Ingolstadt. Die Welt dreht sich gefühlt jeden Tag schneller – was heute innovativ ist, ist morgen uralt. Langfristige Investitionsentscheidungen in Betrieben zu treffen, wird zu einer noch größeren Herausforderung. Auch privat weiß niemand, ob etwa die Jobs von heute künftig noch die gleichen sind. Das Bayerische Foresight-Institut der Technischen Hochschule Ingolstadt setzt da an und forscht zu „Zukunftskompetenzen“. Worum es da geht, fragte aktiv den Institutsleiter Professor Jan Oliver Schwarz.
Was macht ein Zukunftsforscher?
Unser Institut beschäftigt sich mit der Frage, wie wir mit der Zukunft umgehen, und stellt die Antworten dann Unternehmen, Organisationen sowie Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung. Aber eigentlich bin ich mit dem Begriff „Zukunftsforscher“ nicht so glücklich.
Warum denn?
Das Wort setzt ja schon voraus, dass genau nur eine Zukunft möglich ist. Ich spreche lieber über „Zukünfte“, also in der Mehrzahl. Wir stellen die Frage, welche verschiedenen Optionen eintreffen könnten. Das gibt mir die Basis, zu entscheiden, worauf ich zusteuern möchte – und worauf nicht.
Wie finde ich heraus, was künftig möglich ist?
Indem ich zunächst meine Annahmen von der Zukunft hinterfrage. Wir sehen nicht immer, was alles möglich ist, weil manches unseren heutigen Wissensstand übersteigt.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Denken Sie mal an die früheren Vorhersagen, dass die zunehmende Digitalisierung zu Massenarbeitslosigkeit führen würde: Heute erleben wir das genaue Gegenteil davon! Ich sage meinen Studierenden immer, dass sie sehr skeptisch sein sollen, wenn jemand genau zu wissen glaubt, was kommen wird.
Was könnte uns helfen, künftige Entwicklungen zu verstehen?
Wir müssen uns die Zukunft bildlich vorstellen. Dabei kann uns Science-Fiction in Büchern und Filmen mögliche Wege aufzeigen.
Was lehrt uns Science-Fiction?
Ich nenne mal ein Beispiel: Vor Jahren überlegte ein Finanzdienstleister, ob Kunden sich von künstlicher Intelligenz beraten lassen würden. Das wurde verneint, weil alle sich Maschinen mit blechernen Stimmen vorstellten. Wir haben dann den Film „Her“ angeschaut. Darin verliebt sich ein Mann in eine Computerstimme. Die hört sich ganz menschlich und sympathisch an. Dadurch hat der Finanzdienstleister verstanden, dass gut gemachte künstliche Intelligenz vertrauenswürdig genug sein könnte, dass Menschen sich davon beraten lassen.
Science-Fiction schürt aber auch oft Ängste …
Ja. Man muss kritisch sagen, dass dieses Genre viele Dystopien beschreibt. Aber auch in dem Fall kann ich entscheiden, dass ich genau das nicht will. Es kommt immer darauf an, verschiedene Perspektiven aufzuzeigen und daraus Handlungsoptionen für die Gegenwart abzuleiten.
Funktioniert das auch im Privaten?
Das Thema ist natürlich sehr wirtschaftsgetrieben, Firmen stehen vor disruptiven Veränderungen wie Digitalisierung oder Dekarbonisierung. Doch für Unternehmen wie auch für Privatleute und die gesamte Gesellschaft gilt: Wir müssen miteinander in die Diskussion kommen, wohin es gehen soll. Dann erst gestalten wir unsere Zukunft!
Alix Sauer hat als Leiterin der aktiv-Redaktion München ihr Ohr an den Herausforderungen der bayerischen Wirtschaft, insbesondere der Metall- und Elektro-Industrie. Die Politologin und Kommunikationsmanagerin volontierte bei der Zeitungsgruppe Münsterland. Auf Agenturseite unterstützte sie Unternehmenskunden bei Publikationen für Energie-, Technologie- und Mitarbeiterthemen, bevor sie zu aktiv wechselte. Beim Kochen und Gärtnern schöpft sie privat Energie.
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