Berlin. Nicht jeder ist gesundheitlich dazu in der Lage, bis zum Erreichen des Rentenalters zu arbeiten. Vor allem Krankheiten des Muskel- und Skelettsystems, Krebs, aber auch psychische Erkrankungen führen dazu, dass Menschen ihrer Arbeit gar nicht mehr oder für eine Zeit lang nicht mehr nachgehen können. Im Ernstfall hilft dann der Sozialstaat – mit der Erwerbsminderungsrente. Und das gar nicht mal so selten: 2019 bekamen rund 1,8 Millionen Versicherte eine Erwerbsminderungsrente, wie Tanja Berni von der Deutschen Rentenversicherung Bund in Berlin erklärt. Dafür zahlte die Rentenkasse allein in dem Jahr knapp 19 Milliarden Euro.

Um eine Erwerbsminderungsrente zu bekommen, müssen Bedingungen sowohl aus versicherungsrechtlicher wie auch aus medizinischer Sicht erfüllt sein. So muss der- oder diejenige wenigstens fünf Versicherungsjahre vorweisen können (die sogenannte Wartezeit der gesetzlichen Rentenversicherung) und in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens drei Jahre lang den Pflichtbetrag geleistet haben.

Eine volle Erwerbsminderungsrente bekommt, wer keine drei Stunden Arbeit am Tag mehr schafft

Vor allem aber „darf der Betroffene nicht mehr in der Lage sein, mindestens drei Stunden am Tag zu arbeiten – und zwar generell“, erklärt Expertin Berni. So bekäme etwa ein Dachdecker, der nicht mehr auf dem Dach rumklettern kann, keine solche Rente, wenn er zum Beispiel noch im Büro arbeiten kann.

Vor dem 2. Januar 1961 Geborene sind da deutlich besser dran: Diese Jahrgänge können nicht einfach auf andere Berufe verwiesen werden, sondern erhalten eine teilweise Erwerbsminderungsrente schon, wenn sie ihrem erlernten Beruf nicht mehr nachgehen können.

1,8 Millionen Versicherte bekamen 2019 eine Erwerbsminderungsrente

Unterschieden wird zwischen der Voll- und der Teilerwerbsminderungsrente. Wer nicht einmal drei Stunden am Tag arbeiten kann, erhält die volle Erwerbsminderungsrente. Ist es noch möglich, zwischen drei und sechs Stunden täglich einer Arbeit nachzugehen, ist man dazu im Prinzip verpflichtet und erhält oft nur eine Teilerwerbsminderungsrente.

Der Anspruch auf Erwerbsminderungsrente wird geprüft – gegebenenfalls wird sie nur befristet gewährt

Der Anspruch wird anhand der medizinischen Unterlagen geprüft. Und ebenfalls, ob die Arbeitsfähigkeit durch geeignete Reha-Maßnahmen wiederhergestellt werden kann. Erscheint eine Heilung möglich, wird die Rente befristet gewährt. „Endet die Frist, muss eine Weiterzahlung beantragt werden, falls sich der Gesundheitszustand nicht gebessert hat“, erklärt Berni. Erscheint eine Erholung unwahrscheinlich oder ist sie ausgeschlossen, gibt es die Erwerbsminderungsrente unbefristet, das heißt: bis zum Erreichen der regulären Altersrente.

Die Zurechnungszeit verbessert den individuellen Anspruch deutlich

Wie viel Geld man bekommt, ist vom individuellen Versicherungslauf abhängig. Also davon, wie lange und in welcher Höhe man schon Entgeltpunkte für die Rente gesammelt hat. „Zudem werden erwerbsgeminderte Menschen durch die sogenannte Zurechnungszeit so gestellt, als hätten sie mit ihrem bisherigen Durchschnittseinkommen bis zum Rentenalter weitergearbeitet.“ Diese Zurechnungszeit wurde zuletzt 2019 angepasst und steigert sich bis 2030 weiter. „Neben den jährlichen Rentenanpassungen führt auch das zu steigenden Bezügen aufgrund von Erwerbsminderung“, sagt Berni.

Im Schnitt lag eine volle Erwerbsminderungsrente 2019 bei rund 850 Euro pro Monat. Wer teilweise erwerbsgemindert war, bekam rund 550 Euro.

In der Renteninfo steht, wie viel Erwerbsminderungsrente es im Ernstfall geben würde

Wie hoch der eigene Anspruch im Fall des Falles wäre, steht in der amtlichen Renteninformation, die man jährlich bekommt: In einem eigenen Artikel erklären wir, was in der Renteninfo eigentlich alles drin steht und wie verlässlich diese Zahlen sind.

Wenn der Gesundheitszustand es zulässt, ist es Frührentnern erlaubt, sich etwas dazuzuverdienen: „Ein zusätzliches Einkommen von 6.300 Euro bleibt bei einer vollen Erwerbsminderungsrente anrechnungsfrei“, erklärt die Expertin, „alles was darüber hinausgeht, wird zu 40 Prozent auf die Rente angerechnet.“ Bei einer teilweisen Erwerbsminderung wird die Anrechnungsgrenze individuell berechnet, sie liegt aber aktuell bei mindestens um die 15.500 Euro. Keine Rolle spielt für die Rentenberechnung hingegen das Einkommen des Ehepartners oder eigenes Vermögen – dies bleibt komplett außen vor.

Waltraud Pochert
Autorin

Waltraud Pochert hat bei aktiv vor allem Verbraucherthemen aus dem Bereich der privaten Finanzen sowie Recht und Steuern im Blick. Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre in Köln startete sie ihre berufliche Laufbahn bei einem großen Wirtschaftsmagazin, bevor sie als freie Journalistin tätig wurde. In ihrer Freizeit ist sie gern sportlich unterwegs, vor allem mit dem Fahrrad.

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