Die glänzenden Bänder, die die Spaltanlage unter den wachsamen Augen von Jens Langwieler schneidet, sind überraschend dünn. Kaum vorstellbar, dass sie später einmal vor Kälte und Lärm schützen, unerwünschte Besucher fernhalten, Stürmen trotzen und Gewehrkugeln standhalten. Und doch können sie all das, wenn sie die Produktionskette bei Ferdinand Braselmann in Ennepetal durchlaufen haben. Das Profilwalzwerk ist unter anderem Spezialist für Industrie-Rolltore, und die haben es in sich.

Die Qualität steckt einmal mehr im Detail. Die Bänder aus Stahl oder Aluminium werden auf langen Walzgerüsten zu ein- oder doppelwandigen Profilen gewalzt, geformt und gestanzt, je nach Bedarf mit eingelegten Spezialprofilen verstärkt oder mit einem Zwei-Komponenten-Schaum ausgespritzt. Von Hand werden die schmalen Stäbe zum Rolltor zusammengesetzt und an den Enden vernietet, bevor sie akkurat und präzise aufgerollt werden. Torbreiten bis zu 28 Meter sind möglich – für den Mülheimer Flughafen waren es auch schon mal 33 Meter.

Strahlend rot oder tiefbau? Braselmann liefert in unterschiedlichsten Farben

Die unterschiedlichsten Farbwünsche werden erfüllt. Im Trend liegt Anthrazitgrau, aber selbst ein Muster aus Sichtfenstern ist kein Problem, auch wenn es da beim Rapport knifflig wird. Die Königsklasse sind bandlackierte Stähle, strahlend rot oder tiefblau zum Beispiel. „Da kann bei der Profilierung nichts abplatzen“, erklärt Daniel Filbrand, seit September 2020 neben seinem Onkel Frank Braselmann Geschäftsführer. Sollte das bei einem der pulverbeschichteten Profile mal der Fall sein, geht aber auch das nicht so aus dem Haus. Schon bei der Montage wird darauf geachtet und nachgebessert. Diese „Werker-Kontrolle“ zieht sich durch alle Stationen.

Das bürgt für Qualität. Und die zahlt sich aus. Seit 1933 produziert das 136 Jahre alte Familienunternehmen kaltgewalzte Profile. 1960 entwickelte der Großvater von Daniel Filbrand das erste doppelwandige Rolltorprofil. Geliefert werden die Stäbe an Firmen, die daraus selbst für ihre Kunden Rolltore zusammensetzen. Seit 2005 baut Braselmann zudem auch komplette Anlagen. So viel wie zurzeit war aber noch nie zu tun.

„Regulär bauen wir 60 bis 80 Komplettanlagen in der Woche. Jetzt steuern wir die 120 an“, sagt Filbrand. Im vergangenen Jahr waren es 3.200 Anlagen, insgesamt rund 7.000 Tore. „Das freut uns natürlich, aber wir müssen aufpassen, dass das System nicht platzt.“

Zusätzliche Anlage, moderne Software, neue Mitarbeiter

Nicht nur die Rolltore sind deshalb bei Braselmann in Bewegung. Im vergangenen Jahr wurde eine neue Halle gebaut, weil man an die Kapazitätsgrenze stieß. Im Vorfeld nahm ein Arbeitswirtschaftsingenieur des Märkischen Arbeitgeberverbands auch die Produktionsabläufe unter die Lupe und machte Verbesserungsvorschläge. „Da galt es, Laufwege zu verkürzen, Material sinnvoller zu lagern oder Infos direkter an die Mitarbeiter zu bringen“, beschreibt Filbrand die vorgeschlagenen Maßnahmen.

Noch bevor sie alle umgesetzt werden konnten, war bereits eine Neuplanung fällig. Ende 2020 übernahm Braselmann die Fertigung der Alu-Rolltore vom Geschäftspartner Alpha/Novoferm. Die Anlage ist gut integriert. Jetzt steht die Einführung eines ERP-Systems an. „Es sind zu viele Zettel und Listen unterwegs. Bei der Auftragsmenge brauchen wir eine übersichtliche Struktur“, begründet Filbrand.

Ein Ende des Hypes ist nicht in Sicht

Für die rund 80 Mitarbeiter bringt das viele Neuerungen mit sich. Nicht jedem fällt die Umstellung leicht, aber Geschäfts- und Betriebsleitung setzen auf ihren Einsatz. Den zeigen sie ja auch schon: Im Moment ist die Mehrarbeit kein Thema. „Alle ziehen mit.“ Der höheren Stundenzahl stehen sehr flexible Arbeitszeiten gegenüber. Zwischendurch mal ein paar Stunden raus, weil die Familie einen braucht? Kein Problem.

