Berlin. Ist es sinnvoll, Zeit und Nerven in einen Streit mit der Hausbank zu investieren, um vielleicht 200 oder 300 Euro zurückzubekommen – und sich dann womöglich eine neue Bank suchen zu müssen?! Vor dieser Frage stehen Millionen Menschen. Denn ob diese Mitteilung nun im Briefkasten landet oder im Homebanking-Postfach, sie kommt von zahlreichen Banken: die Aufforderung, höheren Kontogebühren zuzustimmen.

Grund dafür ist ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom April, mit dem die Richter einer bis dahin üblichen Praxis ein Ende setzten: Bankseitige Änderungen der Konditionen wurden als vom Kunden akzeptiert angesehen, wenn dieser der Ankündigung nicht innerhalb von zwei Monaten widersprach.

Das Urteil gegen die Postbank hat auch Folgen für die Kunden anderer Kreditinstitute

Schweigen bedeutet Zustimmung? Das ist laut BGH rechtswidrig, wenn damit eine Verschlechterung für den Kunden verbunden ist (Urteil vom 27. April 2021, Aktenzeichen XI ZR).

Damit haben wohl Millionen Kunden über Jahre zu viel Gebühren gezahlt, weil Erhöhungen der Kontogebühren unwirksam waren. So erklärt es Christoph Herrmann, Rechtsexperte bei der Stiftung Warentest. „Das BGH-Urteil ist zwar gegen die Postbank ergangen“, sagt er, „aber da dieses Vorgehen allgemein üblich war, können nun auch viele Kunden anderer Geldhäuser die Rückerstattung verlangen – zuzüglich des Gewinns, den die Bank mit den zu Unrecht kassierten Gebühren erwirtschaftet hat.“

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Viele Menschen haben über Jahre zu hohe Kontogebühren gezahlt

Mit großer Wahrscheinlichkeit ist man betroffen, wenn man in den letzten Jahren weder die Bank noch das Kontomodell bewusst gewechselt und damit anderen Gebühren aktiv zugestimmt hat. „Zurückverlangen können Bankkunden die innerhalb der letzten zehn Jahre rechtswidrig einkassierten Gebühren“, sagt Herrmann.

„Die Klausel benachteiligt die Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen“ Bundesgerichtshof

Wer jetzt Geld zurückholen will, muss aber meistens selbst tätig werden und die Erstattung verlangen. Dafür muss man die Schadenssumme beziffern können. Das ist bei einem pauschalen Kontopreis relativ einfach. Komplizierter wird es, wenn einzelne Vorgänge wie Überweisungen jeweils gebührenpflichtig waren. Laut Herrmann ist die Bank aber verpflichtet, dem Kunden zumindest eine Übersicht über die seit Oktober 2018 gezahlten Entgelte auszuhändigen. Und dann muss man herausfinden, welche Gebühren zuletzt wirksam vereinbart worden sind – sei es bei Kontoeröffnung oder auch Kontomodellwechsel. So lässt sich ausrechnen, welche Beträge denn rechtmäßig gewesen wären – und wie sehr die tatsächlich gezahlten Gebühren davon abweichen.

Achtung: Es droht die Kündigung des Kontos seitens der Bank

Mit dieser Forderung kann man sich direkt an die Bank wenden – oder auch an den jeweils zuständigen Ombudsmann oder Schlichter. Wer es sich ganz einfach machen möchte, beauftragt ein Online-Inkassounternehmen wie etwa „Getright“, „Justify“ oder „Spreefels“: Gegen 20 bis 25 Prozent der Schadenssumme kümmern sich solche Dienstleister um den Fall.

Aber Achtung: In einzelnen Fällen haben Banken schon Kunden, die eine Erstattung verlangt haben, das Konto gekündigt! Um dieses Risko sollte man wissen. Daher sollte man jetzt auch einfach zustimmen, wenn die Bank nur die Bestätigung der höheren Gebühren für die Zukunft verlangt. „Kontoinhaber riskieren sonst die Kündigung des Vertrags“, betont Herrmann.

Oft fordern Banken, auch gleich die rückwirkende Erhöhung zu akzeptieren. Das kann man ablehnen – was aber nur dann sinnvoll ist, wenn man sowieso vorhat, sich das Geld von der Bank zurückzuholen.

Waltraud Pochert
Autorin

Waltraud Pochert hat bei aktiv vor allem Verbraucherthemen aus dem Bereich der privaten Finanzen sowie Recht und Steuern im Blick. Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre in Köln startete sie ihre berufliche Laufbahn bei einem großen Wirtschaftsmagazin, bevor sie als freie Journalistin tätig wurde. In ihrer Freizeit ist sie gern sportlich unterwegs, vor allem mit dem Fahrrad.

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