Seit das Corona-Virus auch hierzulande wütet, haben sich in Deutschland rund sieben Millionen Menschen angesteckt und sind – zum Teil schwer – erkrankt. Etliche von ihnen werden womöglich auch langfristig Schäden davontragen.

Ist die Infektion am Arbeitsplatz oder im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit erfolgt, kann Covid-19 in manchen Fällen als Arbeitsunfall oder Berufserkrankung eingestuft werden. Damit gehen für die Betroffenen oft bessere Leistungen einher, als sie die gesetzliche Krankenversicherung bietet.

Was Arbeitnehmer dazu wissen sollten, erklären zwei Experten der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), dem Spitzenverband der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen, in Berlin.

Berufskrankheit oder Arbeitsunfall: Wie unterscheiden sie sich eigentlich?

Berufserkrankung und Arbeitsunfall sind zwei verschiedene Anspruchsgrundlagen. Den Unterschied zwischen beiden verdeutlicht ein Beispiel: Verbringt etwa ein Dachdecker aufgrund seiner Tätigkeit viele Stunden in der prallen Sonne und entwickelt sich dadurch Hautkrebs, kann es sich um eine Berufskrankheit handeln. Fällt er jedoch vom Dach und bricht sich dabei das Handgelenk, handelt es sich um einen Arbeitsunfall.

Bei der Berufskrankheit ist also in der Regel Voraussetzung, dass die Beschäftigten längerfristig einer bestimmten Gefahr für die Gesundheit ausgesetzt sind. Ein Arbeitsunfall hingegen beruht eher auf einem schicksalhaften Ereignis, erklärt Fred-D. Zagrodnik, Referatsleiter Berufskrankheiten beim DGUV. Covid-19 kann grundsätzlich beides sein – Berufskrankheit wie auch Arbeitsunfall. Ob und was konkret zum Tragen kommt, hängt davon ab, in welcher Branche der Betroffene arbeitet und wo er sich angesteckt hat.

Anerkennung von Covid-19 als Berufskrankheit: Vor allem im Gesundheitssektor oder in der Wohlfahrtspflege möglich

Insbesondere bei Beschäftigen im Gesundheitsbereich, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Labor kann eine Covid-19-Erkrankung als Berufskrankheit eingestuft werden. Denn dort – etwa in Krankenhäusern, in Pflegeheimen, bei Krankentransporten oder in Arztpraxen – sind die Beschäftigten permanent einer latenten Ansteckungsgefahr ausgesetzt. Ähnlich wie der Dachdecker oft in der prallen Sonne arbeitet und deshalb ein höheres Risiko für Hautkrebs hat. „Auch in Einrichtungen für Wohnungslose oder Suchterkrankte, die zur Wohlfahrtspflege zählen, sind oft die hygienischen Umstände nicht optimal, sodass das Ansteckungsrisiko erhöht ist“, so Zagrodnik.

Für Beschäftigte anderer Berufszweige kann Covid-19 ebenfalls als Berufskrankheit anerkannt werden, wenn sie aufgrund ihrer Tätigkeit einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt sind. Dies kommt beispielsweise bei körpernahen Dienstleistungen wie Friseuren oder Kosmetikerinnen infrage, die ihren Kunden und Kundinnen zwangsläufig sehr nahe kommen.

Für die Anerkennung müssen außerdem Symptome der Covid-19-Erkrankung auftreten. Eine symptomlos verlaufende Infektion, die nur durch einen Test aufgefallen ist, würde dementsprechend nicht anerkannt werden. Treten doch noch nach einiger Zeit Symptome – etwa wegen Long Covid – auf, könnte die Berufskrankheit ab diesem Zeitpunkt anerkannt werden.

Keine Voraussetzung ist es in diesen Fällen, dass die Versicherten konkret nachweisen können, wer sie angesteckt hat, so Zagrodnik: „Das wäre beispielsweise bei einer Krankenschwester, die auch auf infizierte Besucher im Hospital treffen kann, kaum möglich.“

Anerkennung von Covid-19 als Arbeitsunfall: Auch außerhalb des Gesundheitsbereichs möglich

Für Mitarbeiter in anderen Berufen kann eine Corona-Infektion mit nachfolgender Erkrankung einen Arbeitsunfall darstellen – auch wenn man damit in der Regel eher gebrochene Knochen assoziiert. „Wie bei der Berufserkrankung muss die Infektion in Zusammenhang mit der Beschäftigung stehen“, erklärt Eberhard Ziegler, Referatsleiter Leistungsrecht beim DGUV. So kann beispielsweise in einem produzierenden Betrieb eine Covid-19-Erkrankung ein Arbeitsunfall sein, wenn sich ein Kollege bei einem anderen in Ausübung seiner Tätigkeit angesteckt hat.

Sogar eine Infektion auf dem Arbeitsweg kann entsprechend eingestuft werden: „Dies ist zum Beispiel bei regelmäßigen Fahrgemeinschaften vorstellbar, wenn man sich nachgewiesenermaßen bei einem der Mitfahrer angesteckt hat“, sagt Ziegler. Aber anders als bei der Berufskrankheit ist es für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls erforderlich, die Person zu benennen, bei der man sich infiziert hat – die sogenannte Indexperson.

