Wer die Produktionsräume der Flensburger Silbermanufaktur Robbe & Berking betritt, fühlt sich an das bekannte Gedicht von August Kopisch über die unermüdlichen Heinzelmännchen von Köln erinnert. In jeder Ecke wird emsig gestanzt, geformt, geschliffen, gehämmert, geprägt und poliert, und überall herrscht eine geschäftige Betriebsamkeit, aber ohne jede Spur von Hektik.
Hier sind Handwerker zugange, die ihr Metier beherrschen und ihre Arbeit mit Hingabe und schlafwandlerischer Sicherheit erledigen, auch wenn sie – anders als die Heinzelmänner – ihre Arbeit nicht erst am Abend beginnen, wenn sich die Dämmerung sanft über die Förde senkt.
Fünf Generationen schufen den Marktführer
Was einen auf Effizienz dressierten Unternehmensberater vermutlich zutiefst verstören würde, ist für den Flensburger Familienbetrieb der entscheidende Schlüssel zum Erfolg. „Bei uns wird bis heute alles mit der Hand gefertigt, und zwar ausschließlich in unserer Manufaktur in Flensburg“, sagt Oliver Berking. „Andere haben auf Niedriglohnländer gesetzt und am Ende alles verloren. Wir haben das nie versucht und sind stärker denn je. Wir glauben an Made in Germany, an den Wert deutscher Qualitätsarbeit, und sind damit die 15 Jahrzehnte seit der Gründung gut gefahren.“
Oliver Berking, Jahrgang 1962, folgt damit der Maxime seines Ururgroßvaters Nicolaus Christoph Robbe, der den Betrieb 1874 gründete. Sein Credo war: „Andere mögen es billiger machen, aber keiner darf es besser machen als wir.“
Der Schwiegersohn erwies sich als Glücksgriff
Robbe hatte zunächst einige Jahre als wandernder Geselle gearbeitet und sich dann mit einer eigenen Werkstatt in Flensburg niedergelassen. 1897 stellte er den jungen Silberschmiedemeister Robert Berking ein, der sich prompt in die Tochter seines Chefs verliebte. Wenig später wurde geheiratet, und Robbe beteiligte seinen Schwiegersohn mit 50 Prozent an der Firma.
Eine kluge Entscheidung, denn der hochbegabte Berking machte sich sofort an die Arbeit. Er entwickelte ein eigenes Bestecksortiment, baute die Werkstatt aus und errichtete das erste eigene Firmengebäude. Als er 1908 durch einen Badeunfall aus dem Leben gerissen wurde, führte Gründer Robbe das Geschäft gemeinsam mit Berkings Witwe weiter, bis Sohn Theodor 1922 das Unternehmen übernahm. In den 40 Jahren seiner Tätigkeit wandelte sich die kleine Werkstatt zu einer erfolgreichen Silbermanufaktur mit 100 Mitarbeitern.
Technische Fortschritte
1957 kam Robert Berking ins Unternehmen und leitete den nächsten Entwicklungsschritt ein. In den vier Jahrzehnten seines Wirkens wurde das Haus von einem regionalen Anbieter zu Europas größtem Hersteller silberner Bestecke. Viele der von ihm entworfenen Kollektionen entwickelten sich zu wahren Klassikern und hatten maßgeblichen Anteil daran, dass Ansehen, Umsatz und Absatzgebiet erheblich wuchsen.
Auch technisch tat sich einiges in seiner Amtszeit: 1969 entwickelte Robbe & Berking eine neue Versilberungsqualität mit einer deutlich stärkeren Silberauflage, die dafür sorgt, dass die Besteckteile eine längere Lebensdauer haben. Außerdem sind sie nun wesentlich spülmaschinenfester – ein Zugeständnis an die moderne Zeit.
Aufwendige Fertigung
In der Fertigung jedoch blieb man weitgehend bei dem bewährten Verfahren, das aus über 50 Arbeitsschritten besteht und schon praktiziert wurde, als Oliver Berking 1985 mit 22 Jahren in die Firma eintrat. Zunächst werden Silberbleche in Streifen, die sogenannten „Brandeln“, geschnitten. Diese werden dann an einem Ende gewalzt, da die Materialstärke im Zinkenbereich der Gabel und am Mundstück des Löffels geringer sein muss als am Griff des Besteckteils.
