Nein, aufgeben will der kleine Roboter nicht, immerhin hat er schon etliche Schikanen auf dem Parcours gemeistert und ist nun kurz vor dem Ziel. Aber so sehr er sich auch müht, er kommt einfach nicht weiter und stößt immer wieder an das gleiche Hindernis.

Da ist nichts zu machen, das erkennen auch seine jungen Konstrukteure, die neben der großen Platte stehen und den Weg ihres Robots mit Spannung verfolgt haben. „Lack of progress“, stellt der Schiedsrichter zum dritten Mal in diesem Lauf fest, und ein Teammitglied hebt den Roboter vom Parcours. Diesmal hat es nicht gereicht, aber es gibt ja insgesamt fünf Durchgänge. Und wie wir von Rocky Balboa wissen: Es ist erst dann vorbei, wenn es vorbei ist …

Welches Team fährt zur DM nach Kassel?

Vorbei ist an diesem Sonntagvormittag noch lange nichts, denn der Wettkampf hat gerade erst begonnen. Genauer gesagt: das Turnier der Nordmetall RoboCup Junior Qualifikation, bei der heute drei Schüler-Teams der Einsteiger- liga „Rescue Line Entry“ um einen Startplatz bei der Deutschen Meisterschaft in Kassel kämpfen.

Der Begriff „Rescue Line“ (auf Deutsch: Rettungsgasse) deutet bereits an, um was es geht: Die von den Schülern programmierten Roboter müssen Aufgaben von echten Such- und Rettungsrobotern meistern, und das innerhalb einer bestimmten Zeit. Sie haben exakt acht Minuten, um einem komplizierten Pfad mit mehreren Hindernissen zu folgen und kleine Objekte zu retten, wie Henning Haschke erklärt.

Der promovierte Biomechanik-Ingenieur ist Geschäftsführer von „robotik@TUHH“ und Leiter der Koordinierungsstelle dual@TUHH, die eingerichtet wurde, um über das duale Studium an der Technischen Universität Hamburg (TUHH) zu informieren. Hintergrund: Die TUHH in Harburg war Deutschlands erste technische Uni mit einem dualen Studium und hat diese Variante bereits 2003 gemeinsam mit dem Arbeitgeberverbänden Nordmetall und AGV Nord auf den Weg gebracht.

Haschke: „Im gleichen Jahr haben wir robotik@TUHH gegründet, um Jugendliche über eigene praktische Erfahrungen mit Programmierung und Robotertechnik für ein Studium oder eine Ausbildung im Technikbereich zu motivieren. Das Besondere daran ist die Einbindung von studentischen Tutoren, die durch uns ausgebildet werden.“

Diese Tutoren betreuen auch das RoboCup-Turnier, das an diesem Wochenende ausgetragen wird. Am Vortag ging es um die Liga „Rescue Line“, heute steht „Rescue Line Entry“ auf der Agenda. Der Unterschied zwischen beiden ist, dass die Entry-Liga sich speziell an jüngere Teilnehmer bis 14 Jahre richtet und einige Vereinfachungen enthält.

Wochenlang auf den Wettkampf vorbereitet

Das heißt jedoch nicht, dass der Wettkampf für die kleinen Roboter ein Spaziergang wäre. Die drei Teams, die heute teilnehmen, wissen das und haben sich in den vergangenen Wochen akribisch auf den großen Tag vorbereitet.

Zwei von ihnen – die Teams „atheBallacks“ und „atheBots“ – kommen vom Gymnasium Athenaeum Stade, das dritte besteht aus drei Hamburger Schülern und tritt unter dem Namen „Checkmate“ (deutsch: schachmatt) an.

Die Betreuer von der TUHH haben alles perfekt organisiert, jedes Team hat einen eigenen Raum und kann dort in aller Ruhe die letzten Vorbereitungen treffen. Die „Checkmates“ werden von zwei Vätern begleitet, die beiden anderen Teams von ihrem Lehrer Thomas Allion, der Mathematik, Physik und Informatik unterrichtet.

Während die einen Schüler hoch- konzentriert vor dem Laptop sitzen, um ein letztes Mal die Programmierung ihres Roboters zu prüfen, schicken die anderen ihr Gefährt schon über den Übungs-Parcours im Flur und ziehen sich dann zur Manöverkritik zurück. Alle wissen: Wenn sie sich heute für die Deutsche Meisterschaft in Kassel qualifizieren, könnten sie dort das Ticket für die WM in Thailand lösen. Und dieses Ziel spornt alle an.

Starke Leistung schon im ersten Durchgang

Als es um 11 Uhr endlich losgeht und die kleinen Roboter sich auf den Weg machen, gibt es gleich die erste Überraschung: Die vierrädrige Konstruktion des Teams „atheBots“ meistert die anspruchsvolle Aufgabe so mühelos, dass selbst die zwei Schiedsrichter staunen. „Ganz starke Leistung“, murmelt einer der beiden, „das dürften mindestens 700 Punkte sein.“

Die Prognose stimmt; als kurz darauf die Auswertung für den ersten Lauf vorliegt, steht „atheBots“ mit 733 Punkten in der Tabelle. Die zwei anderen Teams schauen etwas ratlos auf die Liste, in ihrer Spalte ist nur eine zweistellige Zahl zu sehen.

Jetzt sind alle im Raum gespannt – wird es den anderen Teams gelingen, den Vorsprung einzuholen? Vier Runden später liefert die Punktebilanz eine klare Antwort: „atheBots“ hat sich souverän gegen die Konkurrenz durchgesetzt und fährt mit einem Ticket für die DM zurück nach Stade.

Auch Hennig Haschke ist zufrieden. „Das war ein tolles Wochenende“, sagt er. „Wettkämpfe wie dieser wecken das Interesse der Kids an Technik und helfen ihnen, ihre Stärken zu entdecken. Ich bin sicher, dass wir einige Teilnehmer später an der TUHH wiedersehen.“

Clemens von Frentz
Leiter aktiv-Redaktion Nord

Der gebürtige Westfale ist seit über 35 Jahren im Medienbereich tätig. Er studierte Geschichte und Holzwirtschaft und volontierte nach dem Diplom bei der „Hamburger Morgenpost“. Danach arbeitete er unter anderem bei n-tv und „manager magazin online“. Vor dem Wechsel zu aktiv leitete er die Redaktion des Fachmagazins „Druck & Medien“. Wenn er nicht für das Magazin „aktiv im Norden“ in den fünf norddeutschen Bundesländern unterwegs ist, trainiert er für seinen dritten New-York-Marathon.

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