Entscheidend ist, dass der Kontakt zwischen beiden in einer solchen Intensität stattgefunden hat, dass eine Ansteckung wahrscheinlich ist. Diese Einschätzung orientiert sich an den Leitlinien des Robert-Koch-Instituts. So muss der Kontakt etwa mindestens zehn Minuten gedauert haben – ohne Masken. In einer Gesprächssituation könnte aber auch eine kürzere Dauer ausreichend sein. Es kommt also auf die individuellen Umstände an. Zusätzlich muss auch ausgeschlossen werden können, dass die Infektion woanders, etwa im privaten Bereich, stattgefunden hat, beispielsweise über die schulpflichtigen Kinder.

Nur ausnahmsweise kann beim Arbeitsunfall in Einzelfällen auf die Ermittlung der Indexperson verzichtet werden: etwa wenn in einem Betrieb ein größeres allgemeines Infektionsgeschehen stattgefunden hat. „Dies war zum Beispiel in einigen Betrieben der Fleischproduktion der Fall, in denen das Virus optimale Bedingungen gefunden hat“, so Ziegler.

Der Kontakt bei der versicherten Tätigkeit muss zwischen zwei Tagen vor dem Auftreten der ersten Symptome bei der Indexperson und 14 Tagen nach Symptombeginn erfolgt sein. Bleibt die Kontaktperson symptomlos, gelten diese Grenzen bezogen auf den Zeitpunkt der Probennahme für den positiven Labornachweis der Indexperson.

Corona-Infektion im Zweifelsfall selbst der Unfallkasse oder Berufsgenossenschaft melden

Wer an Covid-19 erkrankt ist und vermutet, dass das im Zusammenhang mit der Beschäftigung erfolgt ist, sollte sich unbedingt um die Anerkennung durch die gesetzliche Unfallversicherung kümmern, da die Absicherung hier besser ist als die der Kranken- und der Rentenkasse. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund wichtig, dass heute noch nicht abzusehen ist, welche langfristigen Beeinträchtigungen etwa durch Long Covid noch auftreten können.

Zwar sind die behandelnden Ärzte, gesetzlichen Krankenkassen und Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, von sich aus eine entsprechende Meldung zu machen, wenn der Verdacht auf eine Ansteckung am Arbeitsplatz besteht. Dies kann aber auch jeder Betroffene selbst formlos – sogar telefonisch – bei dem zuständigen Unfallversicherungsträger tun, erklärt Ziegler. Der muss dann von Amts wegen ermitteln. Wer nicht weiß, welcher Unfallversicherungsträger für ihn zuständig ist, kann sich bei seinem Arbeitgeber danach erkundigen.

Ob Arbeitsunfall oder Berufskrankheit: Covid-19-Erkrankten stehen dieselben Leistungen zu

Wenn Corona so oder so anerkannt wird, sind die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung für Covid-19-Kranke die gleichen – hier ist es nicht von Bedeutung, ob ein Betroffener eine Berufskrankheit oder einen Arbeitsunfall erlitten hat, erklären die Experten.

So werden die Erkrankten, die beispielsweise an Long Covid leiden, von Medizinern verschiedener Fachrichtungen untersucht, um festzustellen, in welchem Gesundheitsbereich der größte Reha-Bedarf besteht, und dort setzt die Therapie dann an. „Das ist ein interdisziplinäres Vorgehen, das so nur von der gesetzlichen Unfallversicherung geboten wird“, sagt Zagrodnik. Die Unfallversicherung rehabilitiere „mit allen geeigneten Mitteln“. Davon profitieren die Erkrankten, denn insbesondere im Reha-Bereich gehen diese Leistungen über die der gesetzlichen Krankenkassen hinaus.

Auch finanziell hat die Anerkennung Vorteile. So müssen die Patienten keine Zuzahlungen zu den Medikamenten leisten, und die Unfallversicherung übernimmt auch die kompletten Fahrtkosten zu Heilbehandlungen wie etwa Physiotherapie – und nicht nur in Ausnahmefällen wie die gesetzlichen Kassen.

Ist die Arbeitsfähigkeit länger beeinträchtigt, erhalten die Betroffenen ein sogenanntes Verletztengeld, das das Krankengeld der Kasse übersteigt. Auch Rentenzahlungen gehören zu den Leistungen der Unfallkasse: „Bei dauerhafter Erwerbsminderung zahlt der Unfallversicherungsträger eine Rente“, sagt Ziegler. Dafür muss die Einschränkung der Arbeitsfähigkeit mindestens 20 Prozent betragen und mehr als 26 Wochen bestehen.

Wenn es ganz schlimm läuft, steht den Hinterbliebenen eine Rente aus der Unfallversicherung zu. Sowohl die Rente wegen Erwerbsminderung als auch die Hinterbliebenenrenten der Unfallversicherung werden gegebenenfalls neben den entsprechenden Renten aus der Rentenversicherung gezahlt.

Waltraud Pochert
Autorin

Waltraud Pochert hat bei aktiv vor allem Verbraucherthemen aus dem Bereich der privaten Finanzen sowie Recht und Steuern im Blick. Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre in Köln startete sie ihre berufliche Laufbahn bei einem großen Wirtschaftsmagazin, bevor sie als freie Journalistin tätig wurde. In ihrer Freizeit ist sie gern sportlich unterwegs, vor allem mit dem Fahrrad.

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