Balingen. Manchmal nimmt sich Rudolf Fackler Arbeit mit nach Hause: Der promovierte Chemiker testet Reinigungsmittel für den professionellen Bereich auch in seinen eigenen vier Wänden. „Schließlich muss ich wissen, wie sich ein Produkt unter verschiedenen Bedingungen verhält“, erklärt der Leiter der Forschung und Entwicklung beim Wasch- und Reinigungsmittel-Hersteller in Balingen.

Das Familienunternehmen mit mehr als 135-jähriger Tradition stellt Spezialprodukte für den professionellen Wasch- und Reinigungsmarkt her. „Unsere Kunden sind Lebensmittel-Verarbeiter wie Metzgereien, die Gastronomie, Hotels, Pflegeheime“, zählt Fackler auf. Bei Waschmitteln gehöre die Firma mit 25 Mitarbeitern zu den Marktführern.

Schon seit Jahren steigen die Preise für Rohstoffe

Fackler ist zuständig für den technischen Bereich: Entwicklung und Qualitätssicherung, Produktion, Kundenservice und -betreuung, aber auch Dokumentationen und Sicherheitsdatenblätter. 80 Prozent seiner Zeit verbringt er am Schreibtisch, sonst ist er im Werk unterwegs oder besucht Kunden.

Schon seit einigen Jahren treiben ihn steigende Preise für Rohstoffe um, die aktuelle Lage hat die Situation verschärft: „Der Preis für Zitronensäure ist über 400 Prozent gestiegen, Kalilauge wurde doppelt so teuer“, sagt er. Beides sind wichtige Bestandteile der Wasch- und Reinigungsmittel. Auch der Preis für Tenside, also waschaktive Substanzen, kletterte in ungeahnte Höhen – gut 40 bis 50 Prozent in einem Vierteljahr.

Dazu kommen Lieferengpässe: „Als der Frachter in Suezkanal feststeckte, haben auch wir das gemerkt“, berichtet er. Verpackungsmaterialien sind knapp, Lieferzeiten von bis zu 100 Tagen für Kartonagen und bis zu 10 Wochen bei Kanistern sind keine Seltenheit. Letztere lassen sich nicht einfach ersetzten: Sie müssen strengen Kriterien entsprechen, beispielsweise resistent gegenüber bestimmten Inhaltsstoffen sein.

Rezepturen verändern, Wirkung beibehalten

Fehlen die Rohstoffe, muss der Chemiker neue Rezepte mit Ersatzstoffen entwickeln, testen und für die Produktion anpassen. Das ist kompliziert: „Schließlich dürfen sich die Produkteigenschaften nicht verändern!“ Denn die Reinigung sei „ein Zusammenspiel von Zeit, Temperatur, Mechanik und Chemie“, erklärt der Experte. Wird an einer Stellschraube gedreht, verändert sich alles – deshalb lassen sich die Zutaten nicht einfach austauschen: Mit warmem Wasser wirkt ein Mittel anders als mit kaltem, Einwirkzeiten haben einen entscheidenden Effekt, und auch die Wahl von Reinigungstextilien und -geräten spielt eine Rolle. „Zu Hause habe ich einige Wischsysteme, ich bin immer interessiert an neuen Entwicklungen“, sagt Fackler. Vieles testet er auch direkt beim Kunden. „Man braucht ein offenes Ohr für die individuellen Bedürfnisse. Nur dann kann man Hilfestellungen bei Problemen bieten“, weiß der 62-Jährige.

Auch der Schritt vom Labor in die Produktion ist mit geänderten Rezepturen kniffelig: „Man muss zum Beispiel die Temperaturentwicklung von Reaktionen im Auge behalten“, warnt Fackler. Die enge Zusammenarbeit mit Kollegen aus dem Labor und der Fertigung ist für ihn deshalb unverzichtbar.

16-stellige Codes für alle Produkte ab Januar 2025

Gesetzliche Richtlinien beschäftigen den Chemiker ebenfalls: „Ab 2025 muss jedes Produkt einen 16-stelligen Code tragen“, erklärt er. Dieser „Unique Formula Identifier“ (UFI) soll spezifische Informationen zu Produkten mit gefährlichen Eigenschaften liefern.

Bewährt hat sich sein großes Netzwerk: „Gute Kontakte zu Lieferanten sind wichtiger denn je“, sagt Fackler, der mit Familie, Haus, Garten und eigenen Pferden einen Ausgleich zum Job findet. So ganz lässt ihn sein berufliches Interesse an professioneller Sauberkeit auch privat nicht los: „Beim Essengehen fasse ich schon mal unter den Tellerrand“, erzählt er mit einem Lachen. „Ist das Geschirrspülmittel falsch dosiert oder die Maschine falsch eingestellt, findet sich da manchmal ein dünner Belag aus Stärkeresten.“

Nachgefragt

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Nach dem Chemie-Studium habe ich in der Forschung gearbeitet und bin dann zur Industrie gewechselt. Durch Zufall landete ich in der Wasch- und Reinigungsmittelbranche, der ich seit über 30 Jahren treu bin.

Was reizt Sie am meisten?

Lösungen entwickeln für die unterschiedlichsten Probleme. Sich mit neuen Aufgabenstellungen zu beschäftigen und ein Produkt von der Pike auf so zu entwickeln, dass es unter realen Bedingungen beim Kunden funktioniert.

Worauf kommt es an?

Man braucht ein gutes Netzwerk und gute Mitarbeiter, der Austausch ist wichtig – kleine und mittelständische Unternehmen helfen sich gegenseitig.

Andrea Veyhle
Autorin

Nach dem Germanistik- und Anglistik-Studium absolvierte Andrea Veyhle ein Volontariat und arbeitete für eine Agentur. Seit 2007 ist sie freiberuflich für verschiedene Verlage tätig. Für aktiv berichtet sie in Reportagen über die Chemie in Baden-Württemberg und stellt mit Porträts die vielseitigen Berufsbilder der Branche vor. Außerdem erklärt sie, wo uns chemische Produkte im Alltag begegnen. In ihrer Freizeit experimentiert sie gerne in der Küche, Kalorien strampelt sie auf dem Rennrad wieder ab.

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