Biotechnologie, ein Überbegriff der Gentechnik, gehört längst zu unserem Leben – das ist spätestens seit der Pandemie allen klar. Denn der Retter in der Not kam aus Mainz: In Rekordzeit entwickelte das Biotechnologieunternehmen Biontech einen Impfstoff gegen Corona und produzierte ihn mit dem US-Partner Pfizer in riesigen Mengen. Heute nutzen Unternehmen die Schlüsseltechnologie für neuartige Krebs-Therapeutika oder Medikamente zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen. Anknüpfend an diesen Erfolg arbeitet Rheinland-Pfalz bereits daran, ein weltweit führender Standort der Biotechnologie zu werden.

Im Kern geht es um die Anwendung von Wissenschaft und Technik auf lebende Organismen. Wir nutzen das Verfahren schon sehr lange, etwa bei der Herstellung von Bier, Wein oder Brot mithilfe von Mikroorganismen. Heute gibt es eine Vielzahl von Verfahren, Produkten und Methoden. Die drei wichtigen Anwendungsgebiete sind die rote, die grüne und die weiße Biotechnologie.

Grüne Biotechnologie: Die Landwirtschaft

Nutzpflanzen müssen dem Klimawandel standhalten und Hitze, Dürre, Stürme oder Starkregen besser verkraften. Möglich macht’s zum Beispiel die Gen-Schere: Damit verändern Wissenschaftler gezielt das Erbgut einer Pflanze. Die Schere schneidet den Erbgutstrang auf und löst unter Ausnutzung des zelleigenen Reparatursystems kleine Veränderungen aus, sogenannte Punktmutationen. Dadurch schaltet man bestimmte Genfunktionen an oder aus. Für diese Technologie (Crispr/Cas9) gab es im Herbst 2020 den Nobelpreis. Unis, Institute, Start-ups und Konzerne forschen intensiv an veränderten Pflanzen. So entstehen ertragreicherer Weizen, Mais mit höherem Zuckergehalt, Salat mit mehr Vitamin C oder pilzresistente Baumwolle. Diese „neue“ Gentechnik ist in Europa noch umstritten.

Weiße Biotechnologie: Die Industrie

Fleißige Produktionshelfer der Industrie sind gentechnisch veränderte Mikroorganismen – oder Teile von ihnen. Der Griff in die Werkzeugkiste der Natur hilft, ressourcenschonender und umweltfreundlicher zu arbeiten. Schon seit 50 Jahren ermöglicht die „weiße Gentechnik“ die effiziente Erzeugung von Lebensmitteln, hochwertigen Chemikalien, Arzneimitteln, Vitaminen sowie Wasch- und Reinigungsmitteln. Die natürlichen Helfer veredeln zudem Materialien wie Textilien, Leder und Papier und unterstützen die Herstellung vieler anderer Produkte von Biokunststoffen bis zum Kraftstoff.

Rote Biotechnologie: Die Medizin

Die Entwicklung neuer therapeutischer und diagnostischer Verfahren schreitet voran. Beispiel Insulin: Wer an der Zuckerkrankheit (Diabetes) leidet, muss es sich spritzen. Früher gewann man es aus Schweinen oder Rindern. 1982 kam das erste gentechnisch, also durch Mikroorganismen, hergestellte Arzneimittel auf den Markt. 2001 folgte die Entzifferung des Humangenoms: Mit diesen Bauplänen kommt man den Mechanismen von Krankheiten auf die Spur. Je besser die Forscher verstehen, welche Rolle die Gene dabei spielen, umso besser können sie zielgerichtete Medikamente entwickeln. In Deutschland sind heute über 302 gentechnisch hergestellte Wirkstoffe zugelassen, die in 342 Medikamenten stecken.

Unterstützt von Wir.Hier.

Sabine Latorre
Bis 2024 Leiterin aktiv-Redaktion Rhein-Main

Dr. Sabine Latorre war bei aktiv 22 Jahre lang die Spezialistin für Themen aus der Chemie- und Pharma-Industrie – bis zu ihrem Rentenbeginn im April 2024. Sie liebt es, komplizierte Zusammenhänge einfach darzustellen – so schon vor ihrer Zeit bei aktiv als Lehrerin sowie als Redakteurin für die Uniklinik Heidelberg und bei „BILD“. Außerdem schreibt sie naturwissenschaftliche Sachbücher für Kitas und Schulen. Privat reizen sie Reisen sowie handwerkliche und sportliche Herausforderungen.

Alle Beiträge der Autorin