Frankfurt. Das gab es bei den Top-Events der hessischen Wirtschaft noch nie: Gleich vier Spitzen der hessischen Hochschulen waren zu Gast beim 32. Hessenforum, das im Mai in der Klassikstadt in Frankfurt stattfand: Im Wissenschafts-Talk stellten die Hochschulkooperationspartner des Arbeitgeberverbands Hessenmetall den rund 230 Gästen Best-Practice-Beispiele von anwendungsbezogenem Technologietransfer vor.

Mit Dirk Pollert, Hauptgeschäftsführer von Hessenmetall, diskutierten sie, wie der Austausch von Ideen, Wissen und neuen Technologien die Wirtschaft voranbringen kann. Etwa durch künstliche Intelligenz in der Medizintechnik oder durch innovative Leichtbaustoffe für die Bau- und die Automobil-Industrie.

Zuvor hatten in einem Business-Talk die Unternehmer Julia Reichert, geschäftsführende Gesellschafterin der ROEMHELD Gruppe in Laubach, sowie Uwe Bartmann, CEO Siemens Deutschland, und Ralph Wangemann, Geschäftsführer Personal und Arbeitsdirektor von Opel Automobile in Rüsselsheim, neue Ideen und innovative Geschäftsmodelle vorgestellt, über die sie die Herausforderungen unserer Zeit meistern wollen. aktiv berichtete in der vorigen Ausgabe.

„So wie jede Branche und jedes Unternehmen verfügen auch die Hochschulen über eigene Expertise“, betonte Pollert. Ziel sei es nun, universitäre Forschung und Unternehmenspraxis zu einem Innovationsaustausch mit am Ende marktreifen Ergebnissen zusammenzubringen. Pollert: „Gerade durch den Strukturwandel wird es immer wichtiger, in stetem Kontakt zu den Hochschulen zu stehen, um neue Ideen und Technologien in die unternehmerische Praxis umsetzen und so bessere Prozesse und Produkte entwickeln zu können.“

Wie Professorin Tanja Brühl betonte, die Präsidentin der TU Darmstadt, denke, lehre und agiere man in allen Bereichen von Beginn an interdisziplinär, über Fachbereiche und auch über die Hochschulgrenzen hinaus. „Das ist eine Stärke, die in Zukunft noch wichtiger sein wird und dem German Engineering Auftrieb geben wird“, so die Professorin.

Forscher und Anwender leichter zusammenbringen

Damit auch Unternehmen von dieser Stärke profitierten, baue man an der TU gerade ein Transfer-Informationssystem auf. Die Idee: per Knopfdruck sehen, wer was in den Unternehmen braucht. So könnte man Forscher und Entwickler mit den Anwendern viel leichter zusammenbringen.

„Wenn Praxis und Theorie aufeinandertreffen, können sich fantastische Symbiosen und Möglichkeiten entwickeln“, ergänzte der Kanzler der Uni Kassel, Dr. Oliver Fromm, und nannte als Beispiel das Fachgebiet Gießereitechnik. Hier zählt Kassel zu den führenden Forschungs- und Bildungseinrichtungen international, dank grundlagenorientierter und industriell ausgerichteter Forschungsprojekten.

Die dienen vor allem der zielgerichteten Entwicklung neuer Leichtbau-Werkstoffe und -Anwendungen auf Aluminium- und Magnesiumbasis – etwa für den Fahrzeugbau – sowie innovativer Verfahren zu deren gießtechnischen Herstellung und Verarbeitung. Fromm: „Gemeinsam trägt man so zu wirtschaftlichem und wissenschaftlichem Erfolg bei.“

Um Ideen, Wissen und Technologien leichter in die Praxis bringen zu können und aus der Praxis aufzunehmen, gründete die Frankfurt University of Applied Sciences im Frankfurter Nordend das House of Science and Transfer, kurz HoST. „Es ist ein Ort partizipativen Transfers, denn Transfer geht nur gemeinsam“, so Professor Frank E. P. Dievernich, deren Präsident.

Neue Geschäftsfelder gemeinsam erschließen

Die Hochschule ist stark in Ingenieurwissenschaften und Architektur und führend, wenn es um Logistik und Mobilität geht oder auch um die Zukunft des Alterns oder des Wohnens. Eine eigens aufgebaute Musterwohnung wird immer wieder aktualisiert über den Einbau neuer Technologien. Dievernich: „Vieles funktioniert dort schon per Knopfdruck und macht das Leben leichter.“

Professor Matthias Willems, Präsident der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM), setzt auf die Übertragung der in den Unternehmen vorhandenen Kompetenz für neue Anwendungsgebiete: „Die vorhandene technische Expertise ist extrem wichtig, um sich etwa mithilfe künstlicher Intelligenz neue Geschäftsfelder zu erschließen.“ Und solche Neuerungen glückten vor allem, wenn man Köpfen aus verschiedenen Disziplinen und aus den Unternehmen Raum gebe, gemeinsam kreativ zu werden.

Weitere Infos: hessenmetall.de

Austausch zwischen Theorie und Praxis beim Hessenforum

HESSENMETALL und die Hochschulen

HESSENMETALL ist der Arbeitgeberverband der größten Industrie in Hessen und vertritt die Interessen von über 650 Mitgliedsunternehmen aus der Metall-, Elektro- und IT-Industrie mit rund 130.000 Beschäftigten.

Um den Unternehmen den Zugang zu Forschung und Wissenschaft zu erleichtern, startete der Verband vor vier Jahren die Zusammenarbeit mit verschiedenen hessischen Hochschulen. Schwerpunkte der gemeinsamen Aktivitäten liegen auf Forschung, Weiterbildung und Recruiting.

Der erste Kooperationsvertrag wurde 2018 mit der Technischen Universität Darmstadt unterschrieben. 2019 folgten entsprechende Vereinbarungen mit der Universität Kassel und mit der Technischen Hochschule Mittelhessen. Ein weiteres Abkommen unterzeichneten die Frankfurt University of Applied Sciences und Hessenmetall Anfang 2021.

262.759 junge Menschen studierten 2021/22 in Hessen.

Maja Becker-Mohr
Autorin

Maja Becker-Mohr ist für aktiv in den Unternehmen der hessischen Metall-, Elektro- und IT-Industrie sowie der papier- und kunststoffverarbeitenden Industrie unterwegs. Die Diplom-Meteorologin entdeckte ihr Herz für Wirtschaftsthemen als Redakteurin bei den VDI-Nachrichten in Düsseldorf, was sich bei ihr als Kommunikationschefin beim Arbeitgeberverband Hessenchemie noch vertiefte. In der Freizeit streift sie am liebsten durch Wald, Feld und Flur.

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