Wird ein Schiff getauft, wünscht man ihm üblicherweise „allzeit gute Fahrt und immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel“. Dieser Wunsch dürfte demnächst auch die beiden Patrouillenboote begleiten, die aktuell bei Tamsen Maritim gebaut werden. Doch die für den Bundeszoll bestimmten Boote bleiben auch dann einsatzfähig, wenn der Wasserstand auf null sinkt.

Grundberührung ist kein Problem

Zum Beispiel im norddeutschen Wattenmeer, für das die 23 Meter langen Behördenschiffe von Tamsen entwickelt wurden. „Bei Ebbe können die Boote ohne Probleme trockengehen“, sagt Werft-Geschäftsführer Christian Schmoll.

Möglich wird dies durch ihre spezielle Konstruktion. Bei einem Tiefgang von nur 1,20 Metern verfügen sie am Unterboden über spezielle Finnen, die das Schiff beim Aufsetzen auf den Meeresboden stabil halten. Zudem sind im Rumpf die Schiffspropeller in Buchten integriert, sodass sie keinen Schaden nehmen, wenn der Rumpf einmal den Grund berührt.

Schmoll: „Es ist ein bisschen wie eine Premiere – erstmals seit 30 Jahren entstehen bei uns in Deutschland wieder Schiffe, die wattfähig sind.“

Aber auch in der traditionsreichen Werft im Rostocker Stadtteil Gehlsdorf wird mit den beiden Zollbooten ein neues Kapitel in der Firmengeschichte aufgeschlagen. „Nachdem wir vor sieben Jahren begannen, neue Seenotrettungsboote im Auftrag der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger zu bauen, haben wir mit den Patrouillenbooten nun den nächsten Schritt vollzogen, nämlich eigene Projekte zu entwickeln und umzusetzen“, sagt Schmoll.

Der 52-Jährige, gebürtig in Rheinland-Pfalz, begeisterte sich bereits als Kind für Schiffe. „Andere malten Autos oder Flugzeuge, ich malte Schiffe.“ Später studierte er in Bremen Schiffbau, und seit 2009 leitet und lenkt er die Geschicke von Tamsen Maritim.

Strategiewechsel zahlt sich aus

Vor dem Einstieg in den Neubau hatte sich das Unternehmen an der Warnow vor allem als Reparaturwerft profiliert. Bis zu 60 kleine und mittelgroße Schiffe werden pro Jahr turnusmäßig gewartet und instand gehalten und auch kurzfristig wieder flottgemacht. Behörden- und Fahrgastschiffe, Seenotrettungskreuzer, Schlepper, Spezial- und Forschungsschiffe sowie mit einem großen Anteil „graue Tonnage“ der Deutschen Marine.

In der strategischen Entscheidung, Tamsen Maritim langfristig zu einer Neubau- und Reparaturwerft zu entwickeln, sieht Schmoll es als großen Vorteil, „diesen Prozess aus einer Reparaturwerft heraus voranzutreiben“. In dieser Sparte seien die Mitarbeiter darin erfahren, „sehr komplex zu denken“.

Eine Eigenschaft, die sich beim Projekt der Patrouillenboote ausgezahlt hat. In der hohen Neubauhalle schaut Fertigungsleiter Peter Hobusch von der Galerie auf das Geschehen in der Halle. Die beiden in Blau gehaltenen Aluminium-Rümpfe liegen versetzt dicht beieinander.

Leistungsstark und umweltfreundlich

Noch sind die Schiffe ohne Deckshäuser, sodass der Blick frei in das Innere fällt. Unzählige Kabel, Rohre, Dämmmaterialien und Armaturen sind zu sehen, warten darauf, installiert und eingebaut zu werden. In einem Maschinenraum sind die Schiffbauer dabei, die zwei 880-Kilowatt-Motoren auszurichten und zu montieren.

„Die Aggregate erfüllen mit ihrem integrierten Abgasreinigungssystem die strengen Limits für Schiffsemissionen in der Ostsee“, verweist Hobusch auf die moderne und anspruchsvolle Technik an Bord.

Neben den Booten stehen die ebenfalls bereits vorgefertigten Deckshäuser. Der Innenausbau ist im vollen Gange. Von den Decken auf den Kommandobrücken hängen wie Girlanden meterlange Kabelschlaufen. Sind diese wie alle anderen Baugruppen und Ausrüstungen verbaut, naht die „Hochzeit“. Dann werden die Deckshäuser auf die Boote gehievt.

