Vechelde. Auf den ersten Blick sieht der Firmensitz der Atlas Titan so aus wie viele: repräsentatives Bürogebäude, gepflegte Rasenfläche. Auf den zweiten Blick fällt die Dachlandschaft mit mehreren kleinen Schrägdächern auf. Platz für viel Photovoltaik. Mithilfe von Sonne will die Atlas Titan ausreichend Strom erzeugen – und auch dank Windrad, Wärmepumpen, Speicherbatterien und Energiemanagement-Systemen ihren Standort zu 100 Prozent mit selbst erzeugter Energie versorgen. „Alle reden davon“, sagen die beiden Junior-Chefs Hendrik Vollmer (21) und Maximilian Sternitzke (30): „Wir machen es.“

Der Standort könnte für die Region ein Leuchtturmprojekt werden

Atlas Titan in Vechelde vor den Toren Braunschweigs wird vermutlich eines der ersten Unternehmen in Niedersachsen sein, das sich schon bald voll und ganz selbst versorgt – CO2-neutral. Doch der Weg zum eigenen Energieproduzenten ist weit und steinig: „Wenn wir mit den öffentlichen Verwaltungen und den örtlichen Wirtschaftsförderen sprechen, bekommen wir zuerst Zustimmung und im nächsten Moment starke Bedenken zu hören“, sagt Hendrik Vollmer. „Man sagt uns, was alles nicht geht, aber niemand sagt, was überhaupt möglich ist“, ergänzt Maximilian Sternitzke.

Es könnte ein Leuchtturmprojekt für die Region Peine und Braunschweig werden, erzählen die beiden. „Niemand sieht die Chance, stattdessen vielmehr die behördlichen Auflagen“, sagt Vollmer. Dabei gehe es Atlas Titan nicht um Fördermittel, sondern nur um die Genehmigungen. Weil Photovoltaikanlagen die erforderliche Strommenge nicht decken können, um die Wärmepumpen und geplanten 15 E-Autos der Firmenflotte zu betreiben, soll ein Windrad her. Doch ob und wenn ja wie hoch die Windanlage sein darf, darauf wissen die Behörden keine Antwort.

Da stellt sich die Frage: Wie sollen die Ziele der Bundesregierung, den Stromverbrauch bis 2030 zu 80 Prozent aus erneuerbaren Energien zu beziehen, realisiert werden? Wie soll es klappen, das Ausbautempo massiv zu erhöhen?

Vollmer und Sternitzke wollen anfangen. Nicht reden, sondern machen. Und sie haben einen Plan, wie es gelingen kann. Denn Atlas Titan kennt sich mit der Umsetzung von Projekten aus. Wenn irgendwo vor der Küste ein Windpark errichtet wird, mischen oft Spezialisten der Atlas-Titan-Gruppe mit. Deren bundesweit 360 Ingenieure, Techniker und Fachkräfte planen Projekte und setzen sie um. Sie sind dabei, um Stromtrassen zu bauen, die mal grüne Energie aus dem Norden bis weit in den Süden bringen sollen.

Einsatz in der Politik für mehr Tempo

Den beiden Junior-Chefs geht es vor allem um eine gesunde Umwelt. „Schließlich wollen wir das Unternehmen unserer Eltern übernehmen. Nachhaltigkeit ist da eine wichtige Voraussetzung. Das Thema gewinnt immer mehr an Gewicht, weil es der Attraktivität des Wirtschaftsstandorts zugutekommt“, sagt Vollmer. Das betrifft auch die Suche nach Fachkräften. Für die bundesweit zwölf Atlas-Titan-Standorte werden aktuell 100 Techniker und Ingenieure gesucht. „Die könnten wir sofort einstellen“, sagt Sternitzke.

Die beiden Junior-Chefs nutzen jede Gelegenheit, um sich bei den örtlichen Politikern für mehr Tempo einzusetzen. „Mal ehrlich“, sagt Vollmer, „wir müssen aufpassen, dass wir nicht viel zu viel Zeit mit Diskutieren verlieren.“ Die beiden Jung-Unternehmer wollen einfach nur anfangen.

Werner Fricke
Autor

Werner Fricke kennt die niedersächsische Metall- und Elektro-Industrie aus dem Effeff. Denn nach seiner Tätigkeit als Journalist in Hannover wechselte er als Leiter der Geschäftsstelle zum Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall. So schreibt er für aktiv über norddeutsche Betriebe und deren Mitarbeiter. Als Fan von Hannover 96 erlebt er in seiner Freizeit Höhen und Tiefen.

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