Diepholz. Diese speziellen Loks sind klein, rechtwinklig, zuverlässig und – richtige Kraftprotze! Sie fahren auf schmaler Spur und mögen extremste Bedingungen: Die Lokomotiven des Maschinenbauers Schöma werden im Tunnelbau eingesetzt, ob beim Bau des Brennerbasistunnels, der Metro in Kairo oder einer unterirdischen Abwasserleitung in Singapur.

aktiv hat das Unternehmen im niedersächsischen Diepholz besucht. Der Familienbetrieb arbeitet seit vielen Jahrzehnten mitten in einem Wohngebiet: „Hier hat mein Großvater 1930 das Unternehmen gegründet“, erklärt Firmenchef Christoph Schöttler.

Damals wollten die Torfstecher der Region den Torf auf Schienen abtransportieren und brauchten Loks. So schlug die Stunde von Schöma. Heute, gut 90 Jahre später, ist die Christoph Schöttler Maschinenfabrik, kurz Schöma, zum Weltmarktführer für Tunnellokomotiven gewachsen! Der Exportanteil des Mittelständlers erreicht rekordverdächtige 98 Prozent.

Beim Brennerbasistunnel schafft man fast elf Meter Vortrieb am Tag – Weltrekord!

Gern berichtet der Geschäftsführer von Einsätzen seiner Loks in aller Welt. Etwa beim Gotthard-Basistunnel in der Schweiz: „17 Jahre wurde an dem 57 Kilometer langen Tunnel gearbeitet“, sagt er, „von uns waren 128 Lokomotiven daran beteiligt.“ Ähnlich viele Schöma-Fahrzeuge haben geholfen, den Eurotunnel unter dem Ärmelkanal fertigzustellen.

Die kleinen Loks sind für den Tunnelbau unschlagbar. Zumindest, wenn die Steigung nicht mehr als 7 Prozent beträgt: Das sei die physikalische Grenze für Schienenverkehr, berichtet Schöttler. Bis zu 430 Tonnen Baumaterial können die Kraftprotze schleppen, und das auch bei leichter Steigung – ein gewaltiger Vorteil gegenüber gummibereiften Fahrzeugen. Die Schöma-Kraftpakete rollen mit Waggons voll Baumaterialien in den Tunnel hinein und transportieren Geröll, Schutt und Abraum hinaus. „Leerfahrten gibt es nicht“, sagt Schöttler.

Beim Bau des Brennerbasistunnels zwischen Österreich und Italien legen die Loks täglich rund 120 Kilometer zurück. Schöttler: „Dort schaffen die Tunnelbauer in einem Monat einen Vortrieb von 860 Metern. Das sind im Durchschnitt 10,7 Meter pro Tag – Weltrekord!“

„In Zukunft wir Reparaturen an unseren Fahrzeugen per Internet umsetzen.“

Die Firma fühle sich sehr wohl in ihrer Marktnische, sagt Schöttler. Während große Schienenfahrzeug-Hersteller über Fusionen nachdenken, um im Wettbewerb mit China bestehen zu können, zeigt der Firmenchef norddeutsche Gelassenheit: „Wir haben 130 Mitarbeiter – diese Größe ist genau richtig, um flexibel reagieren zu können.“ Und die Tunnelbauer in aller Welt kennen sich: Die Branche ist überschaubar. Schöttler weiß daher genau um die Stärke seines Unternehmens. Und um die guten Zukunftsaussichten: Die Mobilität mit Eisenbahn und Auto nehme weltweit zu, bei unterirdischen Abwasserkanälen gebe es häufig Reparaturbedarf. Das alles bringe immer wieder neues Geschäft.

Gelassen sieht der Firmenchef auch den Wandel in der Antriebstechnologie. Aktuell bietet Schöma als weltweit einziger Hersteller Hybridantriebe für den Tunnelbau an. Und auf die fortschreitende Digitalisierung freut sich Schöttler: „Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis wir Reparaturen an unseren Fahrzeugen per Internet umsetzen.“

Die Mitarbeiter bleiben hier oft von der Ausbildung bis zur Rente

Ein Blick in die Fertigungshallen macht schnell klar: Bei Schöma ist das handwerkliche Können der Mitarbeiter extrem gefordert. Wenn gewünscht, sind die Loks ganz präzise auf ihren späteren Einsatz hin konstruiert. Know-how und Erfahrung haben da besonderes Gewicht. Wer hier eine Ausbildung gemacht hat, bleibt daher nicht selten bis zur Rente. „Bei uns ist man von der ersten Stunde an am Bau von Lokomotiven beteiligt“, betont Schöttler, „darauf sind die Leute zu Recht stolz. Die Identifikation unserer Mitarbeiter mit der Firma und den Fahrzeugen ist enorm.“

Übrigens: Wenn ein neuer Tunnel irgendwann mal fertig ist, landen die Loks keineswegs auf dem Schrottplatz. Schöttler schätzt, dass etwa 80 Prozent der Fahrzeuge zurück ins Werk kommen und hier wieder flottgemacht werden, für weitere Einsätze in aller Welt.

    Christoph Schöttler Maschinenfabrik

    • Mittelständler. Die Christoph Schöttler Maschinenfabrik GmbH, kurz Schöma, ist ein Familienbetrieb mit 130 Mitarbeitern. Das Unternehmen wurde 1930 gegründet.
    • Tunnelbau. Anfangs fertigte die Schöma Loks für Torfabbau und Kiesgruben, seit Ende der 1970er Jahre auch Fahrzeuge für den Tunnelbau. 2015 entwickelte man eine Hybridlok mit Diesel- und E-Motor.
    • Produktion. Insgesamt hat die Schöma bisher etwa 7.100 Loks und Schienenfahrzeuge in alle Welt geliefert.

    Die Bahn-Industrie

    • Umsatzrekord im Jahr 2020 – trotz Corona.
    • 53.300 Menschen gibt die Bahn-Industrie Arbeit.
    • 12,5 Milliarden Euro setzen die Firmen der Branche um.
    • 9,2 Milliarden Euro davon erlösen sie mit Fahrzeugen.
    Werner Fricke
    Autor

    Werner Fricke kennt die niedersächsische Metall- und Elektro-Industrie aus dem Effeff. Denn nach seiner Tätigkeit als Journalist in Hannover wechselte er als Leiter der Geschäftsstelle zum Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall. So schreibt er für aktiv über norddeutsche Betriebe und deren Mitarbeiter. Als Fan von Hannover 96 erlebt er in seiner Freizeit Höhen und Tiefen.

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