München. Wie stellt sich die Lage der Metall- und Elektro-Industrie vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie dar? Darüber sprach aktiv mit dem Konjunkturexperten Professor Michael Grömling vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln.
Wie schlimm ist die Krise?
Da gibt es zwei Dimensionen. Zum einen die Infektionslage. Sie hat sich in den Monaten November bis heute unerwartet stark beschleunigt, und wir befürchten, dass sich das Virus durch die Mutationen sogar noch schneller ausbreiten könnte und dadurch eine Überlastung des Gesundheitssystems droht. Die Politik ergreift entsprechende Gegenmaßnahmen, indem sie unter anderem das Wirtschaftsleben einschränkt. Die ökonomischen Auswirkungen sind also die zweite Dimension.
Anders als im vergangenen Frühjahr produziert unsere Industrie noch. Doch auch das könnte jederzeit gebremst werden. Und zwar gar nicht mal politisch vorgegeben, sondern weil etwa durch Infektionen und Quarantäne so viele Mitarbeiter ausfallen, dass Fertigung nur noch eingeschränkt möglich ist.
Was heißt das für die Industrie?
Das hat uns die Situation im März und April 2020 vor Augen geführt. Unsere Industrie lebt von weltoffenen Märkten. Diese sind aber ebenso stark von der Pandemie betroffen wie Deutschland. Wir haben gesehen, dass es damals nicht nur zu Produktionseinschränkungen gekommen ist, sondern mussten erleben, wie die Auslandsnachfrage eingebrochen ist. Das hat sich zwar im Jahresverlauf wieder verbessert. Wie nachhaltig und stabil diese Entwicklung jedoch ist, muss sich erst beweisen. Wir bewegen uns weltweit in einem fragilen ökonomischen Rahmen.
Woran zeigt sich das in der Industrie?
Global gesehen ist immer noch eine erhebliche Zurückhaltung auf den Märkten zu spüren, insbesondere was Investitionsgüter betrifft. Das Investitionsgeschehen hat bei Weitem nicht den Schwung, der in der Industrie zu einer Normalauslastung führen würde. Das trifft ihren Kern, etwa den Maschinen- und Anlagenbau. In dieser Investitionsschwäche lauern erhebliche Risiken, die eine weltoffene Industrie mitdenken muss. Vor allem, wenn es darum geht, jetzt den Rahmen für die Zukunft festzusetzen.
Inwiefern ist das wichtig?
Unsere Industrie leidet nicht nur unter der Corona-Krise, sie steckt dazu mitten im Strukturwandel. Wenn jetzt falsche Rahmenbedingungen gesetzt werden, könnte die Pandemie in eine Strukturkrise münden. In ähnlichen Situationen in den 1970er, 1980er und 1990er Jahren wurden in Deutschland unrühmliche Entscheidungen getroffen, deren Folge ein starker Anstieg struktureller Arbeitslosigkeit war. Das gilt es zu vermeiden!
Wo lag denn das Problem?
Die früheren strukturellen Krisen brachten markante Verschlechterungen der preislichen Wettbewerbsfähigkeit infolge starker Überhöhung der Lohnkosten sowie Währungsaufwertungen. Dazu kamen Standortprobleme, verursacht durch übermäßige Regulierung und eine hohe Steuerlast.
Auch die Corona-Krise wird die Preissensibilität auf den Märkten nochmals deutlich verschärfen. Das müssen wir beachten. Die Kunden werden noch stärker auf das Geld schauen. Weltweit ist die finanzielle Lage aufgrund der Pandemie angespannt. Wir dürfen unsere Wettbewerbsfähigkeit nicht durch hausgemachte Belastungen verspielen.
Was können wir tun, um wieder wettbewerbsfähig zu werden?
Darüber entscheiden letztlich drei Dinge. Erstens Standortfaktoren wie Steuern und Energiekosten, aber auch zusätzliche Regulierungen wie ein Anspruch auf Homeoffice. Zweitens die Tarifverträge, und zwar sowohl was die Lohnkosten als auch was die Komplexität der Regelungen betrifft. Drittens müssen wir die Innovations- und Investitionstätigkeit fördern, etwa durch moderne Forschungsförderung.
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Alix Sauer hat als Leiterin der aktiv-Redaktion München ihr Ohr an den Herausforderungen der bayerischen Wirtschaft, insbesondere der Metall- und Elektro-Industrie. Die Politologin und Kommunikationsmanagerin volontierte bei der Zeitungsgruppe Münsterland. Auf Agenturseite unterstützte sie Unternehmenskunden bei Publikationen für Energie-, Technologie- und Mitarbeiterthemen, bevor sie zu aktiv wechselte. Beim Kochen und Gärtnern schöpft sie privat Energie.
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