Clevere Maßnahme reduziert den Lärm

„Sie sind elastisch auf speziellen Kunststoffpuffern gelagert, sodass der Geräuschpegel auf der Brücke stark gedämpft wird“, beschreibt Hobusch eine weitere schiffbauliche Besonderheit der Konstruktion.

Der Maschinenbau-Ingenieur heuerte Ende 2014 bei Tamsen Maritim an; seit zwei Jahren ist er im Neubau beschäftigt, für den er auch die organisatorisch-technologischen Voraussetzungen mit geschaffen hat.

Der 47-Jährige zeigt auf eine breite Arbeitsbühne an der Hallenseite. In der Höhe reicht die Plattform, die neu errichtet wurde und auf der sich mehrere Werkbänke finden, an die Schiffsdecks heran. Für die Beschäftigten ein großer Vorteil, denn das macht, so Hobusch, „den Zugang zu den Booten leichter, und die Kollegen haben die Möglichkeit, Vormontagen oder Zuschnitte direkt vor Ort zu erledigen“.

Im Neubau-Bereich sind nach seinen Worten ganz neue koordinative und logistische Aufgaben zu bewältigen. Beispielsweise müsse mit vielen Zulieferern kooperiert werden, außerdem gebe es unzählige Schnittstellen in den verschiedenen Fertigungsprozessen.

Rund 30 Mitarbeiter sind mit dem Bau der ersten Patrouillenboote befasst. „In den Anfängen kam es darauf an, dass das Neubau-Team zu einer Einheit zusammenwächst“, resümiert Hobusch. „Jetzt sind es die Schiffe, die wachsen.“

Auch die Marine schätzt die Arbeit von Tamsen

Auf dem Gelände von Tamsen Maritim sind schiffbaulich Hightech und Nostalgie benachbart. Während in der zweiten Neubauhalle das zwölfte Boot einer Serie von Seenotrettungsbooten entsteht, ragen nebenan in den beiden Reparaturhallen zwei lang gediente Schlepper der Deutschen Marine mit ihren Aufbauten bis fast unters Dach. Die bereits 54 Jahre in Fahrt befindliche „Wangerooge“ zeigt sich vom alten Grau befreit und erwartet einen frischen Farbanstrich.

„Der Reparatursektor macht zurzeit etwa 50 Prozent unseres Umsatzes aus“, sagt Geschäftsführer Schmoll. „Einer unserer Hauptkunden ist die Marine. Wir sind dabei, uns auch hier im Neubau zu etablieren.“ So gelang es unlängst, mit einem eigenen Projekt einen Marine-Auftrag zum Bau von zwei Arbeitsschiffen zu ergattern. Aus Kapazitätsgründen werden die 20 Meter langen Schiffe gegenwärtig in Kooperation auf einer Werft in Tangermünde (Sachsen-Anhalt) produziert.

Im Maschinenraum des Marine-Schleppers „Langeness“, der vor 35 Jahren in Dienst gestellt wurde, macht Projektleiter Gregor Uloth anschaulich, wie sehr spezifisch und herausfordernd Instandhaltungen betagter Schiffe sind. „Anders als beim Neubau müssen wir mit den gegebenen Strukturen umgehen. Da ist jeden Tag große Flexibilität gefragt.“ Mal sind bestimmte Bauteile nicht mehr zu bekommen, mal ist zu entscheiden, ob eine Instandsetzung noch lohnt, und ein anderes Mal gilt es, neue Technik in alte Systeme zu integrieren. Dagegen erscheinen anfallende Holzarbeiten etwa an Türen und Schränken einfach. Doch auch hier sind spezielle Fähigkeiten gefragt, über die zumeist klassische Bootsbauer verfügen.

Spannendes Azubi-Projekt

Aus diesem Grund bildet Tamsen Maritim junge Leute auch in diesem Beruf aus, wie ein Projekt in der Nachbarhalle zeigt. Dort machen die beiden Azubis Jakob Engelmann und Johann Delf gerade ein acht Meter langes Motorboot für die Saison klar. Es ist ein besonderes Boot, auch weil es der Werft gehört. Die schmucke „Raja“ wurde von Azubis über zwei Jahre lang aus einem verrotteten Rettungsboot neu aufgebaut.