Schwarzheide. Im hohen Bogen fliegt der Sand durch die Luft. Die Beteiligten am symbolischen Spatenstich für die Modernisierung des 25 Jahre alten Gas- und Dampfturbinenkraftwerks am BASF-Standort Schwarzheide haben sichtlich Freude an ihrem Tun.

Kein Wunder: 73 Millionen Euro investiert das Unternehmen über drei Jahre in die Anlage, um Wind- und Sonnenenergie im Arbeitsalltag nutzen zu können – wenn die politischen Rahmenbedingungen stimmen. Das macht den Standort in Brandenburg mit rund 2.000 BASF-Mitarbeitern für die Zukunft stark wie auch die Braunkohleregion Niederlausitz.

Der Strukturwandel der Lausitz erfordert neue Ideen

„Ein Meilenstein ist der Einbau einer neuen Turbine, die sowohl mit Gas als auch mit Wasserstoff arbeitet“, berichtet Peter Otto, Leiter der Standortentwicklung von BASF Schwarzheide, beim Besuch von aktiv. Sein Motto: „Schon heute darüber nachdenken und Pläne anstoßen, wie der Standort nachhaltig in der Welt von morgen bestehen kann.“ Viele Ideen aus dem Team des 50-Jährigen stecken im Kraftwerksumbau wie auch im Konzept „Chemie und Energie aus Erneuerbaren in Schwarzheide“ (chEErs). Das „Reallabor“ wirbt nun um Fördergelder vom Bund.

Das Konsortium besteht aus Chemiefirmen, Technologielieferanten, Erzeugern von erneuerbaren Energien, Vermarktern und Netzbetreibern. Es soll beweisen, dass der Einsatz von Ökostrom trotz hoher Anforderungen an Versorgungssicherheit und Netzstabilität möglich ist:

„Man kann erneuerbare Energien im Industrie-Maßstab für die Chemie nutzen“, ist Otto überzeugt. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke bestätigt, dass es keinen besseren Ort für diese Investition und keine bessere Zeit gebe. Die Windkraft- und Solarparks im Umfeld sollen künftig Strom für den Chemieriesen liefern.

Hier sind 360 Megawatt Windkraft und einige Solarfelder installiert. Weht aber zu wenig Wind oder ist der Himmel stark bewölkt, liefert die neue, viel effizientere Gasturbine die nötige Energie. Die Modernisierung steigert die elektrische Leistung um 10 Prozent, gleichzeitig sinken die Brennstoffkosten. Die Ökoeffizienz des Kraftwerks wird verbessert, und man integriert es ins öffentliche Netz: ein Beitrag zur Energiewende und dem Kohleausstieg 2038.

Braunkohleförderung vor dem Aus

„Die Lausitz steckt mitten im Strukturwandel“, sagt Otto, Vater zweier Kinder, „in absehbarer Zeit ist Schluss mit der Braunkohle.“ Neue Ideen sind gefragt, damit die Industrie sicher und kostengünstig mit Energie versorgt werden kann. Die BASF Schwarzheide muss wettbewerbsfähig und profitabel bleiben – innerhalb des Konzerns, aber auch weltweit. Otto: „Attraktive Energiekosten sind wesentlich, um Investitionen anzuziehen und neue Jobs zu schaffen. Auch Digitalisierung, neue Verfahren und Produkte oder Kreislaufwirtschaft!“

Megatrends der Zukunft rechtzeitig erkennen und nutzen

Der Plan scheint aufzugehen: Mehrere Ansiedlungen auf dem BASF-Gelände sind aktuell im Gespräch, bei geplanten Konzerninvestitionen hat Schwarzheide gute Karten. So wird etwa der Bau einer Fabrik für neuartige Batteriematerialien geprüft.

Der promovierte Bioverfahrenstechniker und Hobbysurfer Otto ist der ideale Treiber für das Projekt. Er kennt die BASF-Welt und hat als Technologie-Entwickler Prozesse und Standorte optimiert: „Man muss die Megatrends der Zukunft erkennen“, sagt er, „dann kann man sich wie ein Surfer rechtzeitig vorbereiten, um diese Wellen lange und sicher reiten.“ Und Standorte in Deutschland halten.

Nachgefragt

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Als Ingenieur und Naturwissenschaftler verknüpfe ich viele Fachgebiete und Wertschöpfungsketten.

Was reizt Sie am meisten?

Die Megatrends der Zukunft aus der Gegenwart heraus zu analysieren. Und das Vernetzen und Moderieren von Ideen, Personen und Interessen, um Visionen in Realität zu überführen.

Worauf kommt es an?

Nur unkonventionelles Denken und das Infragestellen des Bestehenden und das Ausnutzen von Diversität führt zu neuen Lösungen.