Iserlohn. Was bringt der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) in der Industrie? Eine Veranstaltung beim Märkischen Arbeitgeberverband ermöglichte einen Blick in die Praxis. Und Thomas Ludwig, Professor an der Uni Siegen, lieferte hier Hintergrundinfos. Für ihn entwickelt sich die Technologie exponentiell: „Da geht es um Jahre, nicht um Jahrzehnte.“ Sein Rat: „Fangen Sie an, Daten zu sammeln.“ KI entwickle aus der Bewertung von Einzelfällen Muster: „Je mehr Input, desto genauer die KI.“
Einblicke in den betrieblichen Alltag
Risse+Wilke sammelt schon seit 1998 Daten, sagte Geschäftsführer Jörg Lohölter. KI setzt der Iserlohner Stahlproduzent in der Produktionsplanung ein. Eine Säge, die im Tropenwald laufe, tauge nicht unbedingt am Polarkreis, so Lohölter: „Bei 20.000 Fertigungsaufträgen im Jahr und 4.500 verschiedenen Produkten kann aus den vorhandenen Daten ein Arbeitsplan für jeden Fertigungsauftrag generiert werden.“ Jetzt wolle man mit einer entsprechenden Software und Virtual-Reality-Brillen eine vorausschauende Instandhaltung einführen, mit der sich auf der Basis von „alten“ und Echtzeit-Daten sich anbahnende Schäden erkennen lassen.
Lohölter sieht weitere sinnvolle KI-Einsatzbereiche, aktuell noch Zukunftsmusik: ein System für die Schichtplanung, das beim Ausfall eines Mitarbeiters automatisch eine einsatzbereite Ersatzkraft benachrichtigt. Oder – in der Lieferkette – eine präzise Bedarfsvorhersage für die eigenen Produkte und eine darauf abgestimmte Fertigungssteuerung.
Konventionelle Roboter durch Cobots ersetzt
Auch bei Durable hat man erste Erfahrungen mit dem KI-Ansatz gemacht. Der Büroartikelhersteller hat in den letzten Jahren konventionelle Roboter teilweise durch Cobots ersetzt. Die kollaborativen Roboter sind mit sensiblen Sicherheitssystemen ausgerüstet, die eine gefahrlose Zusammenarbeit von Mensch und Roboter ermöglichen. „Die Cobots sind flexibel einsetzbar und ideal für Pick & Place-Anwendungen“, sagte Produktionsleiter Frank Bublies. Aktuell werde noch mehr im koexistenten als im kollaborierenden Modus zusammengearbeitet. Der Einsatz von intelligenteren Sicherheitskonzepten soll zukünftig Arbeitsgeschwindigkeiten ermöglichen, die mit konventionellen Robotern oder der menschlichen Leistung vergleichbar sind.
Kunstoffbeutel öffnen und Probe entnehmen – da braucht die Technik Feingefühl
Wie komplex das Trainieren der KI ist, veranschaulichte Selim Gökbas, Leiter Forschung und Entwicklung bei IBG Automation in Neuenrade, an einem Kundenprojekt. Die Aufgabe: Greifen von biegeschlaffen Materialien – hier konkret einen Kunststoffbeutel öffnen und eine Probe entnehmen. Es geht um sensible bis hochgiftige Stoffe – der Einsatz eines Doppelhandroboters wäre sicher und effektiv. Aber: Erkennt er den Kunststoff? Wo kann er die Tüte anfassen? In welche Richtung muss er ziehen? Was passiert, wenn der Beutelrand einknickt?
Durch Teleoperation, die Umsetzung menschlicher Bewegungen in den Roboter, und Training hat IBG es geschafft, dass der Roboter in 80 Prozent der Fälle erfolgreich ist. Ohne KI, in der klassischen Programmierung, konnte der Beutel nur jedes zweite Mal geöffnet werden.
Infos: Kostenlos und praxisnah
Zukunftszentrum KI NRW informiert, berät und qualifiziert kleine und mittlere Unternehmen sowie ihre Beschäftigten zur Digitalisierung: zukunftszentrum-ki.nrw.
Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum e-Standards unterstützt bei der Umsetzung digitaler Geschäftsmodelle – unter anderem mit einer offenen Werkstatt in Hagen: estandards-mittelstand.de.
Transferverbund Südwestfalen berät zur Umsetzung und Förderung von digitalen Projekten: transferverbund-sw.de.
Die studierte Politikwissenschaftlerin und Journalistin ist für aktiv vor allem im Märkischen Kreis, in Hagen und im Ennepe-Ruhr-Kreis unterwegs und berichtet von da aus den Betrieben und über deren Mitarbeiter. Nach Studium und Volontariat hat sie bei verschiedenen Tageszeitungen gearbeitet und ist seit vielen Jahren als freie Journalistin in der Region bestens vernetzt. Privat ackert und entspannt sie am liebsten in ihrem großen Garten.
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