Plettenberg. Zielstrebig steuert Viviane Schmitz das Display einer CNC-Maschine an. Ohne Scheu huschen ihre Finger über das Display. „Es interessiert mich, wie das bedient wird und was hier entsteht“, sagt die 15-Jährige, die gerade in einem Ausbildungszentrum Praxisluft schnuppert.
Ihr Vater ist Industriemechaniker. „Er hat bei mir die Neugier an technischen Zusammenhängen geweckt.“ Bei einem Autozulieferer machte sie ein Schülerpraktikum – und die Arbeit mit Messwerkzeugen gefiel ihr so gut, dass feststand: „Ich will Zerspanungsmechanikerin werden.“
Das Beispiel von Viviane Schmitz, einer Neuntklässlerin aus Plettenberg im Sauerland, zeigt: Die Industrie kann durchaus auch weibliche Nachwuchskräfte für Technik begeistern. Der jährliche „Girls’ Day“ etwa, bei dem Betriebe bundesweit ihre Türen öffnen – er setzt an der richtigen Stelle an.
Initiative soll Irrwege verhindern
Seit den Sommerferien macht sich Viviane – gemeinsam mit vier Schulkameradinnen – in diesem Sinne auf den Weg. Die fünf Mädchen besuchen die „Profilgruppe Industrie“ des Kompetenzzentrums Berufsorientierung an der Zeppelin-Schule Plettenberg – kurz KBOP. „Ich habe das erste Mal so viele Mädchen“, sagt Lehrerin Karin Gabriel.
In Plettenberg will man früh das Interesse der Mädchen an Technik wecken. Deshalb besuchen schon Sechst- und Siebt- klässlerinnen Workshops in Betrieben der Umgebung. Bundesweit gibt es ähnliche Initiativen zur Berufsorientierung an 3.000 Schulen. Die Jugendlichen absolvieren Praktika, betrieblichen Werkstattunterricht und eine Potenzialanalyse.
Meist sind es Jungen, die darauf abfahren.
„Dabei sind technikinteressierte Mädchen für die Industrie ein Schatz, um dem Fachkräftemangel zu begegnen“, sagt Elisabeth Schöppner, Projektleiterin der Koordinationsstelle des Girls’ Day.
Berufswünsche der Jugendlichen seit Jahren wie festbetoniert
Das Problem: Der Berufswunsch vieler Jugendlicher sei seit Jahren wie festbetoniert. Jungen wählen oft den Kraftfahrzeugmechatroniker, Mädchen kaufmännische, Sozial- oder Dienstleistungsberufe.
Vivianes Freundin Festina Hoxha kann das verstehen. „Viele Betriebe sind Männergesellschaften. Frauen glauben, da nicht akzeptiert zu werden“, sagt die 16-Jährige.
Vorurteile sind immer noch weit verbreitet
Hinzu kommen Vorurteile: Technische Berufe seien körperlich zu schwer, weibliche Stärken kämen in Sozialberufen besser an. Festina hatte Glück. Ihr Vater unterstützte sie beim Wunsch, Anlagenführerin zu werden. Die Mutter überzeugte sie, als sie bei einem Aushilfsjob fräsen musste und weiter zu ihrem Berufswunsch stand.
Andere kommen über Umwege in die Industrie, wie Isabella Colle (14): „Ich machte ein Friseurpraktikum, das ging daneben, Föhnwellen sind doch nicht mein Ding.“ Nun sitzt sie in der Profilgruppe und möchte Industriemechanikerin werden. Nur 1.000 Frauen in Deutschland lernen diesen Beruf.
Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.
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