Leipzig. Sonne statt Kohle: Wo sich früher mächtige Schaufelradbagger durch den Boden wühlten, wird bald ein Meer von schimmernden Solarpaneelen die Kraft der Sonne einfangen. 30 Kilometer südlich von Leipzig entsteht in einem ehemaligen Braunkohle-Revier Europas gigantischster Solarpark – mit einer Fläche von 503 Hektar so groß wie 700 Fußballfelder.
Im Sommer 2023 soll das 500 Millionen Euro teure Projekt mit einer Gesamtleistung von 650 Megawatt ans Netz gehen. Die Mega-Sonnen-Power aus 1,1 Millionen Solarmodulen wird ausreichen, um fast 200.000 Vier-Personen-Haushalte mit Strom zu versorgen.
Sonnenstrom-Anlagen auf großen Flächen sind lukrativ – doch sie führen zu einem Konflikt
Sonnenstrom vom Acker erlebt einen Boom, vor allem im Osten Deutschlands. So gingen laut der Rechercheorganisation Correctiv seit 2019 allein in Brandenburg mindestens 366 Anfragen für Solarprojekte ein. Die Module sind inzwischen so billig, dass sich die Erzeugung von Solarstrom auch ohne Förderung rechnet.
Das Problem: Öko-Energie und Ackerbau kommen sich in die Quere. Der Göttinger Agrarökonom Achim Spiller spricht von einem „Zielkonflikt“. „Wir sind bei der Welternährung schon heute an der Kapazitätsgrenze.“ Weltweit würden mehr als 800 Millionen Menschen hungern. Deutschland sei gerade jetzt ein wichtiger Getreideexporteur.
Deshalb sollen nach den Vorstellungen der Bundesregierung Solaranlagen vor allem auf Dächern oder am Rand von Schnellstraßen und Zugstrecken entstehen. Sie drückt aufs Tempo: 2030 soll die installierte Photovoltaik-Leistung 215.000 Megawatt erreichen – fast viermal so viel wie 2021. Die Erneuerbaren, also Sonnen- und Windenergie, werden in neun Jahren 80 Prozent zur Stromerzeugung beitragen, so der Plan. Derzeit sind es laut Branchenverband BDEW knapp 50 Prozent.
Auf Deutschlands Dächern ist noch viel Platz
Deutschland liegt im Plan: So kamen nach Berechnungen der Bundesnetzagentur im ersten Halbjahr 141.000 neue Photovoltaik-Anlagen mit 3.900 Megawatt Gesamtleistung hinzu, ein Plus von einem Drittel im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2021.
Vor allem die Eigenheime bieten ein riesiges Potenzial für den Sonnenstrom. 10,8 Millionen Ein- und Zweifamilienhäuser verfügen über Dächer, die einen wirtschaftlichen Betrieb ermöglichen, so ein neuer Report des Ökoenergie-Anbieters Lichtblick. Würden alle Dächer mit Solarzellen ausgestattet, ließe sich so viel Strom erzeugen wie von zehn Kohlekraftwerken. Noch sind lediglich 16 Prozent ausgerüstet.
Während die Ampelkoalition noch an konkreten Plänen für eine bundesweite Solarpflicht auf Neubauten bastelt, ist diese in einigen Bundesländern schon Realität. Mehr noch: Baden-Württemberg etwa weitet sie per Gesetz ab 2023 sogar auf bestehende Gebäude aus.
Erdbeeren oder Gemüse gedeiht unter Solarmodulen
Derweil planen Investoren weitere Solarparks. Und die Regierung möchte solche verstärkt fördern, die auch eine landwirtschaftliche Nutzung ermöglichen. Dafür müssen allerdings die Solarmodule so hoch aufgestellt werden, dass darunter etwa Erdbeeren oder Gemüse wachsen können und genug Platz ist für kleinere Landmaschinen. Hierzulande stehen bislang nur wenige solcher Anlagen, meist zu Forschungszwecken. Im Ausland ist man da weiter: Allein in Japan gibt es mehr als 3.000 dieser sogenannten Agri-Photovoltaik-Anlagen.
Doch Deutschland holt auf. So wollen die Macher des geplanten Mega-Solarparks bei Leipzig auch eine landwirtschaftliche Nutzung erproben.
Die spannendsten Solarparks
Wasser-Strom: Deutschlands größte schwimmende Photovoltaik-Anlage ist jüngst in Haltern am See (Nordrhein-Westfalen) in Betrieb gegangen. Sie wird künftig jährlich etwa drei Millionen Kilowattstunden Strom produzieren.
Dreh-Strom: In Lottorf (Schleswig-Holstein) ist Deutschlands größter Solarpark mit drehbaren Modulen eingeweiht worden, die dem Lauf der Sonne folgen. Sie liefern insgesamt 20 Millionen Kilowattstunden Strom.
Ost-Strom: Im brandenburgischen Werneuchen steht seit Ende 2020 Deutschlands größter Solarpark. Auf 164 Hektar gingen Solarmodule mit einer Leistung von 187 Megawatt ans Netz.