Berlin. Es liest sich nicht nur kompliziert – es sorgt vielerorts für graue Haare: das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (kurz „LkSG“). Wie groß der zusätzliche Aufwand dadurch ist, lässt sich schon an der Größe der Zulieferer-Netzwerke ablesen: Allein BMW beispielsweise hatte weltweit zuletzt 32.000 direkte Lieferanten. Oder Trumpf, Maschinenhersteller mit 15.000 Lieferanten: Hier arbeiten nun zwei Experten ausschließlich an dem Thema, hinzu kommen mindestens je zwei weitere Beschäftigte aus verschiedenen Bereichen.

Menschenrechte und Umwelt schützen – na klar!

Das Gesetz gilt aktuell für Firmen ab 3.000 Mitarbeitern. Zum Jahr 2024 sinkt die Grenze auf 1.000 Beschäftigte. Indirekt betroffen sind zudem Tausende kleinerer Betriebe – eben die Zulieferer. Doch wozu eigentlich der Riesenaufwand? Der Schutz von Menschenrechten und Umwelt gehört typischerweise zum Selbstverständnis der Firmen hierzulande.

32.000 direkte Zulieferer weltweit hat allein BMW.

„Wir stehen zu unserer Verantwortung“, betont etwa Philip Harting, Chef des Steckerspezialisten Harting. „Doch was an Aufwand und Kosten auf uns zukommt, ist unglaublich.“ Weltweit 4.500 Zulieferer muss der Mittelständler durchleuchten. Da kann trotz aller Sorgfalt auch mal etwas übersehen werden. „Das macht das neue Gesetz für uns unkalkulierbar und belastet in schwierigen Zeiten zusätzlich“, sagt Harting.

Jobs auch in armen Ländern bedroht

Auch für die Verbraucher hat das LkSG Folgen. Das zeigt eine Firmenumfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW): Jeder fünfte Betrieb plant demnach Preisaufschläge, um Mehrkosten durch das Gesetz aufzufangen. Jede achte Firma will raus aus einzelnen Entwicklungs- und Schwellenländern, um allen Eventualitäten vorzubeugen: Das kostet Jobs in ohnehin armen Ländern.

Ein Rückzug aus ganzen Staaten hätte obendrein Folgen auf die wichtige Globalisierung: Störungen und Abhängigkeiten in den Lieferketten hatten unserer ganzen Wirtschaft zuletzt erhebliche Probleme bereitet. Klar ist damit: Nötig ist mehr Globalisierung, nicht weniger.

„Wir müssen eine sachorientierte und ideologiefreie Diskussion führen, wie wir die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen und unseres Standorts im derzeitigen Krisen-Cocktail aufrechterhalten können“, betont vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Die gegenwärtige Wirtschaftslage verbiete es, Unternehmen mit neuen Vorgaben zu belasten.

Und was macht der Gesetzgeber? Die EU-Kommission bastelt an einer eigenen Lieferketten-Richtlinie. Diese könnte künftig sogar noch schärfere Vorschriften bringen.

Stephan Hochrebe
aktiv-Redakteur

Nach seiner Redakteursausbildung absolvierte Stephan Hochrebe das BWL-Studium an der Universität zu Köln. Zu aktiv kam er nach Stationen bei der Funke-Mediengruppe im Ruhrgebiet und Rundfunkstationen im Rheinland. Seine Themenschwerpunkte sind Industrie und Standort – und gern auch alles andere, was unser Land am Laufen hält. Davon, wie es aussieht, überzeugt er sich gern vor Ort – nicht zuletzt bei seiner Leidenschaft: dem Wandern.

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