München. Warum packen so viele Menschen den Einkaufswagen voll und rangeln um vermeintlich knappe Waren? „Da siegen die Emotionen über den Verstand“, sagt Hans-Georg Häusel, Autor des Buchs „Brain View – Warum Kunden kaufen“. aktiv hat mit dem Konsumpsychologen über den irren Drang zum Hamstern gesprochen.
Warum hamstern wir eigentlich?
Es ist eine Reaktion auf Angst und Verunsicherung, weil etwas knapp werden könnte. Unser Gehirn wird mit diesen Gefühlen geflutet und will beruhigt werden. Man hört: Das Öl wird knapp und denkt: Na, dann nehme ich mal lieber mehr mit. Bleibt es bei ein oder zwei Flaschen, reagieren wir rational, weil wir einen Vorrat anlegen. Doch das ist ja nicht das Ende …
Wieso, was folgt denn dann?
In der zweiten Phase des Hamsterns verstärkt sich unsere Angst, leer auszugehen. Das lässt uns irrational handeln. Wir greifen gleich nach fünf Flaschen Öl und mehreren Mehltüten. Befeuert wird dieser Drang vom Wettbewerbsinstinkt: Jeder andere wird zum Konkurrenten am Supermarktregal. Deshalb füllen wir die Einkaufswagen bis oben hin und greifen noch nach der letzten Flasche Öl, damit der nächste Kunde die Ware bloß nicht bekommt – obwohl wir sie gar nicht brauchen.
Das hört sich nicht gerade gut an.
Stimmt. Man muss klar sagen: Wer hamstert, verhält sich ziemlich asozial. Er nimmt anderen etwas weg, obwohl er es nicht benötigt.
Aber aus dieser Falle kommen wir doch hoffentlich raus, mit etwas Nachdenken?
Schön wär’s! Wir glauben ja alle, Vernunftwesen zu sein. Die meisten von uns sind das aber nur, solange alles normal läuft. Dann sind wir logischen Argumenten durchaus zugänglich. Sobald wir aber in Situationen geraten, die uns Angst machen, uns verunsichern, übernimmt das emotionale Zentrum des Gehirns das Steuer. Das ist traurig, aber wahr: Gefühle und Instinkte überstimmen dann die Vernunft. Aber es gibt eine Möglichkeit, dem Hamster-Drang zu begegnen.
Und die wäre?
Klare Regeln! Die Hinweise an den Regalen, dass es nur eine Flasche Öl pro Kunde gibt, sind da genau richtig. Wer dann mit mehreren Flaschen an der Kasse erscheint, outet sich öffentlich als Hamsterer. Das ist unangenehm und führt bei den meisten zu einem schlechten Gewissen. Es verhindert gleichzeitig, dass sich Regale schwindelerregend schnell leeren und mindert auch so den Drang, zu hamstern.
Ist das Problem bei den Deutschen eigentlich besonders ausgeprägt?
Fest steht, dass fast 60 Prozent der Deutschen ihren emotionalen Schwerpunkt im ängstlichen Bereich haben. Der Deutsche neigt also zur Angst, die ja Grundlage fürs irrationale Horten ist. Auch deshalb sind wir anfällig gegenüber Knappheits- und Krisenszenarien und wollen diese letztendlich durch Hamstern für uns selbst vermeiden.
Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.
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