Emsdetten. Es knirscht und knackt im Nacken, es zwickt in Hüfte, Rücken oder Knie: Udo Hennekes und sein Kollege Georg Althoetmar haben in den vergangenen Monaten einige Erfahrungen mit Muskelverspannungen gemacht. „Ich sitze viel und mache lange Autofahrten“, sagt Hennekes. „Diese Verspannungen sind wirklich unangenehm.“
Der 50-Jährige ist Vertriebsmitarbeiter beim Vliesstoffhersteller TWE in Emsdetten, der 280 Beschäftigte hat. Wie sein Kollege ist Hennekes eigentlich ein sportlicher Typ: Er hat zum Beispiel schon an einem Triathlon teilgenommen. Auch Althoetmar, Leiter des Qualitätswesens, in der Freizeit Läufer und früher Handballer, war im Sportprogramm aktiv: „Neben den Wettkämpfen habe ich in der Fitnessschule mit Hantel- und Rumpftraining Muskelpartien gestärkt, um sie beim Laufen besser zu nutzen.“
„Viele sind noch in einem körperlichen Lockdown“
Doch dann kam der Lockdown. Fitnessstudios zu, sportliche Aktivitäten im Betrieb kaum machbar - und das über Monate. Das hatte oft spürbare Folgen. „Viele sind momentan sozusagen noch in einem körperlichen Lockdown“, beschreibt Personal Trainer Dirk Bläcker die Situation.
Grund genug also, einen Neustart zu wagen! Als ausgebildeter Fitnessfachwirt und Diplom-Sportlehrer, der schon seit über zehn Jahren die Sportaktivitäten bei TWE organisiert und durchführt, entwickelt Bläcker in diesem Frühjahr einen Fitness- und Vitaltest, an dem jeder aus der Belegschaft teilnehmen kann. Bei seiner Arbeit unterstützen Bläcker eine Physiotherapeutin und Simon Tönsmeyer, Arbeitsmediziner und Hausarzt in Emsdetten. Hennekes und Althoetmar gehören zu den Ersten, die sich durchchecken lassen. Dabei schaut sich Bläcker die Mobilität von Muskeln und Knochen an, fragt nach Einschränkungen, macht sich ein Bild vom Fitnesslevel – und von der ergonomischen Beschaffenheit der Arbeitsplätze.
Das Ergebnis: „Einige berichteten von Muskelverkrampfungen und Problemen mit dem Rückgrats“, so der Experte. Schnell ist klar: Das reine Sportprogramm soll ergänzt werden. Bläcker: „Wir sind deshalb in den therapeutischen Bereich eingestiegen und bieten eine Schmerztherapie an.“ Die findet auf Anfrage sogar im Betrieb statt. Hennekes und Althoetmar haben die Druckpunktbehandlung auf ihre Problemzonen inzwischen schon mehrere Male absolviert. „Der Vorteil ist, dass die Behandlungen vor Ort schnell organisiert sind“, sagt Hennekes. Ihm hätten die Sitzungen auch geholfen, sportlich wieder aktiver zu werden.
Der Sport soll auch Kolleginnen und Kollegen aus Verwaltung und Produktion zusammenbringen
Mittlerweile behandelt Bläcker acht Kolleginnen und Kollegen mit Problemen im Schulter- und Nackenbereich – typische Symptome vor allem bei sitzenden Tätigkeiten. Mit hoffentlich dauerhaftem Erfolg! „Ich stehe jetzt bei Telefonaten und wechsle oft von einem Bein aufs andere“, sagt zum Beispiel Hennekes. Zusätzlich arbeitet er wie viele aus seinem Team an höhenverstellbaren Schreibtischen.
Der Experte tourt auch durch die Büros und korrigiert etwa die Kopf- und Rückenhaltung an den Arbeitsplätzen
Was ihn besonders freut: Auch das betriebliche Sportprogramm ist nun reaktiviert. Hennekes fährt wieder einmal die Woche Mountainbike in einem TWE-Team, Althoetmar lässt sich zusätzlich zum Lauftraining im Fitnessstudio durch die Mangel drehen. Beide wollen nun auch bei Mitarbeitenden in der Produktion für das Fitness- und Sportprogramm werben. Denn der Sport bringt auch Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsgefühl. „Es ist gut, wenn unterschiedliche Typen aus Verwaltung und Produktion zusammenkommen“, findet Hennekes. Daran müsse man weiter arbeiten.
Althoetmar war da gerade erfolgreich: „Ich habe es geschafft, elf Mitarbeitende aus meinem Team zusammenzubekommen. Wir gehen jetzt Kanu fahren.“
Sozialstaat hilft beim Fitbleiben
- 23.200 Betriebe förderten 2019 die Fitness mithilfe der Kassen
- 240 Millionen Euro Zuschuss gab es dafür von den Krankenkassen
- 2,3 Millionen Beschäftigte wurden so direkt erreicht
Quelle: GKV-Präventionsbericht
Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.
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