Coburg. Das Thema Brexit hat zuletzt viele Menschen nur noch genervt. Klaus Bühring (59) gehört zu ihnen. Der gelernte Industriekaufmann arbeitet beim oberfränkischen 500-Mann-Unternehmen Waldrich Coburg im kaufmännischen Vertrieb und Versand. Dabei kümmert er sich unter anderem auch um den Papierkram bei Auslandsgeschäften.
„Die jetzt gefundene Lösung ist für uns in Ordnung“, sagt Bühring. „Aber auch mit vielem anderen hätten wir leben können.“ Was ihn allerdings wurmt, ist die jahrelange Unsicherheit, die hinter ihm liegt. „Wir hatten bis zuletzt zwei Pläne in der Schublade – nur, weil die Politik nicht in der Lage war, frühzeitig klare Ansagen zu machen.“
Bühring schätzt präzise Vorgaben. Sein Job fordert ohnehin schon genug Flexibilität. Europa, USA, China, Indien: Der Waldrich-Mitarbeiter verhandelt von seinem Schreibtisch in Coburg aus mit Geschäftspartnern in aller Welt. Jeder von ihnen tickt anders. Und auch bei jeder der 15 bis 20 Maschinen, die pro Jahr auf die Reise gehen, gibt es andere Herausforderungen.
Er kümmert sich bei den Verträgen ums Kleingedruckte
Waldrich Coburg hat eine Exportquote von rund 80 Prozent. Das ist typisch für einen deutschen Hersteller von hochwertigen Werkzeugmaschinen, die international begehrt sind. Die große Mehrheit der Ausfuhren bleibt nicht in Europa, sondern wird nach Übersee verschifft, vor allem eben in die USA, nach China und nach Indien.
Bühring kommt ins Spiel, wenn sich seine Vertriebskollegen und ein Kunde grundsätzlich einig sind. Er ist der Mann für die Feinheiten und das Kleingedruckte. Seit neun Jahren schon beschäftigt er sich bei den Oberfranken mit den praktischen Fragen des Außenhandels. Seine Aufgabe ist vor allem die Vertragsgestaltung, auch deshalb hat er sich juristisch weitergebildet. Dabei geht es dann neben dem Preis etwa auch um Details der Lieferung und Montage, um Zeitpläne oder Fragen der Gewährleistung.
Auch die Abwicklung des Geschäfts liegt später in Bührings Verantwortung. Welches Logistikunternehmen bekommt den Auftrag? Haben Teile der Maschine Überbreite? Sind deshalb Sondergenehmigungen und Umwege nötig? Von welchem Hafen aus geht es ans andere Ende der Welt? „Das ist alles nicht so einfach“, erklärt Bühring. Dabei strahlt er jedoch die Ruhe eines alten Hasen aus, den nichts mehr aus der Bahn wirft.
Eine entscheidende Hürde vieler Geschäfte ist allerdings auch für ihn immer wieder spannend: die Exporterlaubnis bei sogenannten „Dual-Use-Gütern“, also Maschinen, die neben zivilen auch für militärische Zwecke genutzt werden können. „Je nach Zielland geht es da um sehr sensible politische Entscheidungen“, erklärt Bühring.
Das Problem: Die hochwertigen Waldrich-Werkzeugmaschinen können große Werkstücke mit bis zu zwölf Meter Breite mit höchster Genauigkeit bearbeiten. Eingesetzt werden sie etwa zum Bau von riesigen Schiffsmotor-Gehäusen. Doch wer garantiert, dass diese dann in Containerschiffen zum Einsatz kommen? Und nicht in Kriegsschiffen?
Bei Geschäften mit China oder Russland wird es oft schwierig
Bei Geschäften innerhalb der EU oder mit befreundeten Staaten in Europa oder Nordamerika ist das alles kein Problem. In diesen Fällen besteht bloß eine Meldepflicht. Auch bei Ländern wie Indien geht meist alles glatt. „China ist schon problematischer“, sagt Bühring. Und bei Russland sei das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) seit einiger Zeit mit Genehmigungen sehr restriktiv. Aber auch hier gibt es Ausnahmen, etwa wenn ein Geschäft im Zusammenhang mit dem Betrieb der Internationalen Raumstation ISS steht.
Bühring kennt sich mit den Spitzfindigkeiten bestens aus. Und er mag es, sich in komplizierte Sachverhalte reinzufuchsen. „Menschen, die gegen eine Wand laufen, geben oft auf oder holen den Hammer raus“, sagt er. „Ich suche gerne die Tür.“
Nachgefragt
Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?
Mein Bruder war Industriekaufmann. Daher hatte ich ein Bild von dem Beruf. Zunächst war ich Einkäufer. Dann wollte ich mal was Neues machen.
Was reizt Sie am meisten?
Die Herausforderungen sind vielfältig. Es ist immer wieder notwendig, neue Hürden zu überwinden und unbekannte Wege zu versuchen.
Worauf kommt es an?
Man muss zäh sein, darf nicht locker lassen. Zudem sollte man entscheidungsfreudig sein und keine Angst vor Verantwortung haben.
Michael Stark schreibt aus der Münchner aktiv-Redaktion vor allem über Betriebe und Themen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Darüber hinaus beschäftigt sich der Volkswirt immer wieder mit wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen. Das journalistische Handwerk lernte der gebürtige Hesse als Volontär bei der Mediengruppe Münchner Merkur/tz. An Wochenenden trifft man den Wahl-Landshuter regelmäßig im Eisstadion.
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