „Wir sehen uns als Lösungsanbieter und entwickeln immer neue Anwendungsideen.“

Auch an die eigene Nachfolge haben die beiden Gründer bereits gedacht. Seit 2022 arbeitet Gerald Vögele eng zusammen mit David Holst, der seine Nachfolge als technischer Leiter von HNPM übernehmen wird, und vor fünf Jahren stieg Yvonne Eilers als CFO in die Geschäftsführung ein. Für Thomas Weisener ein logischer Schritt. „Technik ist wichtig“, sagt er, „aber kaufmännische Expertise ebenfalls.“

Clemens von Frentz
Leiter aktiv-Redaktion Nord

Der gebürtige Westfale ist seit über 35 Jahren im Medienbereich tätig. Er studierte Geschichte und Holzwirtschaft und volontierte nach dem Diplom bei der „Hamburger Morgenpost“. Danach arbeitete er unter anderem bei n-tv und „manager magazin online“. Vor dem Wechsel zu aktiv leitete er die Redaktion des Fachmagazins „Druck & Medien“. Wenn er nicht für das Magazin „aktiv im Norden“ in den fünf norddeutschen Bundesländern unterwegs ist, trainiert er für seinen dritten New-York-Marathon.

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