Stuttgart. Als er mit neun Jahren in seiner Heimatstadt Montreal das Musical "Cats" sah, war es um ihn geschehen: Er wollte nur noch tanzen, so wie die Katzen auf der Bühne. Ein Jahr später kam er auf ein Ballett-Internat in Toronto. Heute sorgt Eric Gauthier mit Gauthier Dance regelmäßig für ausverkaufte Säle im Stuttgarter Theaterhaus - und hofft, dass das bald wieder möglich ist. Er erzählt, wie er seine Tanztruppe durch den Lockdown bringt und was Künstlern jetzt hilft.
Wie ist die Lage bei Gauthier Dance nach über einem Jahr Stillstand?
Sehr schwierig. Für Tänzer ist die Karriere mit 30 vorbei. Da ist so ein verlorenes Jahr eine lange Zeit. Und auch für andere Künstler ist alles auf die Auftritte vor Publikum ausgerichtet. Jede Lockdown-Verlängerung zehrt an den Nerven. Depressiv werden meine Tänzer aber zum Glück nicht, denn ich halte sie beschäftigt – trotz Kurzarbeit. Wir haben die ganze Zeit in zwei Schichten trainiert. Die beiden Gruppen sind sich auf der Probebühne nie begegnet – was natürlich echt traurig ist! Seitdem es Schnelltests gibt, testen wir auch regelmäßig.
Was für Projekte sind denn unter Lockdown-Bedingungen überhaupt möglich?
Im letzten Frühjahr habe ich ein paar Videos gemacht, um die jungen Leute vom Sofa zu holen: das Wohnzimmerballett, wo ich unter anderem Hip-Hop-Schritte zeige. Geld habe ich damit zwar nicht verdient, aber daraufhin ist das Land Baden-Württemberg auf mich zugekommen und hat mit mir die Video-Reihe „Erics Tanztee“ für den Youtube-Kanal #bwegttanzt produziert.
Zuletzt habe ich bei Choreografen, Komponisten und Filmemachern aus der ganzen Welt Solostücke für jedes einzelne meiner 16 Ensemble-Mitglieder in Auftrag gegeben: „The Dying Swans Project“. Geprobt wurde vor Ort in Stuttgart, teilweise auch über Zoom, mit einer großen Leinwand im Ballettsaal. Die Stücke wurden gefilmt und sind ab 16. April auf unserem Youtube-Kanal und in der 3sat-Mediathek abrufbar. So haben wir uns selbst und den anderen Beteiligten etwas Arbeit und Einkommen in der Krise verschafft. Insgesamt haben davon immerhin 64 Menschen profitiert.
Wie überbrücken andere Künstler die finanzielle Lücke?
Ein Kumpel von mir hat die Spendenaktion„Künstlersoforthilfe Stuttgart“ ins Leben gerufen, die recht gut angekommen ist. In der Szene ist die Befürchtung groß, dass jetzt, da die öffentlichen Kassen leer sind, an der Kulturförderung gespart wird. Das würde auch uns treffen. Deshalb sind wir froh über jeden Cent, der über Sponsoren oder den Unterstützerkreis „Friends of Gauthier Dance“ reinkommt.
Was haben Sie in der Pipeline, wenn das Stuttgarter Theaterhaus wieder öffnen darf?
Das Problem ist, dass man nicht übermorgen einfach loslegen kann, selbst wenn morgen alles wieder offen ist. Denn dann haben wir noch keine Karten verkaufen und nichts vorbereiten können. Wir konzentrieren uns jetzt auf das große Gauthier-Dance-Sommerprogramm, das – hoffentlich – im Juni und Juli im Theaterhaus stattfindet. Dafür proben wir schon, und zwar wieder in zwei getrennten Gruppen mit jeweils acht Tänzerinnen und Tänzern.
Welchen großen Lichtblick gab es in den letzten 13 Monaten?
Dass ich mehr Zeit für meine drei Kinder hatte.
Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.
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