München. Eigentlich werden Fußballteams von Einlaufkindern auf den Platz geführt. Also staunten die Zuschauer nicht schlecht, als 22 teils schon ergraute Erwachsene die Kicker aufs Feld eskortierten – so geschehen beim Spiel von 1860 München gegen Zwickau. Alle 22 trugen dieselbe Botschaft auf der Brust: „Fahrer gesucht!“

Die „Einlaufkinder“ in den schwarzen Hoodies sind selbst Lkw-Fahrer. Mit ihrer vom Nutzfahrzeughersteller MAN Truck & Bus sowie dem Bundesverband für Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) organisierten Aktion wollten sie darauf aufmerksam machen, dass ihnen langsam die Kollegen ausgehen.

Wie groß der Fahrermangel in der Logistik schon ist, belegt die Studie „Kapazitätsengpässe im Straßengüterverkehr“: Demnach fehlten 2021 rund 36.000 Brummi-Lenker. Zugleich mangelt es republikweit auch Müllabfuhren und Busunternehmen an Fahrern.

„Gemessen an der Zahl der Beschäftigten ist der Fachkräftemangel in der Logistik dramatischer als in der Pflege“, sagt Studienautor Thorsten Schmidt. Und der Professor für Technische Logistik an der TU Dresden vermutet, dass sich die Personaldecke seit 2021 sogar noch verkürzt hat. Gründe sind der russische Krieg, wegen dem Tausende ukrainischer Fahrer ausfallen, sowie das Auftragsplus in der Logistik. Zudem leidet die Branche an Überalterung: Der Studie zufolge gehen jedes Jahr ebenfalls geschätzt 36.000 Berufsfahrer in Rente – aber nur 15.000 Neueinsteiger rücken nach.

Viele Lkw-Fahrer lieben ihren Job – aber nicht die Umstände

Seit dem Wegfall der Wehrpflicht lernen zudem jedes Jahr ein paar Tausend Menschen weniger das Lkw-Fahren als früher. Logistikverbände beklagen außerdem, dass noch viel zu wenig Menschen sich über Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit zum Berufskraftfahrer umschulen lassen.

Was Schmidt wichtig ist: „Oft wird gesagt, der Beruf sei unattraktiv. Das konnten wir in einer Umfrage mit Hunderten Fahrern nicht bestätigen. Die meisten lieben ihren Job!“ Viele klagen jedoch über mangelnde Wertschätzung. Nicht genug Lkw-Parkplätze auf Rastplätzen, kein Zugang zu den Sanitäranlagen – es sind solche Umstände des Jobs, die die Fernfahrer nerven.

Für die Wirtschaft verheißt das nichts Gutes. „Da über 70 Prozent der Güter des täglichen Bedarfs mit dem Lkw transportiert werden, gefährdet diese Entwicklung massiv die Versorgungssicherheit“, sagt BGL-Vorstandssprecher Dirk Engelhardt. Er warnt gar vor „englischen Verhältnissen mit leeren Supermarktregalen“.

Forscher Schmidt glaubt, dass es so weit nicht kommen muss – wenn die Branche ausreichend gegensteuert. Etwa mit effizienteren Abläufen: Trucker müssen vielerorts nicht mehr selbst abladen, sondern können mit neu angekoppeltem Anhänger direkt wieder los. Online-Marktplätze für freien Transportraum sorgen für bessere Auslastung. „Wir müssen lernen, mit dem Fahrermangel zu leben“, sagt Schmidt.

Michael Aust
aktiv-Redakteur

Michael Aust berichtet bei aktiv als Reporter aus Betrieben und schreibt über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach seinem Germanistikstudium absolvierte er die Deutsche Journalistenschule, bevor er als Redakteur für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Mitarbeiter-Magazine diverser Unternehmen arbeitete. Privat spielt er Piano in einer Jazz-Band. 

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