Berlin. Digitalisierung geht auch in Zeitlupe: Schon 2003 ist eine „persönliche elektronische Gesundheitsakte“ ins Gesetz geschrieben worden, Smartphones gab es damals noch gar nicht. Jetzt endlich wird die „elektronische Patientenakte“ (kurz ePA) tatsächlich Realität – und nutzen können wir sie ganz einfach per App.
Die Idee leuchtet ja sofort ein: Eine digitale Akte, in der alle unsere Patientendaten gespeichert sind, macht Behandlungen besser, uns gesünder – und damit indirekt das ganze Gesundheitswesen günstiger.
Die jüngsten Blutwerte etwa, ältere Röntgenbilder, verordnete Medikamente, fehlende Impfungen und so fort: Für den Arzt wird alles auf einen Blick ersichtlich, vor allem auch, was andere Mediziner schon festgestellt haben. Untersuchungen unnötigerweise doppelt durchzuführen, das soll der Vergangenheit angehören, ebenso unerwünschte Wechselwirkungen zwischen Medikamenten.
Mitte des Jahres soll die ePA bundesweit einsatzbereit sein
Theoretisch ist die ePA am 1. Januar 2021 eingeführt worden. Praktisch wird man aber nur dann mit der E-Akte in Berührung kommen, wenn man deren Erstellung aktiv anschiebt.
Zunächst läuft nun ein Feldversuch mit Kassenärzten in Berlin und der Region Westfalen-Lippe. „Die elektronische Patientenakte vernetzt Versicherte mit Ärzten, Therapeuten und Apotheken und dient dem besseren und sicheren Informationsaustausch im Gesundheitswesen“, erklärt Alina Hesse, Referentin für Health & Pharma beim Digitalverband Bitkom. „In den Modellregionen werden 200 Ärzte die ePA testen. Ab Mitte 2021 soll sie dann bundesweit einsatzbereit sein, mit rund 200.000 Ärzten, Therapeuten und Krankenhäusern.“
„Die ePA vernetzt Versicherte mit Ärzten und Apotheken und dient dem besseren Informationsaustausch im Gesundheitswesen.“
Aber wer sich schon jetzt für das Thema interessiert, sollte sofort einen Zugang zur ePA von seiner Krankenkasse erhalten können, über deren jeweilige Website. Man lädt dann eine kostenlose App herunter, so funktioniert das etwa bei der Barmer.
Beim Marktführer Techniker Krankenkasse (TK) lädt man erst die TK-App aus dem Store und kann sich dann in der App registrieren. „Dabei wird die individuelle Verschlüsselung aktiviert“, heißt es bei der TK. „So wird sichergestellt, dass nur die Versicherten selbst ihre Daten sehen, speichern und verwalten können. Die Speicherung der Informationen erfolgt nicht auf dem Smartphone selbst, sondern auf sicheren Servern in Deutschland.“
Zugriff auf die ePA mit spezieller Geheimzahl zur Gesundheitskarte
Für den Zugriff auf die ePA benötigt man eine spezielle Geheimzahl (Pin) zur Gesundheitskarte, auch die gibt es von der Kasse. Datenschutz ist beim sehr persönlichen Thema Gesundheit natürlich besonders wichtig. Die ePA-Grundregel lautet denn auch: Jeder Patient entscheidet selbst, welche Informationen wie lange gespeichert werden – und nur er bestimmt, wer auf die digitale Akte wie zugreifen darf. Das klappt allerdings noch nicht so richtig, heißt: Der Zahnarzt könnte aktuell auch Befunde des Psychiaters sehen. „Ein feingranulares Rechtemanagement soll erst ab Januar 2022 möglich sein“, sagt Bitkom-Expertin Hesse.
Digitale Rezepte können schon bald so manchen Gang zum Arzt ersparen
Praktisch: In der ePA kann man auch einen Notfalldatensatz hinterlegen. Auf Dauer soll man sich dann elektronische Rezepte aufs Smartphone holen und in Apotheken einlösen können, das dürfte so manchen Gang zum Arzt ersparen. Auch Überweisungen zum Facharzt soll es auf digitalem Weg geben. Und ab 2023 kann man die eigenen ePA-Daten anonymisiert für die Forschung bereitstellen. Auch das natürlich freiwillig.
Aktuelles Urteil: Leistungen der Krankenkasse gibt es nur mit Gesundheitskarte
Wer Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse in Anspruch nehmen will, hat die elektronische Gesundheitskarte vorzulegen: Die Kasse muss keinen anderen „Berechtigungsnachweis“ zur Verfügung stellen. Das hat das Bundessozialgericht in zwei Fällen entschieden, in denen die Kläger Datenschutzbedenken hatten (20. 1. 21, B 1 KR 7/20 R und 15/20 R). Die Gesundheitskarte soll unter anderem den Missbrauch von Sozialleistungen verhindern – und die damit verbundene Datenverarbeitung „wahrt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“.
Marie Schäfers hat ihren Studienabschluss in Geschichte und Journalistik an der Universität Gießen gemacht. Sie volontierte bei der „Westfälischen Rundschau“ in Dortmund und ist Leitende Redakteurin der Zeitung Sonntag-EXPRESS in Köln. Für aktiv beschäftigt sie sich als freie Autorin mit den Themen Verbraucher, Geld und Job.
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