Duisburg. Ob Autos, Maschinen oder andere Güter: 3,2 Milliarden Tonnen wurden 2019 auf Deutschlands Straßen von heimischen Speditionen transportiert. Dagegen kamen die Binnenschiffe nur auf 200 Millionen Tonnen. Das soll sich ändern. Grund: Für das erwartete Wachstum des Güterverkehrs in den nächsten Jahren haben die Flüsse als einziger Transportweg noch großes Potenzial.
Auf dem Rhein ist noch viel Platz für mehr Verkehr
Das gilt vor allem für den Rhein, über den fast zwei Drittel des Binnen-Frachtverkehrs in Deutschland abgewickelt werden. Zumindest auf einigen Abschnitten, etwa in und um Köln, wäre eine Verdopplung des Schiffsverkehrs machbar.
Noch mehr Verkehr wäre mit autonom fahrenden Schiffen möglich. „Die Fahrzeiten ließen sich bei gleicher Besatzungsstärke ausdehnen, kleine Schiffe mit geringer oder gar ohne Besatzung könnte man flexibler einsetzen“, sagt Rupert Henn, Geschäftsführer des DST – Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme, das der Uni Duisburg-Essen angegliedert ist.
Wie das gehen könnte, daran wird in einem topmodernen Forschungslabor des DST getüftelt. Der Standort kommt nicht von ungefähr, schließlich hat Duisburg den größten Container-Binnenhafen der Welt.
Hier fiel kürzlich der Startschuss für „VeLaBi“, das Versuchs- und Leitungszentrum Autonome Binnenschiffe. Herzstück ist ein Steuerstand wie auf einem echten Kahn, in dem Schiffsführer um sich herum einen nachgebildeten Rheinabschnitt sehen – dank eines Projektorsystems mit 19 Beamern, die ein 360-Grad-Bild erzeugen, und das in 3-D.
Das Ziel sind Schiffe, die autonom fahren – das würde gleich zwei Probleme lösen
Diese Leitstelle kann in simulierten Notfällen direkt eingreifen und automatisierte Kähne fernsteuern. Das Ziel der Wissenschaftler sind allerdings Schiffe, die völlig autonom fahren. Zu forschen gibt es bis dahin noch einiges, so Henn: „Unter anderem geht es darum, Software zu entwickeln, die die Verkehrssituation erkennt und vorhersieht, Wassertiefe und Strömung erfasst und daraus eine Navigationsstrategie entwickelt. Zudem brauchen wir vor allem Sensoren für die notwendigen Messwerte.“
Wenn sein Schiff autonom fahren würde, könnte der Kapitän es vom Büro an Land aus überwachen. Die häufige tagelange Abwesenheit von zu Hause fiele dann weg.
Für die Schifffahrt wären damit gleich mehrere Probleme gelöst. Zum einen könnten die Schiffe praktisch rund um die Uhr fahren, während heute die Besatzung Ruhezeiten einhalten muss. Zum anderen hat die Branche Nachwuchsprobleme. Die Zahl der Binnenschiffer sinkt seit Jahren, und ein Drittel ist schon 55 Jahre alt oder älter.
Werner Grosch war lange Jahre leitender Redakteur einer Tageszeitung mit den Schwerpunkten Politik und Wirtschaft. Für aktiv schreibt er Reportagen aus Unternehmen der Metall- und Elektrobranche und porträtiert Mitarbeiter aus diesen Branchen mit ihren ungewöhnlichen Fähigkeiten oder Hobbys. Privat und beruflich ist er am liebsten mit dem Rad unterwegs.
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