Hannover. Hell ist es am Arbeitsplatz von Malte Pinkernelle. Gerade saugt der 28-Jährige mit einer Pipette einen Mikroliter gelösten Kautschuk aus einem Becherglas, also ein Tausendstel Milliliter der Lösung. Er will feststellen, wie schwer die Molekülketten sind. Pinkernelle ist einem Biofüllstoff auf der Spur. Ziel seiner Doktorarbeit ist es, Zellulose als erneuerbaren Füllstoff für Verbundwerkstoffe zu gewinnen.
Wo genau sich die Ergebnisse seiner Arbeit am Deutschen Institut für Kautschuktechnologie (DIK) später anwenden lassen, weiß er noch nicht. „Vielleicht in der Auto-Industrie, vielleicht für Schutzanzüge in besonders anspruchsvoller Arbeitsumgebung“, sagt der Wissenschaftler. „Wichtig ist mir der grüne Stempel. Auf die Nachhaltigkeit kommt es mir an.“
Bei Praktika packte ihn die Faszination Kautschuk
Drei bis vier Jahre, so der Plan, will er an dem Thema forschen. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter finde er im DIK beste Bedingungen. „Das Klima ist super. Hier gibt man mir alle Freiheiten und jede Unterstützung“, sagt Pinkernelle.
DIK-Geschäftsführer Professor Ulrich Giese hat er es zu verdanken, dass er seine Liebe für die kleine Kautschukbranche gefunden hat. „Während des Chemiestudiums haben wir in einem Vorlesungsmodul faszinierende Einblicke bekommen.“ Es folgten Praktika im Institut, dann war Pinkernelle vom Kautschuk-Virus befallen.
Als Kind experimentierte er gern mit Schwarzpulver
Für Chemie hatte er sich schon als Kind interessiert. Zu Hause forschte er mit Laborwerkzeugen seiner Mutter, einer pharmazeutisch-technischen Assistentin. Zu Silvester schlitzte er gern Knallkörper auf und experimentierte mit dem Schwarzpulver. „Hauptsache, es krachte und zischte. Mein Zimmer stand einige Male mächtig unter Dampf.“
Im Leistungskurs Chemie während des Abiturs lief es jedoch alles andere als glatt, erinnert sich Pinkernelle. Es reichte gerade mal zu fünf Punkten. „Oh Mann, habe ich gedacht, was soll aus mir werden?“ Ausgerechnet während des Zivildienstes in der Pathologie des Nordstadtkrankenhauses in Hannover wurde ihm klar, dass Forschen im Labor genau das Richtige für ihn ist.
„Gewebeproben unter dem Mikroskop zu untersuchen, ist total spannend.“ Daran konnte auch die ungewohnte Umgebung nichts ändern. Schließlich ist die Pathologie im Krankenhaus nicht jedermanns Traumarbeitsplatz. „Es ist schon ein komisches Gefühl, wenn man im Fahrstuhl immer wieder Leichen zu sehen bekommt“, erinnert sich Pinkernelle. „An die Gerüche kann man sich nur schwer gewöhnen.“
„Wichtig ist, dass die Lehrer in der Schule die Begeisterung für die Chemie wecken“
Vielleicht weiß er deshalb die Arbeitsbedingungen in den Laboren des Kautschukinstituts besonders zu schätzen. „Wir sind super ausgestattet. Besser geht es eigentlich nicht“, sagt er. Doch auch das DIK hat Fachkräfteprobleme. Naturwissenschaftler sind rar, in der Forschung wie in der Industrie. „Wichtig ist, dass die Lehrer in der Schule die Begeisterung für die Chemie wecken“, glaubt er. „Sie bietet so viele tolle Möglichkeiten.“
Doch demnächst will der junge Mann erst mal in den Urlaub. Mit zwei Kollegen vom Institut geht er auf große Tour. Mit dem Fahrrad wollen sie von Hannover an die französische Atlantikküste. Für die insgesamt 2.200 Kilometer mussten neue Räder her. Keine E-Bikes, sondern solche für Muskelkraft und mit Riemenantrieb aus Kautschuk. „Die sind langlebiger.“
Das Institut
- Das Deutsche Institut für Kautschuktechnologie wurde 1981 gegründet.
- Es vereint natur- und ingenieurwissenschaftliche Disziplinen bei Kautschuk unter einem Dach und versteht sich als Dienstleister der Gummibranche.
- Das DIK bildet zudem Fachkräfte für die Branche aus und weiter und führt technische Prüfungen durch.
Forschung in der deutschen Kautschuk-Industrie 2018
- 5,7 Prozent vom Umsatz steckt die Branche in die Entwicklung.
- 25 Prozent der Firmen wollen den Anteil in diesem Jahr steigern.
- 80 Prozent von ihnen suchen nachhaltige Lösungen.
Stand: 2018, Quelle: Kautschuk-Wirtschaftsverband WdK
Werner Fricke kennt die niedersächsische Metall- und Elektro-Industrie aus dem Effeff. Denn nach seiner Tätigkeit als Journalist in Hannover wechselte er als Leiter der Geschäftsstelle zum Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall. So schreibt er für aktiv über norddeutsche Betriebe und deren Mitarbeiter. Als Fan von Hannover 96 erlebt er in seiner Freizeit Höhen und Tiefen.
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