Aus diesen „Brandeln“ werden Rohlinge gestanzt, die mit einem Druck von annähernd 800 Tonnen in die richtige Form gebracht werden. Danach gehen die Besteckteile zum „Pliesten“, wo das überschüssige Material entfernt wird.
Auch kostbare Leuchter gehören zum Sortiment
Ist das erledigt, folgt das händische Schleifen mit einer Mischung aus Bimsmehl und Naturöl an Filzscheiben und eine erste Politur mit speziellen Tüchern oder Sisalscheiben und die Reinigung in einem Ultraschallbad. Die letzten Arbeitsgänge beinhalten das galvanische Versilbern, das Hochglanzpolieren und die finale Kontrolle. Jedes einzelne Teil wird von geschulten Mitarbeitern ausführlich geprüft und nur dann freigegeben, wenn alles einwandfrei in Ordnung ist.
Der Mittelständler, der seit einigen Jahren Mitglied im AGV Nord ist, fertigt mit seinen 160 Beschäftigten aber nicht nur edles Besteck, sondern auch Tafelgeräte, Becher, Bar-Kollektionen und Ähnliches, insgesamt rund 4.000 Teile. Eines der kostbarsten Stücke ist ein neunarmiger Kerzenleuchter aus 925er Sterlingsilber, der beeindruckende 74 Zentimeter hoch ist. Ähnlich beeindruckend ist der Preis, im Online-Shop der Flensburger wird der Leuchter für 35.500 Euro angeboten – zuzüglich Versandkosten.
Ungewöhnliches Projekt mit BMW
Der Preis wird verständlich, wenn man in der Fertigung sieht, mit welchem Aufwand die Herstellung verbunden ist. Der schwere Leuchter entsteht in über 70 Arbeitsstunden aus 105 Einzelteilen, die so perfekt miteinander verbunden werden, dass das fertige Produkt am Ende wie aus einem Guss wirkt.
Silberschmied Martin Koschnik macht diesen Job seit mehr als 20 Jahren, aber selbst für ihn ist der Leuchter bis heute etwas ganz Besonderes. Während er behutsam die Lötflamme reguliert, um zwei Teile das Kerzenhalters zu verbinden, erzählt er von einem anderen Projekt, das vor zehn Jahren für Aufsehen sorgte. Es lief unter dem Titel „BMW Individual 760Li Sterling inspired by Robbe & Berking“ und war eine Kooperation mit dem bayerischen Autobauer, bei der ein silberveredeltes Fahrzeug im Wert von rund 330.000 Euro entstand.
Gold und Silber als solide Geldanlage
Auch Oliver Berking erinnert sich gut an den Silber-Siebener, stellt aber gleich klar: „Das war ein tolles Projekt, aber nicht unser Kerngeschäft. Wir machen am liebsten das, was wir am besten können: Einzigartige und handgefertigte Silberwaren, die von Freunden unseres Hauses und von den besten Hotels, Sterne-Restaurants und von Königshäusern in aller Welt geschätzt werden. Unsere Kunden sind echte Überzeugungstäter, genau wie wir.“
Aber selbst Überzeugungstäter müssen bisweilen ökonomisch denken, daher entwickelte Oliver Berking, der das Unternehmen in fünfter Generation leitet, vor etwa 15 Jahren eine neue Geschäftsidee: Er begann, auch Gold und Silber in Barren- und Münzenform als Anlagemetalle zu verkaufen.
Dieses Angebot kam bestens an und entwickelte sich prächtig. Heute hat der Bereich einen Anteil von rund 50 Prozent am Gesamtumsatz.
Der gebürtige Westfale ist seit über 35 Jahren im Medienbereich tätig. Er studierte Geschichte und Holzwirtschaft und volontierte nach dem Diplom bei der „Hamburger Morgenpost“. Danach arbeitete er unter anderem bei n-tv und „manager magazin online“. Vor dem Wechsel zu aktiv leitete er die Redaktion des Fachmagazins „Druck & Medien“. Wenn er nicht für das Magazin „aktiv im Norden“ in den fünf norddeutschen Bundesländern unterwegs ist, trainiert er für seinen dritten New-York-Marathon.
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