Stuttgart. Die Lebensversicherung ist für viele der Inbegriff einer grundsoliden Geldanlage – die zugleich die Liebsten für den vorzeitigen Todesfall absichert. Auch wenn so eine Police nicht unbedingt die lukrativste Sparform war, bekam man am Ende doch zumindest die eingezahlten Beiträge wieder heraus: „Beitragsgarantie“ heißt das im Fachjargon. Doch das war gestern!
Branchenführer Allianz hat diese Garantie zum Jahresanfang 21 weitgehend abgeschafft. Ebenso R+V, der zweitgrößte Lebensversicherer im Lande. Kleinere Anbieter dürften früher oder später nachziehen.
Wegfall der Garantie betrifft nur neue Versicherungsverträge
Es geht dabei natürlich nur um Verträge, die jetzt neu abgeschlossen werden. Und bei Riester-Policen sowie in der betrieblichen Altersvorsorge ist der Beitragserhalt gesetzlich vorgeschrieben: Hier gilt die Garantie also weiterhin.
Warum aber sollte man einen über Jahrzehnte laufenden Vertrag abschließen, bei dem man Geld verlieren kann?! Antwort der Allianz: Weil es nur so möglich sein wird, überhaupt noch Rendite zu erwirtschaften.
Chancenreichere, damit aber auch riskantere Geldanlage
Die Zinsen für sichere Geldanlagen liegen bekanntlich nahe null, Tendenz negativ. Und diese Niedrigzinsen dürften uns noch sehr lange erhalten bleiben. Mit den jetzt reduzierten Garantien dürfen die streng regulierten Versicherer das Geld der Kunden riskanter, aber eben auch chancenreicher investieren – etwa in Immobilien, Infrastrukturprojekte, erneuerbare Energien oder Anleihen von Schwellenländern.
Deutlich höhere Auszahlungen sind möglich, aber eben nicht garantiert
Diese Botschaft ist offenbar schon angekommen. „In Umfragen haben uns zwei Drittel unserer Kunden gesagt, dass es für sie keine 100-prozentige Garantie mehr sein muss, wenn dafür die Renditechancen steigen“, sagte Volker Priebe, Vorstand bei Allianz Leben, dem „Handelsblatt“. Und „ohne Beitragsgarantie“ bedeutet ja nicht, dass man sein gesamtes Geld verlieren kann. Vielmehr will die Allianz „je nach Kundenwunsch“ Auszahlungen garantieren, die „auf einem Niveau von mindestens 90, 80 oder 60 Prozent der gezahlten Beiträge liegen“.
Durchaus möglich sind zwar deutliche höhere Auszahlungen – aber die sind eben nicht garantiert. Ob die Rechnung der Anbieter wirklich aufgeht und die Kunden durch die riskanteren Anlagen am Ende insgesamt besser dastehen, weiß heute niemand.
„Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass die Lebensversicherer die in Aussicht gestellten Überschüsse oft nicht erreicht haben, sondern meist deutlich weniger“, warnt Niels Nauhauser, Finanzexperte in der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. „Die Lebensversicherung ist wegen der hohen Kosten und der intransparenten Leistungen nicht die erste Wahl, wenn man für das Alter vorsorgen will.“ Anders könne es immerhin bei Policen sein, die besonders gefördert werden, beispielsweise im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung: „Da muss man sich die Angebote genauer anschauen“, sagt Nauhauser.
Aus einer langweiligen Sparformwird ein „Risiko-Investment“
Zum Anfang vom Ende der Beitragsgarantie erklärt der Bund der Versicherten deutlich: Die Lebensversicherung werde zum „Risiko-Investment“.
Und daran wird man sich wohl gewöhnen müssen. Die Deutsche Aktuarvereinigung jedenfalls, der Branchenverband der Finanz- und Versicherungsmathematiker, hält Produkte mit 100-Prozent-Beitragsgarantie „in der heutigen Negativzinswelt“ nicht mehr für sinnvoll. Denn: „Sie verengen die Spielräume für eine Kapitalanlage im Sinne der Versicherten.“ Die Aktuare plädieren daher dafür, die Beitragsgarantie zum Beispiel auch bei der Riester-Rente abzuschaffen.
Silke Becker studierte Soziologie, BWL, Pädagogik und Philosophie. Seit ihrem Abschluss arbeitet sie als Redakteurin und freie Journalistin. Außerdem hat sie mehrere Bücher veröffentlicht. Am liebsten beschäftigt sie sich mit den Themen Geld, Recht, Immobilien, Rente und Pflege.
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