Es brummt und zischt. Im Innern der großen Waschanlage läuft eine lange Stoffbahn in schnellem Tempo über Rollen, sozusagen von Abteil zu Abteil. Aus dem tropfnassen Textil steigt heißer Dampf in die Luft – aber nur ausnahmsweise: für ein aktiv-Foto in der Werkhalle des Textilveredlers van Clewe in Dingden am Niederrhein.
„Normalerweise steigt da natürlich kein Dampf auf“, sagt Geschäftsführer Ansgar van Clewe mit einem Lächeln. Normalerweise ist alles dicht. Aber so kann der Mann einen seiner wichtigsten Produktionsfaktoren zeigen: Energie – in Form von Dampf!
„Wir sind sozusagen ein energiehungriger Betrieb: Unsere Prozesse brauchen neben Dampf, Heißwaschwassern und Strom auch Wärme“, sagt van Clewe. Deshalb spüren er und sein Geschäftsführerkollege Kevin Bartelt jede Kilowattstunde Energie auf, die sie noch einsparen können.
Die Dingdener jonglieren so täglich mit den Verbrauchszahlen für Energie. Dank eines ausgeklügelten Sensorsystems können sie die Wasser-, Strom- und Dampfverbräuche jederzeit ablesen, sie sogar jedem einzelnen Kundenauftrag zuordnen – und erkennen, wo noch Einsparpotenzial steckt.
„Wir sind sozusagen ein energiehungriger Betrieb: Unsere Prozesse brauchen neben Dampf, Heißwaschwassern und Strom auch Wärme“
Firmenchef Ansgar van Clewe
So arbeitet zum Beispiel die Waschanlage, durch die jährlich neun Millionen Meter Textilien laufen, mit 70 Grad heißem Wasser. Es läuft im Kreis: zunächst aus der Produktion in die Abwasserreinigung. Danach heizt ein Strom erzeugender Motor nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung das Wasser wieder auf, bevor es zurück in die Produktion fließt. „Das heiße Wasser führen wir also wieder in die Waschprozesse zurück. Den erzeugten Strom nutzen wir in der Produktion“, erklärt van Clewe.
Auf der To-do-Liste stehen noch rund 500 Einsparmaßnahmen
Zu den vielen Anlagen im Betrieb gehört auch eine Digitaldruckmaschine. Sie bedruckt seit drei Jahren Hosenstoffe für deutsche Modemarken.
„Diese Anlage läuft zwar langsamer als eine herkömmliche Siebdruckmaschine“, so der Chef, „und Farben und Hilfsmittel sind noch teuer.“ Aber: Die Maschine verursacht so gut wie keinen Ausschuss mehr! „Nach wenigen Zentimetern steht das Design ordentlich auf dem Textil.“ Eine Siebdruckmaschine verbraucht dafür schon mal bis zu 30 Meter. Auch hier schöpfen die Dingdener das Einsparpotenzial aus. Vor- und Nachteile gründlich abwägen – darum geht es auch bei der To-do-Liste in Sachen Energiesparen. Der Firmenchef hat für den großen Maschinenpark eine 55 Seiten starke Liste mit rund 500 einzelnen Maßnahmen erstellt.
Manches ist schon umgesetzt. Seit ein paar Monaten gibt es hier eine Photovoltaik-Anlage, die für den Betrieb Strom liefert, und eine Gasturbine, die für einen der sechs Spannrahmen die nötige Hitze produziert – Investitionsvolumen: insgesamt 1,5 Millionen Euro.
Es geht erst mal nur darum, das frühere Kostenniveau zu halten
In den Spannrahmen laufen die für die Ausrüstung von Textilien wichtigen Trocknungsprozesse ab. Anfang des Jahres wurde die Turbine bestellt, seit drei Monaten läuft sie. „Einbau und Abstimmung auf den Spannrahmen sowie auf die verarbeiteten Textilien haben gut funktioniert: Binnen zwei Wochen war alles einsatzbereit“, sagt van Clewe. Jetzt denkt er darüber nach, andere Spannrahmen mit weiteren Gasturbinen zu bestücken. „Man könnte meinen, wir hätten damit ein großes Einsparpotenzial gehoben“, sagt Betriebswirt Bartelt, „aber das ist leider nicht so.“ In den letzten Jahren sind die Energiepreise bekanntlich massiv gestiegen. Folge: „Die Investitionen, die wir jetzt getätigt haben, verhindern lediglich, dass uns die Kosten davonlaufen. Wir mussten investieren, um wenigstens das Energiekostenniveau von 2021 halten zu können“, so Bartelt.
„Die Investitionen, die wir jetzt getätigt haben, verhindern lediglich, dass uns die Kosten davonlaufen“
Betriebswirt Kevin Bartelt
Firmen-Chef van Clewe ist überzeugt, das sich das finanzielle Engagement lohnt: „Solche Investitionen machen uns unabhängiger von den verrückten Preissprüngen auf dem Energiemarkt.“ Deshalb will man weiterhin bei den Energiekosten gegenhalten. Der Firmenchef hat die Erfahrung gemacht: „Drehe ich an der Kostenschraube und spare Energie, kommt das auch der Umwelt zugute. Prüfe ich die Prozesse und optimiere, wirkt sich das auf die Qualität der Produkte positiv aus.“
Das Unternehmen
- Die Firma Gerhard van Clewein Dingden wurde 1954 gegründet. Sie rüstet als Lohnveredler Stoffe für Kunden aus der Textil- und Mode-Industrie aus.
- Solche Textilien stecken etwa in Sonnenschutz-Rollos oder Matratzen-Auflagen.
- Für die Mode-Industrie kann der Betrieb Stoffe schmirgeln, rauen oder bleichen – und sie digital bedrucken.
- Die rund 180 Mitarbeiter bedienen dafür mehr als 50 Anlagen und Maschinen.
Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.
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