Derweil wächst die Belegschaft. In der Produktion sind in diesem Jahr schon fünf neue Mitarbeiter eingestellt worden. Auch die Ausbildung wollen Filbrand und sein Onkel ausbauen. Denn das Unternehmen sehen sie auf einem guten Weg, und ein Ende des Rolltore-Hypes, von manchem in der Branche vorhergesagt, ist nicht in Sicht.

Rolltore für ein Nato-Projekt in Polen

„Wir versuchen, die Innovationskraft hochzuhalten“, so Filbrand. Besondere Konstruktionen für extreme Windstärken, Schnelllauftore, die sich mit 1,7 Metern pro Sekunde öffnen und schließen, integrierte Sichtfenster, die Nutzung von Edelstahlgewebe oder der Online-Rolltorkonfigurator gehören dazu. Das bieten wenige, und das merkt man auch international.

„Wir spielen in der 2. Bundesliga, aber da allein“

Frank Braselmann, Geschäftsführer

Fast die Hälfte der Produktion geht ins Ausland: hier 280 Rolltore für ein Nato-Projekt in Polen, da Profile für Abu Dhabi oder 250 Tore für die englische Supermarktkette Tesco. Gerade Großbritannien und Irland sind starke Märkte, noch wirkt der Brexit sich da nicht allzu negativ aus.

Vielversprechend ist auch die neue Dependance in Australien. „In dem Land setzt gerade ein Umdenken ein, in Sachen Schutz vor Feuer und Wasser – und bei Sicherheitselementen wie Fangvorrichtungen und Laserstopp“, so Filbrand. Die Qualität aus Ennepetal ist gefragt, auch wenn sie nicht die größten Anbieter sind. Wie sagt Frank Braselmann so schön: „Wir spielen in der 2. Bundesliga, aber da allein.“

Begegnung mit...

Sein Ding: Am liebsten arbeitet Suliman Arznjani an der Kaltwalze.

Suliman Arznjani: Sprachkurs öffnet Tür

Walze 18 hat es Suliman Arznjani angetan. „Ich liebe sie“, sagt er und lächelt. Zurzeit arbeitet der 34-Jährige in der Montage, aber die Anlage liegt ihm am Herzen. Ein Jahr lang hat er sie bedient und Profile für Führungsschienen gewalzt. Es war eine seiner ersten Stationen bei Braselmann. „Er hatte sofort alles drauf, hat sich schnell in die Prozesse eindenken können“, lobt sein Chef. Ein Grund, weshalb der junge Mann nach einem Praktikum 2017 übernommen wurde.

Mit dem Metall vertraut

Die Arbeit mit Metall war für den Syrer nichts Neues. In seiner Heimat hat er drei Jahre eine Berufsschule besucht. Drehen, fräsen, bohren – viel anders lief das auch da nicht. In einem Warmwalzwerk hat er gearbeitet, bevor er 2014 Damaskus verließ. „Ich bin vor dem Krieg geflohen, ich konnte nicht bleiben“, sagt er. Der Weg nach Deutschland über Libyen und das Mittelmeer, mit dem Auto, zu Fuß und mit dem Boot war lang: „Ich hatte keine Wahl.“

In Hagen gelandet, kam er über den Sprachkurs zu Braselmann und blieb. In einigen Wochen wird seine Frau endlich nachkommen. Fünf Jahre hat er sie nicht gesehen. Eine Wohnung hat er schon gefunden.

Nachgefragt

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Ich habe mich immer schon mit Technik beschäftigt. Hier habe ich ein Praktikum gemacht, das hat mir gut gefallen.

Was reizt Sie am meisten?

Ich liebe die Arbeit an der Walze, ein Jahr lang habe ich das gemacht. Hier passieren viele wichtige Sachen.

Worauf kommt es an?

Es ist wichtig, auf die Maße zu achten, alles gerade einzustellen. Man muss sauber arbeiten.

Hildegard Goor-Schotten
Autorin

Die studierte Politikwissenschaftlerin und Journalistin ist für aktiv vor allem im Märkischen Kreis, Hagen und dem Ennepe-Ruhr-Kreis unterwegs und berichtet von da aus den Betrieben und über deren Mitarbeiter. Nach Studium und Volontariat hat sie außerdem bei verschiedenen Tageszeitungen gearbeitet und ist seit vielen Jahren als freie Journalistin in der Region bestens vernetzt. Privat ackert und entspannt sie am liebsten in ihrem großen Garten

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